Borussia hat es wieder einmal geschafft. Wie schon vor 3 Jahren bei Union Berlin vergeigte man gegen einen zudem noch äußerst schwachen Gegner die Riesen-Chance, endlich wieder einmal internationale Luft zu schnuppern. Anstatt Mailand oder Amsterdam im neuen Borussen-Stadion zu empfangen, muß man jetzt demnächst eher mit Burghausen oder Lübeck am Nordpark rechnen. Der große Traum vom Pokalfinale in Berlin ist durch das 0:1 am Aachener Tivoli ebenso ausgeträumt wie die Hoffnung, sich über Einnahmen im internationalen Wettbewerb eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Spätestens nach diesem Auftritt wird selbst einem Herr Bocks klar geworden sein, dass wir auch in 5 Jahren nur durch ein Wunder an Dinge wie Meisterschaft oder Champions League werden denken können. Realistisch betrachtet wird es jetzt in Mönchengladbach so weitergehen müssen wie schon in den letzten Jahren. Hochkarätige "Topper", wie sie uns so oft versprochen worden sind, werden sich angesichts der unsicheren Aussichten ob der Ligazugehörigkeit und ohne den Anreiz UEFA-Cup kaum verpflichten lassen. Durchschnittskicker wie Carnell, Strasser oder Kolkka, mit denen man die Klasse schon durchaus erhalten kann, aber eben niemals mehr wird erreichen können, werden weiter das Maß unserer Einkäufe bleiben. Nur wenn sich talentierte, junge Spieler, wie Sverkos, Kluge, Broich oder Korzynietz überragend weiter entwickeln und dann wie auch immer gehalten werden können, und zusätzlich (teils teure) Flops der Marke Skoubo oder Obradovic ausbleiben, ist zumindest eine langsame Fortentwicklung im Bereich des Möglichen. Zwingend nötig wäre aber mal ein überraschender Befreiungsschlag, wie er uns an diesem Pokaltage auf den Präsentierteller gereicht wurde.

Als Borussen-Fan ist man es mittlerweile gewohnt, dass unsere Mannschaft ihre Stärken besonders darin hat, solche Chancen kläglich zu vergeben. Nach dem Bochum-Spiel hatte man Hoffnung, die zuletzt engagierte Leistung könnte Aufschwung geben für das so wichtige Pokalspiel. Und zu Beginn machte die Elf von Holger Fach durchaus den Eindruck als wolle man an das Spiel vom Sonntag anknüpfen. Eine knappe halbe Stunde lang hatte man den Gegner eindeutig im Griff und erspielte sich immerhin zwei ordentliche Chancen, wenngleich diese nur halb so zwingend ausfielen wie noch gegen Bochum. So war Vaclav Sverkos - anders als Carnell oder Demo am Sonntag - kein Vorwurf zu machen. Es war Pech, dass sein Aufsetzer zwar dank des holprigen Rasens Stefan Straub überwand, dann aber am Pfosten scheiterte. Alles in allem lief die erste Halbzeit vom Auftreten durchaus zufriedenstellend ab, wenngleich sie nicht an die 45 Anfangsminuten aus dem Bochum-Spiel heranreichen konnte. Gerade kämpferisch gegen Bochum überragende Akteure wie Ulich oder van Lent blieben insgesamt weit blasser. Mit nur zwei echten, spielerisch guten Ausnahmen beschränkten sich die Tormöglichkeiten auf meist harmlose Fernschüsse, die zu 90% genau auf den Torhüter gezielt wurden. Wieder einmal wurde hier Borussias Torungefahr aus der Distanz deutlich. Umso unverständlicher, dass es trotz unübersehbarer Aachener Schwächen quasi überhaupt keine echte Chance über die Außenbahnen gab und Flankenbälle einzig auf ebenso harmlose Standards beschränkt blieben.

Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt fiel dann noch aus heiterem Himmel der schlussendlich so tragische Führungstreffer für die Aachener, die aus einer gefährlichen Standardsituation Kapital schlugen, während bei Borussia gleich zwei vergleichbare Situationen kläglich in der Mauer hängen blieben. Auch wenn sich hieraus später eine der größten Borussen-Möglichkeiten ergab, so ist es absolut unverständlich, mit welcher Selbstüberschätzung sich ein ansonsten ordentlicher Jeff Strasser erneut anmaßte, Freistöße schießen zu können.

Daß zudem die beiden erfahrensten Spieler beim Aufstellen der Mauer patzten, ist ein weiteres Indiz für die Führungsschwäche in unserem Team, in dem gerade die Erfahrensten zuletzt durch Aussetzer auffallen und somit sämtliche Hierarchien im Team ad absurdum führen.
Sollte Claus Reitmaier mit seiner Darstellung der Dinge Recht haben, dass die Mauer nach der Zurechtweisung des Schiedsrichters - und nachdem sie zuvor von Reitmaier ordnungsgemäß positioniert worden war - nicht nur einen Schritt zurück, sondern zusätzlich noch zur Seite gemacht hat, so müsste man speziell Arie van Lent anfängerhaftes Verhalten vorwerfen. Zuvor war es aber schon ein unnötiger Fehlpaß von Korzynietz, der wie so oft in letzter Zeit einen unserer spielerisch beschränkten Defensivspieler in die Bedrängnis brachte, in aussichtsreicher Position Foul zu spielen. Auf die Gefahr der Alemannen bei Standards wird Holger Fach mit Sicherheit vor der Partie hingewiesen haben. Umso tragischer, dass man auf dies dennoch nicht besser zu reagieren wußte.

Doch immerhin verblieb nach dem bis dahin unglücklichen und unverdienten Rückstand noch eine ganze Halbzeit Zeit, um zumindest den Ausgleich zu erzielen. Und nach dem Seitenwechsel hatte man sich eine noch engagiertere und bemühtere Mannschaft erhofft, die erkennen lässt, dass sie um die Bedeutung dieser Partie weiß. Gerade nach der ersten Halbzeit, in welcher der Gegner eindrucksvoll unter Beweis stellte, nicht gerade über das hochkarätigste Spielermaterial zu verfügen und in der zudem auch vom befürchteten Hexenkessel nicht viel zu hören und spüren war, war es unerklärlich, wie mut- und hoffnungslos man sich im zweiten Spielabschnitt präsentierte. Man mag den Spielern das Bemühen ja nicht einmal absprechen. Ich will schon glauben, dass alle Spieler willig waren, mehr zu bringen. Doch der Glauben an die eigene Stärke schien durch die beiden höchst unglücklichen Tore in Bochum und dann durch Grlic schwer erschüttert. Wenn man gut und engagiert spielt, so ist es doppelt bitter, wenn vorne die entsprechenden Erfolge (durchaus auch mit Pech und nicht nur mit Unvermögen) ausbleiben und hinten gleich wieder die erste echte Chance des Gegners ihren Weg ins Tor findet. Dies muß den Spielern psychologisch einen gehörigen Knacks gegeben haben, der sich hoffentlich nicht auf die nun folgenden Partien ausweiten wird.

Doch so sehr man nach Erklärungen suchen möchte. Eine Entschuldigung darf dies alles nicht sein. Was in Halbzeit zwei auf dem Tivoli ablief, war indiskutabel und eine Unverschämtheit gegenüber den Fans, die sich zu oft überhöhten Preisen ihren Weg ins Stadion geebnet hatten oder auch all den anderen, die nach den letzten oft enttäuschenden Jahren den UEFA-Cup mehr als verdient gehabt hätten. Stattdessen bleibt nur Wut, Frust und Enttäuschung über solch eine Unleistung, bei der ein echtes Aufbäumen und der unbedingte Siegeswille nur sehr sporadisch zu erkennen war. Unerklärlich, wie man sich über weite Strecken auf ein unwürdiges klein-klein-Gespiele an der linken Außenbahn einließ und in den In-Fight mit den hier schwer zu knackenden Aachenern einstieg anstatt das Spiel auch mal breit zu machen. Das Wort "Spielverlagerung" schien man völlig aus dem Wortschatz gestrichen zu haben. Bernd Korzynietz - in Hälfte 1 mit einer durchaus noch zufriedenstellenden Offensivleistung - wurde völlig aus dem Spiel genommen. Kaum noch ein Angriff, der über die rechte Seite vorgetragen wurde, obwohl die Alemannia hier defensiv durchaus anfällig gewesen wäre. Neben Ivo Ulich blieb auch Thomas Broich hinter den stärkeren Auftritten der letzten Wochen zurück. Zwar blitzte ab und an sein technisches Können durch. Doch durchschlagskräftig und zwingend war das zu selten. Genau genommen müsste man hier aber jeden Borussen nennen, denn alle Borussen spielten weit unter ihren Möglichkeiten. Oder aber - und das wäre dann wohl noch tragischer - im Rahmen ihrer für höhere Ziele viel zu beschränkten Möglichkeiten. Holger Fach sprach dies gewohnt nüchtern an, dass man nicht fähig sei, einen (schwächeren) Gegner wie Aachen "mal eben so" spielerisch abzukochen. Hierzu fehlt das entsprechende Spielermaterial und dank der einmal mehr verpassten Chance auf internationales Geld werden solcherlei Spieler auch in Zukunft den Weg nach Mönchengladbach meiden.

Wer nach der Partie jetzt wieder dazu übergeht, einzelne Sündenböcke auszumachen, sollte damit vorsichtig umgehen. Zufrieden kann man wie gesagt mit keinem Borussen sein. So bekam Arie van Lent über 90 Minuten kaum einen Stich gegen eine durchschnittliche Abwehr. Doch auch der viel geforderte Tomislav Maric hatte immerhin 35 Minuten Zeit, um für Dampf und Belebung zu sorgen, was ihm in keinster Weise gelang. Gerade von ihm wäre nach den zuletzt so großen Tönen in der Presse mehr zu erwarten gewesen. Doch wie schon gegen Hannover zeigte sich, dass der Ex-Wolfsburger nicht der Heilsbringer ist, für den ihn so viele halten.

Natürlich darf es bei der Betrachtung dieses Spiels nicht ausbleiben, auch auf die nicht minder indiskutable Schiedsrichterleistung einzugehen. Gleich zwei deutliche Handspiele im Strafraum innerhalb von nur 8 Minuten zu übersehen ist aller Ehren wert und man fragt sich, wofür es neben dem Schiedsrichter noch Assistenten gibt, wenn gleich beide Verantwortlichen in entscheidenden Momenten kollektiv ihre Augen verschließen. War Meijers Handspiel noch schwer zu erkennen, so war es schlicht unverschämt, wie man Mbwando mit seiner überdeutlichen Aktion ungestraft davonkommen ließ. Wäre zu diesem Zeitpunkt per Elfmeter das 1:1 gefallen, hätte sich noch einmal ein ganz neues Spiel ergeben und vielleicht wäre dann Borussia das gelungen, worüber sich nun die Aachener freuen dürfen - trotz einer unterirdischen Leistung ins Pokalfinale und in den UEFA-Cup einzuziehen. Denn insgesamt mag man den Schiedsrichter wegen dieser unverzeihlichen Fehler verteufeln. Für das Ausscheiden sollte man insgesamt ganz alleine die Schuld bei sich selbst suchen. Immerhin hier bewiesen die Borussen - in Person von Arie van Lent und Holger Fach - nach der Partie Größe, indem sie dies sportlich fair vorlebten.

Es fällt schwer, nach so einer Partie wieder zur Tagesordnung überzugehen und sich der schon in 3 Tagen anstehenden nächsten Aufgabe zu widmen. Wir Fans werden wohl allerfrühestens am Samstag um 15.29 Uhr fähig sein, dieses bittere Aus zumindest zeitweilig aus dem Gedächtnis zu verdrängen. Auch wenn man nicht vergessen darf, dass sich die Elf erst durch überragende Spiele gegen Stuttgart und Dortmund bis in die Runde der letzten Vier vorarbeitete, muß die Saison jetzt schon als verkorkst eingestuft werden. Es kann jetzt nur noch darum gehen, den absoluten Super-Gau zu vermeiden. Wenn jetzt nämlich auch noch das noch wichtigere Ziel Klassenerhalt verpasst wird, so wäre viel mehr die Frage, ob man in Mönchengladbach in fünf Jahren statt Champions-League überhaupt noch Profifußball wird erleben dürfen. Ein Abstieg würde den Verein meilenweit zurückwerfen und einer vollständig ungewissen Zukunft überlassen. Und schon nächsten Samstag muß es den Akteuren gelingen, die Pokalschmach zu verdrängen und sich auf die Ligaaufgaben zu 100% zu konzentrieren. Auswärts hat man in Aachen wieder einmal das gewohnt hässliche Gesicht gezeigt, so dass es angesichts noch sechs ausstehender Heimspiele nur darum gehen kann, am Bökelberg die nötigen Punkte zu sammeln. Nach diesem Mittwoch bestehen aber mehr Zweifel denn je, ob es diese Mannschaft ohne echte Führungsspieler schaffen kann, einen solch psychologischen Knacks derart schnell zu verarbeiten. Die Mannschaft muß jetzt Größe zeigen, um uns zumindest teilweise für das zu versöhnen, was an diesem Mittwoch fahrlässig und unverantwortlich zerstört wurde. Vergessen werden wir Fans aber selbst im Falle des Klassenerhalts nicht, welch große Chance für den Verein, für unsere Zukunft und gerade für uns wirklich nicht erfolgsverwöhnte Fans in einem einzigen Spiel vertan wurde.