Er war quasi der Matchwinner beim moralischen 3:3-Sieg gegen Hoffenheim. Aber auch nach der Partie machte Matthias Ginter besonders von sich reden, indem er die eklatante Anhäufung von Muskelverletzungen im Verein beklagte und seine Kollegen zum professionellen Verhalten aufforderte. Bemerkenswert zudem, dass er als weitere potentielle Gründe die „Trainingssteuerung und -belastung“ anführte, was selbst ohne bösen Willen als mehr oder weniger vorsichtige Kritik am Trainer gewertet werden kann. Positiv ist in jedem Fall, dass Ginter trotz seiner erst 24 Jahre aktiv eine Führungsrolle anstrebt. Um diese glaubhaft umzusetzen und im Team und im Umfeld entsprechend akzeptiert zu werden, wird er dies aber durch konstant gute Leistungen untermauern müssen.

 Nachdem er noch im jugendlichen Alter in Freiburg einen beachtlichen Start in seine Bundesliga-Karriere hingelegt hatte, war Ginter in seinen drei Jahren beim BVB leistungsmäßig stagniert. Wenngleich die Einsatzzeiten meist stimmten, so blieb der ganz große Durchbruch auf höchstem Niveau aus, weshalb er zu Saisonbeginn den Weg an den Niederrhein beschritt. Bislang spielt er eine ordentliche Saison, in der er sich einen Stammplatz verdient hat. Seine offensive Torgefahr paart sich hierbei mit sporadischen Patzern in der Defensive.

Durch die Verletzung von Jannik Vestergaard ist Ginter jetzt ganz automatisch in die Position des Abwehrchefs gezwungen worden – und wird diese mindestens bis zum Saisonende aufrechterhalten müssen. Gegen Hoffenheim waren seine Qualitäten gut zu erkennen, die besonders im Offensivspiel liegen. Immer wieder schaltet er sich geschickt ein und stand daher auch ganz zum Schluss richtig, als Raffael einen Abnehmer für seinen goldenen Pass suchte. Als Abwehrchef kann er aber mit seiner Leistung nicht vollauf zufrieden sein, wenn hinten drei Gegentore zu verzeichnen sind. Dass Jonas Hofmann vor dem Elfmeter völlig alleine gelassen wurde, ist auch eine Kehrseite des positiven Offensivdrangs.

 Es war am Samstag aber zweifelsohne keine einfache Situation – in einem neuen System mit neuen Mitspielern in der Defensive und ohne den erprobten Innenverteidigerkollegen sowie die eingespielte Doppel-6. Das Duo Hofmann/Cuisance mühte sich redlich, kann aber nicht die Klasse von Zakaria/Kramer erreichen. Nach der Länderspielpause wird sich zeigen, ob Dieter Hecking am neuen System mit Dreierkette festhält und falls ja, wie sich Borussias Defensive darin bewährt. Mit Blick auf die Vielzahl an talentierten 6ern im Kader – zu nennen sind ab der neuen Saison auch noch Benes sowie Neuhaus – könnte eine Mittelfeld-Raute eine interessante Option darstellen.

 Eine besondere Rolle wird in diesem System dem zentralen Abwehrspieler zukommen, der die Dreierkette zusammenhalten muss. Bis zum Saisonende wird diese Rolle aller Voraussicht nach von eben jenem Matthias Ginter ausgefüllt, der so eine hervorragende Bewährungschance bekommt, um seinen Worten auch auf dem Platz entsprechende Taten weiter folgen zu lassen. Sollte ihm dies gelingen, wird dies sicher auch Jogi Löw nicht entgehen – zumal er als Ex-Freiburger beim Bundestrainer ohnehin einen Standortvorteil genießt.