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Es war einmal ein kleiner, schwacher Fußballverein, der nahezu ohne jegliche Finanzmittel gegen die reichen und mächtigen Konkurrenzvereine dieser Welt antrat und diesen übermächtig scheinenden Goliaths mit beherzter Schnelligkeit und geschickter Raffinesse immer wieder ein Bein zu stellen vermochte. Willkommen in der Welt des BVB 09 Dortmund - zumindest aus dem Blickwinkel der dortigen Marketingabteilung, deren Leiter im Übrigen einst Stadionsprecher bei der einzig wahren Borussia gewesen ist. Dem BVB gelingt es wie keinem zweiten Verein, sich permanent selbst in der Rolle des ewigen Underdog zu positionieren - wohl wissend, dass diese von vielen neutralen Fußballfans in der Regel besonders gerne unterstützt werden. Ebenso blumige wie schwachsinnige Vergleiche mit Robin Hood oder James Bond werden von den storygeilen Medien allzu gerne aufgenommen, um die Metapher von Gut (BVB) gegen Böse (FC Bayern) in die Öffentlichkeit zu transportieren. Stets ausgeblendet bleibt dabei, dass auch der BVB im vergangenen Jahr über 60 Mio. Euro in der Champions League verdient hat und sich im knallharten Fußballgeschäft derselben Methoden bedient wie die Großkopferten.

Man frage nach bei Max Eberl, der den Verlust eines Marco Reus per Ausstiegsklausel genauso hinnehmen musste wie der BVB jetzt jenen von Mario Götze - mit dem kleinen Unterschied, die Vertragsrealitäten deutlich würdevoller zu akzeptieren. Auch die Darstellung, dass der BVB nur weniger als die halben Gehaltskosten der Bayern zu zahlen habe, wird durch penetrante Wiederholung nicht glaubwürdiger. Verschwiegen wird hierbei u. a., dass der BVB noch viel stärker als andere Klubs einen Großteil seiner Gehälter erfolgsabhängig zahlt, wobei in die offiziellen Gehaltsetats aber i.d.R. nur die Grundgehälter einfließen. Es steht außer Frage, dass anderswo (noch) mehr Geld ausgegeben wird als bei den Westfalen. Die Motive der Verantwortlichen für eine solch übertriebene Selbstdiminuierung sind aber allzu leicht zu durchschauen. Etwas mehr Aufrichtigkeit wäre dem Verein zu wünschen, denn es ist keine Schande, Erfolg haben zu wollen und sich den dafür leider unverzichtbaren üblichen Mechanismen der Branche zu bedienen.

Der brillanteste Marketing-Einfall der vermeintlich "Echten Liebe" wurde in diesem Sommer durch das Verhalten des einstmals "echten Dortmunders" Mario Götze sowie durch die Posse um Robert Lewandowski ad absurdum geführt. Beiden Spielern wurde "Echte Liebe" nur solange entgegengebracht wie sie sich zum BVB bekannten. Als sie den natürlichen Gang eines jeden Fußballprofis einleiteten, sich sportlich verbessern zu wollen, schlug ihnen ein Hass entgegen, wie ihn Abtrünnige sonst nur bei den Zeugen Jehovas erleben.

Gleichzeitig wird aber weiterhin einem Marco Reus zugejubelt, der im Vorjahr denselben Weg - nur eben in umgekehrter Richtung - eingeschlagen war. Ebenso gilt Henrikh Mkhitaryan als großer Hoffnungsträger - ein Spieler, der seinem Ex-Verein die Pistole auf die Brust setzte, um unbedingt zu seinem Wunschverein nach Dortmund wechseln zu dürfen. Trotz laufenden Vertrags setzte er sich nach Wien ab und informierte seinen Verein von dort aus, nicht mehr nach Donezk zurückzukehren bis seinem Wunsch entsprochen werde. Danach nahm er sich einen international gefürchteten Berater, um seine Ernsthaftigkeit zu unterstreichen. Ein Vorgang, der seinem alten Verein einige Millionen Euro gekostet hat, da dieser den Spieler lieber an zahlungskräftigere russische (Partner-)Vereine abgetreten hätte. Nun ließen sich die Eigenheiten des russisch-ukrainischen Transfergebahrens ebenso kritisch betrachten. Es fällt aber schon auf, mit welch zweierlei Maß so mancher Fußballfan die (Ex-)Spieler seines Vereins bemisst.

Im Ergebnis dieser spannenden Transferperiode hat sich der BVB bislang mit drei namhaften Akteuren verstärkt. Der Ex-Bremer Sokratis kann als gleichwertiger Ersatz für den bisherigen Edeljoker Santana gesehen werden. Da Lukasz Piszczek in der Vorrunde verletzungsbedingt ausfallen wird, bietet sich der Grieche zusätzlich als mögliche Alternative für die rechte Verteidigerposition an. Zu Saisonbeginn scheint sich Jürgen Klopp hier aber für die offensivere Variante in Person von Kevin Großkreutz entschieden zu haben. Die Außenverteidiger-Positionen wurden ansonsten überraschenderweise nicht verstärkt. Nach der Rückkehr von Piszczek sollte man rechts ordentlich aufgestellt sein. Links aber weiterhin allein auf den nahezu konkurrenzlosen Marcel Schmelzer zu setzen, der auf internationalen Topniveau schon des Öfteren seine Schwächen offenbart hat, ist durchaus mutig.

Als Ersatz für Mario Götze wurden ca. 27 Mio. Euro in eben jenen Mkhitaryan investiert, der in Donezk das Spiel brillant zu gestalten verstand. Dies musste er dort aber nicht Woche für Woche auf absolut höchstem Niveau, weshalb abzuwarten bleibt, ob die gewaltige Ablöse wirklich gerechtfertigt war. Die ersten Eindrücke aus den Testspielen deuten in diese Richtung, denn der Ukrainer passte sich dort hervorragend ins bestehende Team ein und harmonierte erstaunlich gut mit seinen Nebenspielern.

Der dritte im Bunde der Neuen heißt Pierre-Emerick Aubameyang und ist ein pfeilschneller Angreifer, der zuletzt beim AS Saint-Etienne zweitbester Torschütze der französischen Liga gewesen war. Trotz seiner 19 Treffer litt er aber schon dort unter dem berüchtigten Mlapa-Syndrom und ließ einige Großchancen liegen, die sich derart schnelle Spieler regelmäßig in größerer Anzahl erarbeiten. Einen Vorgeschmack darauf erlebten die Fans des BVB in Wilhelmshaven, wo der gabunische Nationalspieler eine Fülle hochkarätiger Möglichkeiten nicht nutzen konnte. Dennoch steht außer Frage, dass die Elf von Jürgen Klopp durch diesen Spieler eine weitere Waffe hinzubekommen hat, durch die sie noch schwerer zu spielen sein wird als bisher schon.

Der BVB mag noch so bemüht sein, sich kleiner zu machen als er ist. Es kann und darf keine so riesige Überraschung sein, wenn ein Champions-League-Finalist im eigenen Stadion den FC Bayern schlägt - zumal wenn dieser 5 wesentliche Ausfälle zu verkraften hat und ihr Trainer einige recht waghalsige Experimente ausprobiert. Die Dortmunder mögen auf einigen Positionen in der Breite nicht so hochwertig besetzt sein wie die Münchener. Die Basiself der besten 15-16 Spieler braucht aber europaweit keinen Vergleich zu scheuen und ist näher dran an der Stärke der Bajuwaren als an irgendeinem Kader eines anderen Bundesligisten. Alles unterhalb von Platz 2 in der Endtabelle der Saison 2013/14 müsste daher objektiv als große Enttäuschung gewertet werden.

Dieses Selbstbewusstsein sollte eigentlich auch den Verantwortlichen des BVB zuzutrauen sein, die immerhin seit 2006 fast alles richtig gemacht und ihren Verein mit einer - sportlich wie wirtschaftlich - beachtlichen Leistung in die absolute europäische Spitzenklasse katapultiert haben. Die Erfolge der Bayern und des BVB im vergangenen Jahr dürfen im europäischen Wettbewerb zweifelsohne als Erfolg des seriösen und professionellen Arbeitens gewertet werden. Diese kompetente Herangehensweise kombiniert mit den unsittlichen Beträgen, die sich mittlerweile in der Champions League verdienen lassen, wird die Dortmunder vor dem vielerorts befürchteten Ausverkauf bewahren. Auch ohne Götze und selbst ohne einen Lewandowski ist diese Mannschaft ausreichend gut bestückt, um sich dauerhaft in den Top3 der Bundesliga zu etablieren und in guten Jahren sogar den Bayern gefährlich zu werden.