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Der Seitenwahl-Bundesligacheck wandert aus Hamburg nur geringfügig nach Süden zu den übrigen Nordlichtern der Liga. Heute geht es u. a. um arrogante Österreicher, gering geschätzte Brasilianer und unverzichtbare Afrikaner.

 

 


Werder Bremen

 

Für Werder-Verhältnisse war es eine geradezu hysterische Vorbereitung. Bei den Bayern ist man Turbulenzen ja gewohnt; das Wort vom FC Hollywood kommt nicht von ungefähr. Aber von den Bremern, deren bedächtiger, unaufgeregter Umgang mit dem Auf und Ab des Fußballs so oft als Vorbild genannt und so selten erreicht wird, kennt man so viel Unruhe nicht.

 

Für ein Schlechtteil davon sorgte der einzige teure Neuzugang. Marko Arnautovic wurde von Mitspielern wie Verantwortlichen öffentlich und unverblümt geraten, sich schnellstmöglich eine weniger arrogant wirkende Ausstrahlung zuzulegen. Dass der Österreicher als zwischen Genie und Wahnsinn Wandelnder gilt, wusste man bei Werder, als man 6,5 Millionen nach Enschede überwies. Aber für den Geschmack von Thomas Schaaf war es zuletzt ein bisschen viel Wahnsinn. So entging natürlich der Presse nicht, dass der Trainer Arnautovic kurzerhand vom Trainingsspiel ausschloss, nachdem der arg vehement gegen eine Schiedsrichterentscheidung protestiert hatte.

 

Da war außerdem das Theater um Mesut Özil. Dass es immer mal wieder großartige Spieler zu Vereinen mit pralleren Geldbörsen zieht, kennt man zwar an der Weser. Zuletzt hat man sich im Falle Diegos beeindruckend davon erholt. Aber dessen Wechsel hatte wenigstens schon im Mai festgestanden, während sich permanent verändernde Gerüchte um Özil die komplette Vorbereitung belasteten. Zuletzt berichteten spanische Zeitungen über eine angebliche schon vollzogene Einigung mit dem FC Barcelona, kurz darauf war an anderer Stelle von einem Dreikampf zwischen Barca, Manchester United und dem FC Chelsea zu lesen. Klaus Allofs freilich gibt sich gelassen und kündigt an, man werde selbst einen ablösefreien Wechsel nächstes Jahr in Kauf nehmen.

 

Schließlich erhitzte die Gemüter ein vor allem in der zweiten Hälfte desolater Auftritt im Test gegen den FC Fulham an dessen Ende ein 1:5 stand. Nun sind Testspiele Schall und Rauch. Wenn Thomas Schaaf und Klaus Allofs ihrem Ärger diesmal wortreichen Ausdruck verliehen, dann hat das tiefere Ursachen. Um die zu verstehen, muss man in die letzte Saison zurückspringen, speziell in die Zeit zwischen dem 14. und 20. Spieltag. Da leisteten sich die Bremer ein ausgiebiges Zwischentief, mit dem sie alle Chancen auf den Meistertitel verspielten. Durch ein furioses Finale klappte es dann zwar doch noch mit dem dritten Platz und der Chance auf die Teilnahme an der Champions League. Am Ende aber stand das Gefühl, das Schlimmste zwar abgewendet, das mögliche Optimum aber leichtfertig aus den Händen gegeben zu haben. Neben Verletzungspech machten die Bremer Verantwortlichen dabei eine gewisse selbstzufriedene Trägheit aus, die zwischenzeitlich die Mannschaft infiziert hatte.

 

Daraus ergab sich: Gelänge es, den Spielern unprofessionelle Nachlässigkeiten auszutreiben, so könnte das Potential des Kaders auch ohne große Zukäufe für die Meisterschaft reichen. Deshalb beließ man es mit Arnautovic bei einem einzigen Millionentransfer. Und deshalb erzürnte es Schaaf und Allofs so sehr, als viele Spieler gegen Fulham mit einer Nonchalance auftraten, die schlechteste Erinnerungen weckte.

 

Allerdings: Ob der Kader für den Titel qualitativ wirklich stark genug besetzt ist, kann man ohnehin bezweifeln. Für die Offensive gilt es sicher. Selbst wenn Özil noch wechseln sollte: Mit Claudio Pizarro, Hugo Almeida, Marko Marin, Aaron Hunt und neuerdings ja Marko Arnautovic muss Werder sich auch den Ribérys und Robbens dieser Liga nicht verstecken. In der Defensive gilt es vielleicht für die erste Garde: für die Viererkette mit Fritz, Mertesacker, Naldo und Boenisch, für die Doppelsechs mit Frings und Bargfrede. Speziell der junge Bargfrede gilt vielen schon als heimlicher Star im Werder-Mittelfeld und als kommender Nationalspieler. Werders Ehrenspielführer Marco Bode führte im Winter die damalige Krise gar explizit auf Bargfredes Verletzung zurück. Das hören junge Spieler in ihrer ersten Profisaison auch nicht oft.

 

Gleichwohl sind die Bremer auch diesmal an Alternativen in der Defensive nicht reichlicher gesegnet als letzte Saison. So sollte das Potential zwar ausreichen, um wieder um die Champions League-Plätze mitzuspielen und vielleicht zwischendurch vom ganz großen Triumph zu träumen. Den wirklichen FC Hollywood wird Werder aber eher nicht hinter sich lassen.

  

VfL Wolfsburg

 

Ein normaler Verein muss sparen, wenn er anstatt des anvisierten Champions-League-Platzes sogar den Einzug in die Europaliga verpasst. Beim VfL Wolfsburg handelt es sich jedoch um keinen normalen Verein, sondern um den Imageträger eines großen Automobilkonzerns. Da sitzt das Geld dann eben etwas lockerer – sei es für einen Diego, einen Elia oder sonst einen für schlappe 20 Millionen Euro verfügbaren Mittelfeldspieler, der gegen entsprechendes Schmerzensgeld bereit ist, in die langweilige Fußballprovinz zu wechseln. Wenn allerdings mit Craig Bellamy selbst ein Spieler von Manchester City zu Protokoll gibt, dass ihm die Aussicht auf ein Engagement in Wolfsburg nicht reizt, dann sollte das den dort Verantwortlichen zu Denken geben.

 

Steve McLaren ist dem Reiz der Niedersachsen – oder wahlweise des niedersächsischen Mammons – erlegen. In Middlesbrough und Enschede erzielte er mit Vereinen aus der zweiten Reihe beachtliche Erfolge, was er in der kommenden Spielzeit wiederholen soll. In England erlangte er zwischenzeitlich zwar als Nationaltrainer durch die verpasste EM-Qualifikation 2008 traurige Berühmtheit, was aber durch den nicht minder peinlichen jüngsten WM-Auftritt der Briten ein wenig relativiert wurde. Zweifel an McLaren kommen weniger ob seiner Expertise als wegen seiner mangelnden Deutschkenntnisse auf. Zwar wurde ihm Weltenbummler Pierre Littbarski zur Seite gestellt. In letzter Instanz wird es aber selbst im beschaulichen Wolfsburg ein gefundenes Fressen für die Medien sein, dem Trainer bei ersten kleineren Schwierigkeiten unter die Nase zu reiben, dass er die Spieler in einer ihm fremden Sprache nicht erreichen kann.

 

Potentielle Brandherde gibt es zu Genüge, denn ausgerechnet das einst so magische Dreieck beherrschte in diesem Sommer die Schlagzeilen durch regelmäßige Wechselgerüchte. Edin Dzeko sehnt sich nach der Champions-League, Zvjezdan Misimovic nach seinem Ex-Trainer, Grafite nach mehr Wertschätzung. Trotz einer beeindruckenden Quote von 50 Treffern in 79 Bundesligaspielen droht dem Brasilianer in dieser Saison die Ersatzbank. Das geplante 4-2-3-1-System des neuen Trainers sieht Dzeko als einzigen Stürmer vor. Sofern es Grafite jedoch gelingt, seine Form aus der Meistersaison nur halbwegs wiederzufinden, sollte an ihm kaum ein Weg vorbeiführen. Doch genau hier liegt ein weiteres Problem. Spieler, wie Grafite, Schäfer und zeitweise auch Misimovic fielen im Vorjahr gegenüber der Ausnahmesaison 08/09 deutlich ab. Welche ihrer zuletzt so gegensätzlichen Leistungen sie in dieser Saison abliefern, wird für den Saisonverlauf eine ganz entscheidende Rolle spielen.

 

Offensiv ist man selbst dann gut aufgestellt, falls sich kein weiterer Millionentransfer realisieren lässt. Defensiv zog man die Lehren aus zuletzt 58 Gegentoren, die ligaweit nur von Borussia, Freiburg, Bochum und Hannover überboten wurden. Daher wurden insgesamt 14 Millionen Euro für zwei WM-Gewinner ausgegeben, die eine neue und hoffentlich stabilere Innenverteidigung bilden sollen. Arne Friedrich gilt als erfahrener Führungsspieler, der allerdings in den letzten Jahren in Berlin nicht immer so überzeugend auftrat wie zuletzt in Südafrika. Ihm zur Seite gestellt wird der viel versprechende Däne Simon Kjaer, der mit seinen 21 Jahren bereits zwei Jahre als Stammkraft in der italienischen Serie A gespielt hat.

 

Von den Namen her sollte der VfL stark genug aufgestellt sein, um sich wieder weiter nach oben orientieren zu können. So spricht vieles dafür, dass man nach der optimal verlaufenen Saison 2008/09 und der missratenen Spielzeit 2009/10 jetzt in der Mitte zwischen Platz 1 und 8 landen wird. Nur wenn alle Spieler wieder für das gemeinsame Ziel eintreten, ist gar ein erneuter Platz in der Champions-League möglich. Dies erscheint aber in einem derart zusammengekauften Team eher unwahrscheinlich.

 

Hannover 96

 

Viele Mannschaften fallen einem vor der anstehenden Bundesliga-Saison nicht ein, denen man den Abstieg zutraut. Die Aufsteiger sind immer ein Thema, haben mit ihren Fans aber ein gehöriges Faustpfand im Rücken. Der SC Freiburg und der 1.FC Nürnberg werden sich nur mühsam von der Liste der üblichen Verdächtigen befreien können. Bliebe noch ein Verein, der im Vorjahr für viele lange Zeit als sicherer Absteiger galt. Hannover 96 startete ordentlich, wurde dann aber nach dem Freitod von Robert Enke nach unten durchgereicht. Ein einziger Punkt in 12 Spielen ließ den Verein auf Rang 17 abstürzen und für fast die komplette Rückrunde auf einem der letzten drei Plätze verharren. Dies änderte sich erst am vorletzten Spieltag durch einen 6:1-Erfolg über einen wenig motiviert wirkenden Gegner. Das abschließende 3:0 in Bochum sorgte allerhöchstens für Erleichterung ob des gelungenen Klassenerhalts. Es konnte aber kaum versöhnen für eine Saison, in der fast alles schief gelaufen war.

 

Für die neue Spielzeit hofft man darauf, dass die letzten Eindrücke die Wende zum Guten eingeläutet haben könnten. Zweifel sind aber angebracht, wenn man Aussagen wie die von Slomka hört, nach denen die Mannschaft in der Saisonendphase „unglaublich zusammengewachsen“ sei und dies angeblich in Zusammenhang mit der Enke-Tragödie zu stehen habe. Dieselbe Tragödie, die zuvor bereits als Erklärung für die lange Phase der Erfolglosigkeit herhalten musste, wird jetzt also genau ins Gegenteil umdefiniert. Fernab der Frage, ob man ein solches Ereignis derart für sportliche Belange instrumentalisieren darf, klingt dies doch arg nach gekünsteltem Zweckoptimismus.

 

Verständlich ist dies aber schon, denn viel Grund zur Zuversicht besteht objektiv nicht. Die Mannschaft wirkt in nahezu allen Mannschaftsteilen falsch zusammengestellt. Im Angriff ist Didier Ya Konan die einzige Konstante. Ihm zur Seite stehen mit Forssell, Hanke und Schlaudraff drei Sorgenkinder, die seit Jahren ihrer Bestform aus vergangenen Zeiten hinterherlaufen. Kaum vorstellbar, dass ihnen in diesem Jahr endlich ihr Comeback gelingt.


Der Verein scheint dies ähnlich zu sehen und plant daher die Verpflichtung eines weiteren Stoßstürmers, ohne den das Unternehmen Klassenerhalt akut gefährdet wäre. Fündig wurde man voraussichtlich einmal mehr in Norwegen. Mohamed Abdellaoue soll von Valerenga Oslo verpflichtet werden. Der norwegische Nationalspieler mit marokkanischen Wurzeln gilt als technisch stark und empfahl sich durch zuletzt 15 Tore in 20 Spielen. Zum Vergleich: Ya Konan konnte in derselben Liga in seinen insgesamt 50 Partien nur 13 Mal einnetzen. Gut möglich, dass die beiden Afrikaner zukünftig gemeinsam auf Torejagd gehen und die Offensivprobleme der Niedersachsen weitgehend beheben.

 

Traditionell liegen die Probleme von 96 ohnehin eher in der Defensive, wo man seit Jahren als Schießbude der Liga gilt. 67 Gegentore waren im Vorjahr mal wieder absoluter Ligarekord. Dieses Problem soll jetzt der Kapitän der österreichischen Nationalmannschaft beheben. Emanuel Pogatetz war in Middlesbrough jahrelang Stammspieler in der Premier League und dürfte daher gleich eine Führungsrolle in der Defensive beanspruchen. Im nicht ganz unwahrscheinlichen Fall des Misserfolgs birgt seine Person aber auch Konfliktpotential, da er als unbequemer Spieler gilt, der nicht davor zurückschrecken wird, einem Mirko Slomka seine Meinung – direkt oder indirekt über die Presse – mitzuteilen.


Der ehemalige Trainer des FC Schalke 04 musste seit seiner dortigen Entlassung im Jahre 2008 einen gewaltigen Abstieg hinnehmen. Zunächst wurde er ein Opfer seiner eigenen Selbstüberschätzung, mit der er Angebote „einfacher“ Bundesligisten zu normalen Konditionen als minderwertig ablehnte. Nach 1 ½ Jahren ohne Verein stieg er dann doch noch von seinem hohen Ross und gab dem Werben aus seiner Heimat nach, als man in Hannover einen Trainer suchte, der den freien Fall in die Zweitklassigkeit irgendwie noch aufhalten sollte. Dies gelang, obwohl einige Akteure deutlich unter ihren Möglichkeiten spielten. Slomkas bisheriges Wirken wird aber nicht nur vom eigenen Manager durchaus kritisch gesehen, so dass er sich keinen Fehlstart wird erlauben dürfen.

 

Auch wenn viele Experten Hannover ganz weit oben auf ihrem Abstiegszettel notiert haben, sollten sich mindestens zwei andere Vereine finden lassen, die am Ende auf Distanz gehalten werden. Sofern die Neuzugänge aber nicht wie erwünscht einschlagen, wird eine Rettung nur schwer zu realisieren sein.