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Der Bundesligacheck 2009/2010 wendet sich heute einer Gruppe von Vereinen zu, die zu den Fragezeichen zählen. Es wäre zu einfach, sie ohne Umschweife im Mittelfeld anzusiedeln, denn teils haben sie in der Vorsaison die Erwartungen weit übertroffen (Hertha BSC Berlin), teils haben sie zwei gegensätzliche (Halb-)Spielzeiten in einer untergebracht (TSG 1899 Hoffenheim), und teils sind sie letztlich deutlich unterhalb ihrem Potential geblieben (Bayer 04 Leverkusen). Solche Schwankungen sind es, die das ansonsten fest zementierte Gefüge der Bundesliga wenigstens etwas ins Wanken bringen. Daher kann man diesen Vereinen durchaus ein Mindestmaß an Interesse entgegenbringen, auch wenn keiner der drei zu den wirklichen Sympathieträgern zählt, um es noch milde auszudrücken.

Hertha BSC 


Hertha BSC BerlinAlles redet über Wolfsburg, doch die wirkliche Überraschungsmannschaft der letzten Saison dürfte wohl Hertha BSC sein. Zwar ging den Berlinern auf der Zielgraden der Saison dann doch die Puste aus und man verpasste am letzten Spieltag die mögliche Qualifikation zur Champions League, wer aber vor der Saison prophezeit hätte, die Herthaner würden um die Meisterschaft mitspielen, der wäre wohl ins Reich der Fantasten verwiesen wurden.

 

Und damit sind wir schon mittendrin in der grauen Problemwelt des Hauptstadt-Clubs. In gewisser Weise ist der Verein ein Zerrbild seiner Stadt: Die berühmte große Berliner Schnauze bei chronisch leeren Taschen. Das Leben über seinen Verhältnissen zwingt sowohl Stadt als auch Hertha BSC mittlerweile kleine Schrippen zu backen. Dieser Prozess ist ungewohnt und für die Hauptstädter geradezu entwürdigen – aber eben auch unbedingt nötig. Umso wichtiger wäre die Qualifikation für die Champions League gewesen. Doch grade als es darauf ankam, ging der Mannschaft um Trainer Lucien Favre die Luft aus. Einem unglücklichen 0:0 gegen Schalke folgte eine an Arbeitsverweigerung grenzende Leistung in Karlsruhe, wo man schließlich seine letzten Chancen beim 0:4 verspielte. Und so stand man letztendlich mit leeren Händen und Taschen da, was sich in der aktuellen Kaderbildung für die neue Saison brutal widerspiegelt.

 

Gerne hätte man Andrej Voronin weiterverpflichtet, doch die Gehaltsvorstellungen des ehemaligen Gladbacher Jugendspielers sprengten die Möglichkeiten der Berliner bei weiten. Dazu verließ der langjährige Leistungsträger Marko Pantelic den Verein ablösefrei. Sein Abgang kam wenig überraschend, galt sein Verhältnis zu Trainer Favre zumindest als gespannt. Sein Gehalt hätte man sich wohl eh kaum leisten können. Als dritter Basisspieler verließ Josip Simunic den Verein in Richtung Hoffenheim. Obwohl der Kroate zu den stärksten Innenverteidigern der letzten Saison gehörte, beeilte sich Lucien Favre öffentlich anzuzweifeln, ob Simunic diese Leistung noch einmal abrufen könnte. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand wird vermutet, die festgeschriebene Ablöse von sieben Millionen Euro sei ungleich attraktiver erschienen. Das zudem noch diskutiert wird, ob man für Gojko Kacar, trotz hervorragender Leistungen in der letzten Saison, nicht auch besser eine (hohe) Ablöse einstreicht, passt dabei ins Bild. Ebenso ist auch ein Abgang von Eigengewächs Patrick Ebert möglich. Seine Personalie wird mit Hoffenheim in Verbindung gebracht.
 

Die Ablöse für Simunic weckt natürlich Begehrlichkeiten. Namen wie Senderos und Metzelder geistern durch die Gazetten, um seine Lücke auszufüllen. Inwieweit dies mit beschränkten Mitteln (in der Presse kursieren 2,5 Millionen Euro für Transferausgaben) umsetzbar ist, dürfte zumindestens fragwürdig sein. Schließlich hat man in der letzten Saison mit Ausleihgeschäften gute Erfahrungen gemacht. Und so stehen den drei prominenten Abgängen bislang nur zwei namhafte Zugänge gegenüber. Mit Christoph Jancker konnte man ablösefrei einen Verteidiger verpflichten, der in der letzten Rückrunde zu den Stammkräften in Hoffenheim gehörte. Im Sturm wechselte mit Artur Wichniarek ein alter Bekannter zur Hertha. Seine Verpflichtung wurde im Umfeld äußerst kritisch wahrgenommen, galt er in Berlin bislang doch als Inbegriff des Flops. Während seines ersten Engagements gelangen ihm lediglich 4 Tore in 44 Spielen. Die „Begeisterung“ über diese Verpflichtung entlud sich dann auch gleich im ersten Testspiel, als Wichniarek mit einem gellenden Pfeifkonzert empfangen wurde.

Als hätte man nicht schon Sorgen genug, kam es nach der Saison zusätzlich noch zu einem Machtkampf hinter den Kulissen. Ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages trennte man sich von Manager Dieter Hoeneß. Neuer sportlicher Verantwortlicher ist die erfolgreichste Verpflichtung der letzten Dekaden Michael Preetz. Natürlich möchte niemand das Wort „Entmachtung“ in den Mund nehmen, aber die Art der Demission durch Präsident Gegenbauer spricht eine deutliche Sprache. Dazu passt dann auch, dass die Verträge mit den beiden als Hoeneß-Getreuen geltenden Pressesprecher Hans-Georg Felder und Justitiar Jochen Sauer vorzeitig aufgelöst wurden. Gewinner dieses Machtpokers sind der neue sportliche Verantwortliche Preetz und Trainer Favre, dessen Machtbereich wohl deutlich ausgebaut wurde.

 

Lucien Favre ist auch das größte Pfund, welches Hertha BSC aufzuweisen hat. Der eigenwillige Schweizer hat eine Mannschaft nach seinem Gusto geformt und schließlich zum Erfolg geführt. Seine Person sitzt sehr fest im Sattel und es ist ihm durchaus zuzutrauen, trotz des Abgangs von drei Basisspielern wieder eine schlagkräftige Truppe aufzubauen. Der ehemalige Schweizer Nationalspieler zeigte schon während seiner aktiven Karriere, dass er durchaus feste Vorstellungen hat. Nach nur 24 Länderspielen trat er im Alter von 26 Jahren aus der Nationalmannschaft zurück, weil ihm dort das Konzept nicht passte. Bei Hertha hat er nun das Umfeld, seine Ideen von Fußball durchzusetzen.



TSG Hoffenheim
 


Vom Aufsteiger zum Herbstmeister: Selbstverständlich war es keine Frage, dass die Überraschungsmannschaft der Hinrunde die TSG 1899 Hoffenheim war. Auf der Suche nach den Gründen für diesen märchenhaften Aufstieg wurde der staunenden Öffentlichkeit eröffnet, dass dieser Erfolg nicht zufällig wäre. Schließlich hätte man ein Konzept!

 

Nun sind Konzepte auch im Profifussball etwas absolut notwendiges und wünschenswertes. Bei der Wahl der Erfolgskonzepte geht es bei den Kraichgauern allerdings traditionell etwas inflationär zu. Zu Beginn des „Projekt Hoffenheim“ wurde vollmundig verkündet, eine Mannschaft zu kreieren, die vornehmlich aus Spielern der Region besteht. Selbst wenn es der breiten Öffentlichkeit entgangen sein sollte, dass Baden-Württemberg mittlerweile zum Einwanderungs-Ländle mutiert ist, dürfte sich trotzdem die Frage stellen, inwieweit die Eduardos, Gustavos, Ibesivics, Sahilovics, Bas oder Obasis einen Bezug zu der Region haben. Typisch badische Namen klingen anders.

 

Danach wurde das Konzept präsentiert, junge, talentierte Spieler günstig einzukaufen, zu entwickeln und im Wert zu steigern. Ein wahrlich bahnbrechendes Konzept, gingen doch die anderen Bundesligisten offensichtlich bisher genau den anderen Weg. Inwieweit sich dieses „Konzept“ mit einem Transferdefizit i.H.v. über 46 Mio. EUR seit dem Aufstieg in die zweite Bundesliga vor zwei Jahren vereinbaren lässt, ist sicherlich diskutabel. Alleine für diese Saison wurden mit den südamerikanischen Mittelfeldspielern Maicosuel und Zuculini sowie dem Herthaner Innenverteidiger Simunic drei Spieler für über 16 Mio. EUR verpflichtet – natürlich kommen diese Spieler aus Liebe zum Kraichgau. Besonders die Verpflichtung von Josip Simunic ist dabei interessant, wurde doch noch im Dezember 2008 verkündet, Spieler über dreißig würden nicht ins (ja richtig!) Konzept passen. Josip Simunic ist 31 Jahre.

 

Soviel heiße Luft wird natürlich wahrgenommen und so verwundert es nicht, dass die SG Heuchelheim in Zeiten der Wirtschaftskrise aus ihren Konzepten einen Exportschlager gemacht hat. Die Idee, einen deutschen Amateurverein finanziell so aufzurüsten, dass er in absehbarer Zeit im Konzert der Großen mitspielen darf, fand nun auch bei einem österreichischen Getränkehersteller Anklang: Was vorher der SSV Markranstädt war, ist nunmehr RB Leipzig, stilgerecht mit Ex-Nationalspieler im Kader und Aufstiegs-Masterplan. In Zeiten, in denen ein Ex-Nationaltrainer wie Sven-Göran Eriksson einen englischen Viertligisten übernimmt, um ihn mit Petrodollars nach oben zu führen, ist dies freilich immer weniger die Ausnahme – und seien wir ehrlich: Ist es für ein zerrüttetes Fußballumfeld wie Leipzig nicht vielleicht sogar das Beste, die verfeindeten Platzhirsche einfach dichtzumachen und etwas Neues aufzubauen?

 

Nun, was für Leipzig oder Notts County gilt, gilt nicht unbedingt für Hoffenheim, dann auf diesen Verein – der im Gegensatz zu den beiden erstgenannten keinerlei Tradition aufweist – hat niemand gewartet. Nun ist er da, doch ob er so lange bleibt, wie seine südamerikanischen Neuzugänge brauchen werden, um den Vereinsnamen korrekt aussprechen zu können, ist eine durchaus offene Frage. Die Prinzipien sind bereits über Bord, der Aufstiegselan ebenfalls. Die Rückrunde der vergangenen Saison sei bereits wie das zweite Jahr eines Aufsteigers gewesen, ließ Ralf Rangnick verlauten und insinuierte damit, der herbste Rückschlag sei bereits verwunden. Das bleibt abzuwarten: Der deutsche Fußball hat manche Neuerung überlebt, zuletzt Jürgen Klinsmann. Geblieben ist Löw, und der war seit je her der bessere Klinsmann. Wenn aus Hoffenheim irgendwann ein Drittligist mit ordentlichem Stadion übrig bleibt, dann hat sich das alles ja irgendwie gelohnt – langfristig gesehen.



Bayer 04 Leverkusen
 


Bayer 04 Leverkusen ist nicht nur wegen seines Namens ein Konzernableger, der Klub präsentiert sich auch in der Öffentlichkeit konsequent als Wirtschaftsunternehmen mit angeschlossener Fußballabteilung. Das Organigramm (als solches auf den Internetseiten abrufbar) präsentiert an der Spitze den „Sprecher der Geschäftsführung“ (Wolfgang Holzhäuser), anschließend eine Ebene tiefer die „Direktoren“ für Sport (Rudi Völler), Finanzen und Personal sowie Kommunikation und erst dann, dritter Rang links und statusgleich etwa mit der Leiterin der Rechtsabteilung, den Cheftrainer.

 

Dieser heißt zur Überraschung vieler Jupp Heynckes. Der gebürtige Mönchengladbacher erlebt nach dem vermeintlichen Schwanengesang auf seine Karriere – Scheitern auf Schalke und bei der heimischen Borussia, zudem gesundheitliche Probleme – eine Art Neustart, erst als Übergangslösung bei den Bayern, nun als Vollzeitkraft am Rhein. Umstellen wird er sich kaum müssen: Sowohl in München als auch nun in Leverkusen muß er einem aufgeblähten Führungs-Wasserkopf Rechenschaft ablegen und füllt einen Posten aus, dessen Inhaber im Lebenslauf mindestens Champions League-Sieger oder Ex-Nationaltrainer stehen haben muß, um überhaupt für ihn in Frage zu kommen.

 

Nun, dies stimmt nur bedingt, denn da war ja noch Bruno Labbadia, und damit nähern wir uns dem Kern der Leverkusener Probleme. Wer immer der Ansicht war, daß drei Jahre Darmstadt und ein obligatorischer Nicht-Aufstieg mit Greuther Fürth für das Dirigentenamt eines Bundesliga-Starorchesters qualifiziert, hat sich wohl geirrt (auch wenn die Absicht durchaus lobenswert war). Starorchester? Ja, denn man muß Leverkusen nicht kleinreden: Wer einen solchen Spielerstamm aus ordentlichen Stürmern, begnadeten Ballkünstlern im Mittelfeld und soliden defensiven Handwerkern hat, muß das Verfehlen eines internationalen Wettbewerbs als völlig unzureichendes Abschlußzeugnis ansehen. Auf dem Papier ist dies eine Mannschaft mit Europa League-, wenn nicht Champions League-Ambition.

 

Allerdings reißt sich Papier nicht das Kreuzband, und damit sind wir beim zweiten Problem: Teile von Bayer gehen am Stock. Patrick Helmes riß sich das Kreuzband, Kapitän Simon Rolfes ist nach einer Knieoperation noch nicht wiederhergestellt und Lukas Sinkiewicz verpaßte ebenfalls weite Teile der Vorbereitung, damit zeigt sich die Stammelf gleich von ihrer löchrigen Seite. Die Neuzugänge, an ihrer Spitze die Schweizer Sturmhoffnung Eren Derdiyok und Liverpools Kult-Finne Sami Hyypiä, sollten zwar für hinreichendes und qualitätvolles Füllmaterial sorgen. Viel mehr Puffer besteht in einem Kader, der eher auf langfristigen Aufbau als auf neue Topper setzt, jedoch nicht, um weitere Hiobsbotschaften zu kompensieren.

 

Und damit enden wir, wo wir beinahe begannen: beim Trainer, denn der eigentliche Stareinkauf ist er. Zwar ist Jupp Heynckes nicht gerade dafür bekannt, daß er von allen seinen Spielern gleichermaßen geliebt wird, doch er hat zwei Vorteile. Zum einen kann er sich kaum stärker als sein Vorgänger bei einem beträchtlichen Teil der Stammkräfte in die Nesseln setzen, und zum zweiten verfügt er über Erfahrungen und Erfolge, die im Krisenfall für mehr Geschlossenheit in den eigenen Reihen sorgen werden, als dies bei Bruno Labbadia jemals der Fall war. Vermag es Heynckes, die ihm eigene Effizienz in die Spielweise seiner Mannschaft einzuführen und das Team weniger häufig in Schönheit sterben zu lassen, dann haben beide Seiten eine gute gemeinsame Zukunft. Scheitert er, ist der Trainer Heynckes endgültig Geschichte, und die Geschäftsführung von Bayer Leverkusen darf sich fragen, ob die marktüblichen Gesetze bei Mißerfolg nicht auch für sie selbst gelten.


SEITENWAHL-Prognose
Christian Spoo: Hertha Platz 9-11, Hoffenheim Platz 9-11, Leverkusen Platz 6-8
Michael Heinen: Hertha 10-12, Hoffenheim 6-8, Leverkusen 8-10
Christoph Clausen: Hertha 9-11, Hoffenheim 4-6, Leverkusen 5-8

Mike Lukanz: Hertha 10-12, Hoffenheim 8-10, Leverkusen 4-6

Vorherige Beiträge zum Thema:

SEITENWAHL Bundesliga-Check 2009/2010: Der 1. FC Köln

SEITENWAHL Bundesliga-Check 2009/2010: Die Aufsteiger

SEITENWAHL Bundesliga-Check 2009/2010: Die Abstiegskämpfer