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Selten startete Borussia mit so viel Ungewissheit in eine neue Spielzeit wie nach der Seuchen-Saison 2008/09. Die vermeintliche Aufstiegseuphorie überlebte nicht einmal einen Spieltag und wurde bald abgelöst durch altbekannte Abstiegsangst. Mal wieder musste ein Borussen-Trainer im Herbst gehen. Mal wieder musste im Winter nachgebessert werden, um wenigstens das Minimalziel Klassenerhalt zu erreichen. Mal wieder wird zur neuen Saison das Hohelied auf den großen Neuanfang und zukünftige Kontinuität gepriesen.

Doch wer will das ernsthaft zum xten Mal noch hören? Borussia blickt zurück auf einen Klassenerhalt trotz minusrekordträchtiger 31 Punkte dank zweier glücklicher Last-Minute-Tore im Saisonendspurt. Mit Marko Marin und Alexander Baumjohann verlor man die beiden einzigen kreativen Spieler in der Offensive, für die zwei südamerikanische Wundertüten eingekauft wurden. Während im Angriff Rob Friend als einziger Spieler echte Torgefahr ausstrahlte und dennoch nur auf bescheidene 7 Tore kam, kassierte die zweitschwächste Defensive der Liga 62 Gegentore. Wenngleich sich in der Rückrunde dank der vier Nachkäufe Verbesserungen offenbarten, machten insbesondere die Partien in Bremen, Frankfurt und Düsseldorf deutlich, dass noch längst nicht alle Baustellen behoben worden sind. Anstatt jedoch in logischer Konsequenz noch einmal in der Abwehr qualitative Nachbesserungen vorzunehmen, verließ neben Gohouri sogar noch der Rückrunden-Stabilisator Tomas Galasek den Verein, der nun durch einen weiteren bundesligaunerfahrenen Spieler beerbt wird.  

Aber klingen Arango, Bobadilla und Meeuwis nicht verdächtig ähnlich wie Insua, Colautti oder Alberman? Wie oft wurden uns in den letzten Jahren große Namen mit noch größeren Vorschusslorbeeren vorgesetzt mit anschließend allzu mäßigem Erfolg? Dazu noch der Wechsel von Erfolgsgarant Hans Meyer zum zweimaligen Abstiegstrainer Michael Frontzeck, dessen bisherige Vita als Cheftrainer davon geprägt war, sich sehr unwahrscheinlich zu bewältigenden Herausforderungen zu stellen und am Ende das wahrscheinlichste aller Ergebnisse abzuliefern. Das Vertrauen der Borussen-Fans darin, dass dieses Mal alles besser wird, ist daher nachvollziehbarerweise beschränkt. Umso größer ist hingegen die Angst, dass es nach 1999 und 2007 zum dritten Mal zu einem Negativ-Durchmarsch in Richtung zweiter Liga kommen könnte. 

Schluss mit aller wehleidigen Schwarzmalerei! Als Borussen-Fan sollte man Leidensfähigkeit gewohnt sein wie ein Magath-Schützling den Hügellauf mit Medizinball im Arm. Ging es nach den Kassandra-Rufen einiger Chef-Kritiker, dann dürfte es unseren Verein schon gar nicht mehr geben – und schon gar nicht in Liga 1. Wie immer gilt, dass ein jeder neuer Trainer eine faire Chance verdient hat, selbst wenn man sich persönlich vielleicht einen anderen Kandidaten gewünscht haben mag. Aachen und Bielefeld waren in ihrer damaligen Konstellation nicht mit den Möglichkeiten der Borussia zu vergleichen. Erstmals darf Frontzeck einen Verein mit einem tatsächlich erstligatauglichen Etat führen und man darf gespannt sein, ob es ihm gelingt, das große Vertrauen der Borussia-Verantwortlichen in seine Qualitäten zu rechtfertigen.  

Immerhin lag das neue Borussen-Team, in dem sich der so unscheinbar wirkende Max Eberl als neuer starker Mann profiliert hat, in der Winterpause mit sämtlichen Neuzugängen richtig und riss damit eine aussichtslos scheinende Tabellenlage noch herum. Selbst wenn man über die Aktivitäten eines Christian Ziege anfangs ähnlich positives zu berichten wusste, macht dies Hoffnung darauf, dass Borussias Scouting-Abteilung die unsäglichen Zeiten eines Peter Pander endgültig überwunden hat und jetzt endlich auch in diesem Bereich wieder bei den Großen mitspielt.  

Sinnbildlich für die Hoffnung in die neue Borussia sind fünf zentral agierende Spieler, die im Vergleich zur vorigen Hinrunde neu hinzugekommen sind und bei gutem Saisonverlauf eine Mittelachse des Guten bilden könnten. Nicht zuletzt die Paraden von Logan Bailly und die Tore von Dante Bonfim trugen zum Klassenerhalt wesentlich bei. Der belgische Keeper entpuppte sich trotz diverser Schwächen in der Strafraumbeherrschung zu einem festen Rückhalt der allzu fehlerlastigen Abwehr und verschuldete als einziger Bundesliga-Stammkeeper kein Gegentor.  

Der Brasilianer konnte dies spätestens nach seinem abstrusen Eigentor in Düsseldorf nicht mehr von sich behaupten. Bei ihm wechselten sich in der Innenverteidigung Licht und Schatten ab, wobei ersteres überwiegend in der Offensive zum Vorschein kam. 3 Treffer bei 8 Torschüssen in einer Halbserie – man wünschte sich so viel Treffsicherheit bei manch einem unserer so genannten Stürmer. Doch die Hauptaufgabe, das eigene Gehäuse vor Treffern zu bewahren, löste Dante weit weniger elegant als man sich dies von ihm erhofft hatte. Von der Schnelligkeit und Dynamik fehlte ihm bislang einiges, um sich dem Tempo der Bundesliga anzupassen, was ihn in fast allen Begegnungen gefährliche Situationen für den Gegner heraufbeschwören ließ. Doch er wäre nicht der erste Brasilianer, der in der Bundesliga Eingewöhnungszeit benötigt und anschließend seine Qualitäten voll einzusetzen fähig ist. 

Im defensiven Mittelfeld ist zu erhoffen, dass es Marcel Meeuwis in deutschen Gefilden besser ergeht als seinen Landsmännern Patrick Paauwe und Orlando Engelaar in der letzten Saison. Auch denen war das Tempo in der Bundesliga offensichtlich zu hoch. Meeuwis ist aber zum Glück ein anderer Spielertyp, der über den bedingungslosen Kampf und seine Verbissenheit Glanzpunkte setzen kann. Gemeinsam mit dem dank seiner 21 Jahre ebenfalls noch steigerungsfähigen Michael Bradley und Arbeitstier Thorben Marx ist ihm ein erfolgreiches Erbe des Kurzarbeiters Galasek durchaus zuzutrauen. 

Die vielleicht entscheidende Rolle in der anvisierten Mittelachse kommt Juan Arango zu, der vermeintlich als Nachfolger von Marko Marin auserkoren wurde, obwohl seine Spielweise nun wirklich nicht viel mit der des Zauberzwergs gemein hat. Der oben angedeutete Vergleich mit Federico Insua, der dieser Tage immer wieder bemüht wird, entpuppt sich schon anhand eines wesentlichen Unterschieds aus der jeweiligen Zeit vor Borussia als reichlich unpassend: Während Insua bei seinem Engagement in Spanien scheiterte, gehörte Arango über fünf Jahre hinweg zu den Stützen von Real Mallorca. Sicher ist damit zu rechnen, dass er Zeit benötigen wird, um sich an die neue Mannschaft zu gewöhnen und evtl. auf deren beschränktere Möglichkeiten einzugehen. Aber wer sich in der Primera Division durchgesetzt hat, der sollte gute Aussichten besitzen, auch in der Bundesliga eine gute Rolle spielen zu können, wenngleich ihm nicht zu viel zugemutet werden sollten. Schließlich lastet auf ihm die Bürde, das Gebiet der offensiven Kreativität nahezu konkurrenzlos zu besetzen.     

Konkurrenzlos ist zumindest zu Saisonbeginn der letzte im zu betrachtenden Bunde. Auch Raul Bobadilla konnte sich in Europa bereits durchsetzen, wenngleich zunächst einmal nur in der Schweiz, wo er bei den Grasshoppers Zürich 25 Tore in 45 Partien erzielte und damit in der Super League eine bessere Torquote aufwies als einst Mladen Petric, Stephane Chapuisat und Oliver Neuville. Dieser ist mittlerweile 36 Jahre alt und sollte bei aller optimistischer Selbsteinschätzung froh sein, wenn er noch ab und an als Edel-Joker für entscheidende Tore sorgen darf. Auf der anderen Seite darf man von Youngster Fabian Bäcker bei allem Talent noch nicht mehr als ein lehrreiches Hineinschnuppern in den Bundesliga-Alltag erwarten. Der potentiell zweite Sturmplatz neben Bobadilla ist vorerst ohnehin für Rob Friend reserviert, bei dem man zum einen gespannt ist, wann er wieder vollauf genesen zur Verfügung stehen wird und wie er sich anschließend im zu erwartenden Doppelsturm mit dem neuen Argentinier bewähren kann.  

Bailly – Dante – Meeuwis – Arango – Bobadilla. Diese neue Mittelachse ergänzt um etablierte Spieler wie Daems, Stalteri, Bradley und Friend darf durchaus Mut machen für eine Saison, die nicht mehr ganz so schmerzhaft verlaufen soll wie die vorige. Zugegeben: Es stecken viele Fragezeichen in dieser Mannschaft. Die mäßigen Eindrücke aus den Testspielen, die einzukalkulierende Eingewöhnungsphase bei den Neuen sowie die Ausfälle wesentlicher Stammkräfte in den ersten Wochen (Bailly, Daems, Meeuwis, Friend). All dies lässt einen neuerlich holprigen Start befürchten, der uns im Vorjahr in den gefürchteten Abstiegssog riss und erst kurz vor Saisonende wieder los ließ. Doch im Gegensatz zur Vorsaison und zu einigen potentiellen Konkurrenten im Abstiegskampf hat Borussia heuer einen ganz entscheidenden Vorteil. Ein wirklich jeder im Verein weiß, dass es nur darum gehen kann, den Abstieg oder wahlweise den Abstiegskampf zu vermeiden.   


Michael Heinen: 

Als Borussen-Fan optimistisch bleiben zu wollen fällt wahrlich nicht leicht. Oder wer glaubt allen Ernstes, wir hätten mit Michael Frontzeck jetzt unseren Thomas Schaaf und mit Max Eberl unseren Uli Hoeneß entdeckt? Oder dass die hundertprozentige Trefferquote unseres Scoutings aus dem vergangenen Winter ab sofort zum Regelfall werden wird? Die Erfahrung lässt einen eher dünken, dass Herr Arango sich zumindest einige Ruhepausen gönnen wird, in denen das kreative Offensivspiel vollkommen lahmt, dass unsere Abwehr erneut allzu schnell an die Grenzen ihrer Qualitäten stößt und unser Vertrauen im Sturm auf das Heilfleisch von Rob Friend und die schnelle Integration eines Bobadilla zumindest nicht in Gänze erfüllt werden wird.  

Je eine brauchbare Stammplatzalternative in der Innenverteidigung sowie im Angriff wären wünschenswert gewesen, um die Wahrscheinlichkeit des Abstiegs stärker zu minimieren. All diejenigen, die hierbei auf die begrenzten Mittel und die bereits hohen Ausgaben verweisen, seien an die insgesamt knapp 22 Mio. Euro erinnert, die wir zuletzt für Marcell Jansen und Marko Marin eingenommen haben. Und spätestens wenn im kommenden Winter erneut die Schatulle aufgemacht werden muss, um zu versuchen, die Lücken zu schließen, die man jetzt erst einmal bewusst offen lässt, ist dieses Gerede endgültig Makulatur.  

Aber es ist nicht alles schlecht bei Borussia. Und natürlich bleibt uns gar nichts Anderes übrig, als dem neuen Team eine faire Chance zu bieten und es mit besten Kräften zu unterstützen. Wenn sich die Situation tatsächlich so auflöst, wie im positiven Teil des Borussenchecks beschrieben, dann ist ein Platz im halbwegs gesicherten Mittelfeld realistisch. Wehe nur, wenn nicht...  

Die Konkurrenz erscheint in dieser Saison stärker als im Vorjahr, wie nicht zuletzt die Relegationsspiele bekräftigten. Die drei Aufsteiger sind allesamt nicht zu unter- und gleichermaßen schwer einzuschätzen. Dennoch sollten wir so viel Selbstbewusstsein mitbringen, diese finanzschwächeren Teams hinter uns lassen zu können. Daneben fallen einem spontan aber schon nur noch der VfL Bochum und mit viel Wohlwollen Eintracht Frankfurt und Hannover 96 ein als Vereine, die realistischerweise als Abstiegskonkurrenz betrachtet werden können.  

Wenn man sich die Veränderungen unserer Einzelspieler gegenüber der Vorsaison anschaut, dann fällt es für diesen Sommer schwer, eine gravierende Besserung zu erkennen. Allerdings wurde gerade mit den im Check genannten Akteuren so viel Ungewissheit eingekauft, dass eine seriöse Prognose kaum möglich ist. Von daher ist es am ehesten meiner Prägung der vergangenen Jahre als Borussen-Fan zu verdanken, dass ich zum Saisonende eine Position zwischen 15 und 18 befürchte.  


Mike Lukanz: 

Dass wir uns an dieser Stelle Gedanken um den Bundes-, und nicht Zweitliga-Check machen dürfen, verdankt Borussia ein bisschen Hans Meyer, ein bisschen Logan Bailly, ein bisschen Roberto Colautti und ein bisschen Dante. Vor allem jedoch hatte man verdammt großes Glück. 11 Punkte zur Winterpause sind ein Todesurteil, Borussia siegt zweimal in letzter Minute und die Konkurrenz stellt sich über Wochen selten dämlich an.  

Nun soll es Michael Frontzeck richten. Schritt eins nach Max Eberls inzwischen sagenumwobener Philosophie ist der vorzeitige Klassenerhalt. Eine vage Zielformulierung, doch hat man am Niederrhein die Zeichen der Zeit erkannt und backt deutlich kleinere Brötchen. Gelingen soll dies mit einem – mal wieder – aufgefrischten Kader, der den Beobachter jedoch bis zum Beweis des Gegenteils skeptisch sein lässt. Dass die Papierlage der Realität oft nicht standhält, hat man speziell in Mönchengladbach in den vergangenen Jahren schmerzlich erfahren müssen.  

Mit Marko Marin und Alexander Baumjohann verlor Borussia zwei Spieler, die speziell zu Beginn der Rückrunde dafür sorgten, dass der Anschluss nicht verloren ging. Die beiden überzeugenden Siege daheim gegen den Hamburger SV und beim Derby in Köln gehen fast vollständig auf die Kreativität und den Spielwitz der beiden inzwischen abgewanderten Techniker zurück. Beide bauten am Ende der Saison gleichfalls wieder ab, das kreative Loch um die sonst mäßigen Offensivqualitäten klafft dennoch. Mit Juan Arango wurde ein klangvoller Spieler verpflichtet, der den Nachweis seiner Klasse in Spanien schon gebracht hat, von dem jedoch keine Wunderdinge erwartet werden dürfen. Neue Liga, neue Mitspieler: Das braucht Zeit, vor allem bei Südamerikanern. Wer den Venezolaner in den Testspielen beobachtet hat, ahnt, dass er Qualitäten hat, ein Spiel entscheidend prägen zu können. Andererseits wird auch er wie viele Spieler seines Kontinents Partien abliefern, die vollends an ihm vorbeilaufen.  

Größere Hoffnungen dürfen in Raul Bobadilla gesetzt werden. Der bullige Stürmer hat alle Anlagen, auch in der Bundesliga bestehen zu können. Denn eines hat die vergangene Saison ebenso gezeigt: Borussia braucht einen Offensivmann, der mehr oder weniger regelmäßig trifft. Rob Friend war mit sieben Treffern bester Torschütze im Team, Roberto Colautti und Oliver Neuville trafen jeweils einmal. Insgesamt besteht durch die Verpflichtung Bobadillas berechtigte Hoffnung, im Sturm durchschlagskräftiger und flexibler zu sein, sofern nicht auch Frontzeck das unsägliche System mit nur einem Stürmer aufbietet, an dem im letzten Jahr schon nacheinander Friend, Colautti und Matmour gescheitert sind.  

Der stärkste, weil ausgeglichenste Mannschaftsteil dürfte trotz der Wechsel Marins und Baumjohanns das Mittelfeld sein. Hier stehen ausreichend Spieler zur Verfügung, die viele Möglichkeiten bieten. Bei Michael Bradley sollte eine weitere Steigerung möglich sein, Thorben Marx verfügt ebenso über Qualität. Meeuwis, obwohl zu Beginn gesperrt, überzeugte Fans und Kritiker in den Vorbereitungsspielen und selbst der junge Marco Reus hat zumindest vielversprechende Ansätze.  

Sorge bereitet vielmehr die Personalplanung in der Defensive: Ein Team, das in der abgelaufenen Saison die zweitschlechteste Abwehr der Liga stellte, ausgerechnet in diesem Mannschaftsteil nicht zu verstärken, zeugt entweder von grenzenlosem Optimismus oder schlicht von Fahrlässigkeit. Der Abgang Galaseks wurde durch die Verpflichtungen von Meeuwis und Marx zwar doppelt aufgefangen, Gohouri erhielt jedoch keinen Nachfolger. Michael Frontzeck betonte zwar im SEITENWAHL-Interview, seiner Abwehr zu vertrauen, doch was soll der Mann anderes sagen? Dass man vor einigen Wochen sehr konkret an der Verpflichtung von Dantes Nebenspieler bei Standard Lüttich, Oguchi Onyewu, interessiert war, verdeutlicht, dass man Nachbesserungsbedarf in der Defensive sah. Onyewu kickt demnächst beim AC Mailand.  

Was bleibt, ist einzig die Hoffnung, dass sich die vielen Fragezeichen recht schnell in positive Ausrufezeichen entwickeln. Nüchtern betrachtet bleibt wenig Anlass zu Optimismus. Die Verluste in der Offensive wurden zwar nominell ersetzt, qualitativ muss dies aber noch bestätigt werden. Das Mittelfeld wurde zumindest in der Breite sinnvoll verstärkt, die löchrige und fehleranfällige Abwehr indes gar nicht. Woraus soll demnach Hoffnung gezogen werden? Abstiegskampf bedeutet leider meist auch Nervenkampf. Wozu die Mannschaft spielerisch in der Lage ist, hat sie vergangene Saison in einigen wenigen Spielen bewiesen. Es ist jedoch schwer, befreit aufzuspielen, wenn Du auf Platz 17 stehst und fünf Punkte Rückstand hast. Der Druck der Medien und der Fans wird zunehmen, sollte Frontzeck es nicht schaffen, Borussia aus tiefste Tabellenregionen herauszuhalten. Noch gibt sich der neue Cheftrainer betont gelassen, doch müsste er mehr als viele andere wissen, dass das Umfeld in Mönchengladbach eine ganze Ecke unruhiger, größer und auch chaotischer ist als in Bielefeld oder Aachen. 

Schafft es Arango, dem Spiel die gleichen Impulse zu geben wie Marin und Baumjohann und dabei noch torgefährlich zu sein, wird Bobadilla der erhoffte Torjäger neben Rob Friend und gelingt es Frontzeck, die Abwehr sicherer zu machen, dann kann auf Borussia eine ruhige Saison warten. Doch leider sind dies in meinen Augen (zu) viele Variablen, die stimmen müssen.  

Meine Prognose: Platz 12-16  


Christoph Clausen: 

Sie tun es wohl aus reiner Liebe zum seriösen Journalismus. Finanziell nötig hätten sie es ja nicht in der Sportredaktion des Stern, wo man auf den Tabellenplatz genau weiß, wie ein Fußballverein am Saisonende abschneiden wird, z.B. die Borussia als Siebzehnter. Solche Leute verdienen sich bei bwin.com eine goldene Nase und brauchen nie mehr zu arbeiten. Wer aber keine Ergebnisse vorhersagen kann in einem Sport, bei dem Pfostenschüsse oder abgefälschte Kullerbälle über Sieg oder Niederlage entscheiden und sich Spieler Haushaltsgeräte auf den Fuß fallen lassen, muss kleinere prognostische Brötchen backen. In diesem Sinne: Es spricht viel dafür, dass sich die Borussia nächsten Mai wieder im unteren Tabellendrittel wiederfinden wird. 

Wo dort genau, hängt vor allem von drei großen Fragen ab. Erstens, ob man in der Trainerfrage richtig entschieden hat. Zweitens, ob man gut beraten war, keine Verstärkung für die Viererkette zu verpflichten. Und drittens, ob das Angriffsspiel einfallsreicher wird. Zur Trainerfrage wurden auf dieser Seite die hoffnungsfrohe und die skeptischere Sicht bereits in einiger Ausführlichkeit erörtert. Dass es der Viererkette an überzeugenden personellen Alternativen gebricht, hat nicht erst die Verletzung Filip Daems‘ deutlich gemacht. Würde in der Innenverteidigung nun noch Dante ausfallen, so müsste man sich auf ein Duo Kleine-Brouwers einstellen: für die zweite Liga gehobenes Niveau, für die Bundesliga bedenklich. Der zweifellos hoch veranlagte Dante selbst war bislang immer mal wieder für einen gedanklichen Aussetzer gut. Dass Borussia sich nachhaltig um Oguchi Onyewu bemüht hat, spricht dafür, dass das Problem erkannt wurde. Es wirkt aber blauäugig, sich im millionenschweren Geschäft Profifußball auf das Wort eines möglichen Neuzugangs zu verlassen, anstatt ernsthaft alternative Optionen weiterzuverfolgen. 

Eine qualitative Verstärkung in der Innenverteidigung hätte auch dem Mittelfeld mehr offensives Risiko ermöglicht. Das Kreativspiel hing in der letzten Spielzeit vor allem an der Tagesform Marins und Baumjohanns. Inwieweit Juan Arango, unterstützt von einem offensiver ausgerichteten Michael Bradley, gleich beide Lücken schließen kann, bleibt abzuwarten. Zwei echte Stürmer könnten das Spiel der Borussia variabler machen, aber auch hier stehen bei jedem Kandidaten Fragezeichen: wie schnell sich Bobadilla umstellt, wann Friend zurückkehrt, ob Colautti seine einstigen Vorschusslorbeeren endlich rechtfertigt, inwieweit Bäcker zur ernsthaften Alternative wird und wie viel Teddy Sheringham in Neuville steckt. 

Enden wir versöhnlich: Trotz der drei großen Fragen hat Borussias Kader so viel Qualität, dass die Sportredakteure des Stern vielleicht auch in Zukunft werden weiter schreiben müssen. Das wiederum mag nicht jeder für eine gute Nachricht halten. 


Christian Spoo: 

Viele Saisonprognosen sind in den vergangenen Tagen und Wochen gedruckt oder gesendet worden. Oftmals wird Borussia darin schlechter gesehen, als in der vergangenen Saison, immer wird das mit den Abgängen der ach so wichtigen Kreativspieler Baumjohann und Marin begründet. Was oftmals vergessen wird: die Kreativspieler Baumjohann und Marin waren in der vergangenen Saison alles andere als konstant, auf eine gelungene Einzelaktion oder Vorlage kamen mehrere der Selbstüberschätzung oder Pomadigkeit geschuldete Ballverluste. Deswegen sollte der Abgang der zweifellos so hochbegabten wie kurzgewachsenen Kreativen auch als Chance gesehen werden. Als Chance, schon im Mittelfeld kompakter zu stehen und mit Arango vielleicht auch einen „fertigeren“ Mann für die Offensive bekommen zu haben, als es Marko Marin war.  

Von der Entwicklung und Wirkung der bisher noch eher unbekannten Größe Arango und – in etwas geringerem Maße - der nicht minder unbekannten Größe Bobadilla hängt viel ab. Darin liegt das nicht unbeträchtliche Risiko, dass Borussia mit der Verpflichtung der bundesligaunerfahrenen Südamerikaner eingegangen ist. Der vielfach getätigte Vergleich mit Federico Insua verbietet sich freilich, die Herkunft der Spieler ist weit weniger entscheidend als das Umfeld, das sie hier vorfinden. Und da scheinen es Arango und Bobadilla doch in vieler Hinsicht besser angetroffen zu haben. 

Kritik an den Neuzugängen verbietet sich bis hierhin, lediglich das Fehlen von Neuzugängen bietet dann doch Anlass, die Saison mit gebremster Hoffnung anzugehen.  

Das betrifft vor allem die Abwehr: Die Verpflichtung von Oyuchi Onyewu ließ sich nicht realisieren. Dass aber stattdessen gar kein neuer Verteidiger geholt sondern der schon fast aussortierte Thomas Kleine zum ersten Ersatz für die nunmehr gesetzten Brouwers und Dante erkoren wurde,riecht nach Mut zur Lücke. Nach der Verletzung von Filip Daems zeigt sich eine weitere: die nominellen Linksverteidiger Dorda und Jaurès scheinen (noch) nicht stammelftauglich zu sein, Tobias Levels wird andernorts gebraucht, Dante ebenso. Wie man es dreht und wendet: hinten fehlt ein Mann.  

Im Mittelfeld geben alle bisherigen Erfahrungen mit Marcel Meeuwis Grund zur Hoffnung, dass er Tomas Galasek gut ersetzen kann. Der Niederländer macht einen guten Eindruck, kann er den bestätigen, hat Borussia auf dieser auch angesichts der Abwehrschwäche spielentscheidenden Position einen Glücksgriff getan. Michael Bradley ist in dieser Saison der endgültige Durchbruch zuzutrauen. Dazu Marx, Matmour und Arango, dahinter der viel versprechend gestartete Marco Reus – das Mittelfeld ist in der Bundesliga zweifellos konkurrenzfähig.  

Im Sturm wäre zumindest eine Ergänzung zu Friend, Bobadilla und Colautti wünschenswert gewesen. Auf Oliver Neuville sollte man nicht mehr setzen, aber vielleicht kann Fabian Bäcker ja schon jetzt mehr sein, als ein Versprechen für die Zukunft.  

Der bisher in der Bundesliga nicht erfolgsverwöhnte Michael Frontzeck hat in Mönchengladbach eine Mannschaft vorgefunden und teilweise schon mitgestaltet, die zweifelsohne besser sein kann, als die Teams, die er bisher trainieren durfte. Wenn man ihn in Ruhe arbeiten lässt, dürfte der Klassenerhalt gut machbar sein. Wer insgeheim doch auf mehr hofft, wird allerdings schnell enttäuscht werden. Borussia hat, wie schon im vergangenen Jahr ein Team, das einfach nicht besser ist als 13 andere in der Liga. Und deswegen wird sich die Mannschaft am Ende auch auf Platz 14 wiederfinden. Wenn sich das schon vier oder fünf Spieltage vor Saisonende abzeichnet, dann war die Spielzeit ein Erfolg.   


Christian Heimanns:  

Wenn man sich dieser Tage nach Prognosen für den Saisonverlauf der Borussia umhört, bekommt man von Mittelfeld bis klarer Abstieg alles geboten. Damit wird einem trotz des Klassenerhalts eine weitere Spannweite geboten als vor einem Jahr nach dem Aufstieg.  

Die wesentlichen Punkte für die neue Saison sind ja bekannt: Abgang des kreativen und defensiven Mittelfeldes, der Ersatz scheint zum Teil vielversprechend, ist aber in seiner wahren Leistungsstärke unbekannt. Im Sturm punktuell nachgebessert, wahres Leistungsvermögen ebenfalls unbekannt. In der Abwehr wird auf die Formation der Rückrunde vertraut, die vor nur einem halben Jahr ungefähr auf Bundesliganiveau gebracht wurde. Dazu der Abgang des Trainers, der vor allem entscheidend für den Klassenerhalt war. Der neue Mann hat zumindest Erfahrung im Abstiegskampf, nach Meinung vieler zu viel schlechte Erfahrung. 

Bei so vielen Unbekannten werden ohnehin alle Voraussagen zur Spekulation. Eines allerdings scheint schon einmal sicher: Je mehr Fragezeichen sich als Volltreffer erweisen müssen, um so weniger wahrscheinlich ist es, dass das auch bei allen so eintrifft. Das ist zwar kein Fall der Unmöglichkeit, wie die Verstärkungen der letzten Rückrunde beweisen, aber es bleibt einfach unwahrscheinlicher, als dass ein oder zwei Zugänge die Erwartungen nicht ganz erfüllen werden.  

Immerhin geben einige neue Personalien Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Bobadilla könnte mit Friend, sobald fit, ein passables Sturmduo abgeben und Meeuwis Galasek adäquat ersetzen. Letzterer Punkt muss allerdings absolut eintreffen, damit die Saison nicht den Bach runtergeht. Von Reus und Marx wird wenig erwartet, was nur zu beider Vorteil sein kann; Arango ist bisher kaum zu beurteilen. Man kann aber schon absehen, dass der Kader in der Spitze so schmal ist, dass wir wirklich von Verletzungspech verschont bleiben sollten. Diese Mannschaft kann Ausfälle nur schwer wettmachen. 

Insgesamt macht die Formation der Borussia leider noch einen fragilen Eindruck. Wenn es schlecht läuft, müssen wir wieder einmal darauf hoffen, dass sich einfach so drei schlechtere Teams finden werden, was allgemein für weniger wahrscheinlich gehalten wird, da viele die Aufsteiger für stärker befinden als die Absteiger. Das ist aber noch keineswegs gesagt. Auch der einst starke Nürnberger Kader wird älter, der der Mainzer trifft sich in der Reha. Von den Erstligisten des letzten Jahres waren zuletzt auch einige auf dem absteigenden Ast. Selbst wenn die Borussia objektiv betrachtet Anlass zur Sorge gibt, weigere ich mich, sie für abstiegsreif zu halten. Auch diese Saison werden wir packen, mit vielen Sorgen und Problemen, aber letzten Endes dennoch. Platz 13 – 15.  


Thomas Häcki: 

Schauen wir ein Jahr zurück. Borussia Mönchengladbach hatte die Mission „Wiederaufstieg“ erfolgreich und überlegen absolviert. Die Aufstiegsmannschaft konnte zusammengehalten werden und wurde lediglich punktuell ergänzt. Im Umfeld dominierte die Euphorie. Als Vorbild wurde immer wieder der KSC genannt, der als Aufsteiger im Jahr zuvor die erste Liga „aufgemischt“ hatte. Und nun kehren wir zurück in die Gegenwart. Nach einer katastrophalen Saison konnte der Abstieg nur unter größten Mühen und mit viel Glück vermieden werden. Wer zur Winterpause auf den Klassenerhalt der Elf vom Niederrhein gewettet hätte, hätte wohl viel Geld verdienen können. Im Laufe der vergangenen zwölf Monate hat die Borussia soviel in den Kader investiert, wie nie zuvor. Trotzdem ist von einer Euphorie nichts zu spüren, im Gegenteil: Das Schlagwort „Klassenerhalt“ ist in aller Munde. Ach ja, der KSC ist übrigens abgestiegen. 

Vom Gipfel der Lüste ins Tal der Tränen – ein gesundes Mittelmaß scheint dem leidenden Borussen-Fan fremd zu sein. Wo vor einem Jahr noch überschäumender Optimismus herrschte, wo sich mancher Zeitgenosse  an den (zukünftigen) Künsten eines Marcel Ndjeng oder Paauwe berauschte, herrscht heute tiefste Skepsis. Es scheint, als ob die Einschätzung der eigenen Stärke mehr mit den Erfahrungen der vergangenen Saison zusammenhängt, als mit der Zusammensetzung des aktuellen Kaders. Wurde der überschwängliche Optimismus des letzten Jahres nun von einem übertriebenen Pessimismus abgelöst?
 

Tatsächlich ist der aktuelle Kader mit dem des letzten Jahres kaum noch zu vergleichen – wieder einmal möchte man sagen. Es sollte aber beachtet werden, dass man zumindest bei den drei Winterzugängen von klaren Verstärkungen reden muss – haben sie doch die vor Jahresfrist etablierten Kräfte von ihren Positionen verdrängt. Mit Bailly für Heimeroth, Stalteri für Levels und Dante für Gohouri (oder Kleine – ganz wie man es sehen mag) hat die Mannschaft eindeutig an Qualität gewonnen. Bei den restlichen Ab- bzw. Neuzugängen ist das Bild hingegen nicht so klar. Mit Marin und Baumjohann verliert man zwar zwei Kreativposten, die so nicht zu ersetzen sein werden. Mit Arango und Marx hat man aber auf diesen Positionen nachgebessert. Dem teilweise überfordert wirkenden Paauwe folgt mit Meeuwis ein Mann, dessen Vorbereitung zumindest Lust auf mehr macht. Und mit Raul Bobadilla gewinnt die Abteilung Sturm an Varianz. Zwar ist fraglich, ob die Neuzugänge die Abgänge qualitativ gänzlich ausgleichen werden, insgesamt sollte das Spiel der Borussia aber zukünftig weniger von den Geniestreichen einzelner Spieler abhängen und kompakter werden. 

Bleibt letztendlich die Person des Trainers. Rein von seiner Vita erscheint Michael Frontzeck als Risiko. Als einzigen Erfolg einen Nichtabstieg vorweisen zu können, lässt wirklich niemanden in Ekstase verfallen. Auch das Argument, er hätte mit den vorhandenen Kadern nie eine wirkliche Chance gehabt, zieht nicht. Die Herren Sander, Funkel, Klopp, Finke, Wollitz (die Liste wäre beliebig erweiterbar) haben gezeigt, dass auch mit wenig Qualität Erfolge erzielbar sind. Frontzeck deshalb bereits im Vorfeld keine Chance einzuräumen, wäre hingegen nicht nur unfair, sondern schlichtweg dumm. Große Namen sind keine Garantie auf Erfolg, wie bereits Dick Advocaat und Jupp Heynckes bitter bewiesen haben. Auf der anderen Seite haben die Herren Rehagel und Magath ihre Karriere mehr als durchwachsen begonnen. Letztendlich muss es einfach passen!  

Die Borussia geht mit einem gestärkten Team in die neue Saison. Aufgrund der letzten Spielzeit sollten sich starke Träumereien von selbst verbieten. Insgesamt sollte die Qualität aber reichen, um das Ziel „Klassenerhalt“ zu erreichen. Platz 12 – 15 dürfte daher realistisch sein.