hoffenheimEines der großen Themen vor Saisonbeginn war, wie sich wohl das Trainerwechsel-Spiel zwischen den sympathischen Traditionsvereinen Hoffenheim und Leipzig auswirken würde. Könnte es wirklich soweit kommen, dass sich RBs Sportchef Rangnick als Trainer selbst entlassen muss? Würde sich das Trainerwunderkind Nagelsmann angesichts seines feststehenden Wechsels nach Leizpig als das entpuppen, was die Amerikaner gern eine “lame Duck”, also eine lahme Ente nennen? Was erstere Frage angeht, so konnte sich das Mönchengladbacher Publikum vor zwei Wochen selbst davon überzeugen, dass es bei RB Leipzig absolut keinen Grund gibt über die Trainerfunktion Rangnicks nachzudenken und am Samstag hat man nun die Gelegenheit zu überprüfen, ob Julian Nagelsmann in Hoffenheim womöglich nur noch ein wirkungsloses Auslaufmodell ist.

Ein Blick auf die Entwicklung der TSG in dieser Saison entlarvt diese Frage schnell als rein rhetorisch. Der Saisonstart war nicht einfach für die Sinsheimer. Zahlreiche Verletzungen und die Doppelbelastung durch die Championsleague bewirkten, dass man in der Liga nicht so richtig in die Pötte kam. Eine phasenweise extrem schlechte Chancenverwertung trug auch dazu bei, dass man trotz oft guter Leistung lange Zeit im Liga-Mittelfeld feststeckte. In einer Tabelle die auf sogenannten “expected goals” (xgoals) beruht, stände Hoffenheim zurzeit vor  Dortmund und hinter Leipzig auf Platz 3 der Tabelle, was andeutet, wie die Kraichgauer zeitweise unter ihrem eigentlichen Niveau punkteten. Das änderte sich im Frühling: mit 4 Siegen und 15 Toren an den Spieltagen 27-30 schaffte man den Anschluss nicht nur an die EL, sondern auch an die CL-Plätze und liegt momentan nur einen winzigen Punkt hinter der Borussia mit dem eindeutig besserem Torverhältnis. Die Bilanz einer lahmen Ente sieht sicher anders aus und besonders wie die Mannschaft auftritt, unterstreicht, dass Nagelsmann in keinster Weise die Kontrolle über die Mannschaft verloren hat. Daran ändert auch die überraschende 1:4 Niederlage gegen Wolfsburg am letzten Spieltag wenig.

Es ist durchaus vorstellbar, dass auch dieses Beispiel in Max Eberls Kopf herumschwirrte als er Anfang April verkündete, Dieter Hecking würde den Verein zum Sommer verlassen, aber für die letzten sieben Spiele noch als Trainer fungieren. Das Risiko einen Bundesliganeuling Interimstrainer zu installieren schien zu hoch angesichts der Tatsache, dass man ja bereits einen höchst erfahrenen Trainer hatte, der bis vor kurzem ja auch noch allseits für seine Arbeit in dieser Saison gefeiert worden war. Über weite Strecken des Bremenspiels schien es auch so, als ob diese Strategie aufgehen würde. Die Mannschaft legte in einem neuen System einen engagierten Auftritt hin und führte bis 12 Minuten vor Schluss auch mit 1:0, bevor sie noch den Ausgleich hinnehmen musste. In der Folgezeit verpuffte leider die Hoffnung, man könne auch mit dem alten Trainer noch einmal eine Wende in der Saison erreichen. Einem  kaum überzeugenden Sieg in Hannover folgte eine Niederlage gegen Leipzig und dann der peinliche Auftritt in Stuttgart. In der folgenden Pressekonferenz gab Dieter Hecking im Prinzip zu, die Kontrolle über die Mannschaft komplett verloren zu haben und  nicht wenige erwarteten, dass ein Trainerwechsel für die restlichen 3 Spiele die Konsequenz sein müsse. Hecking selbst verkündete tags darauf “Ich ziehe das durch”, was vermutlich als mutmachende Kampfansage gedacht war, aber in den Ohren vieler Fans eher wie eine offene Drohung klang. Auch Max Eberl bestätigte auf der Jahreshauptversammlung, dass es keinen “populistischen Trainerwechsel” geben würde und im Prinzip möchte man ihm ja recht geben. Trainerwechsel 3 Spieltage vor Schluss das riecht nach Aktionismus, Panik, Chaos, Verzweiflung, das ist eine Maßnahme für den HSV oder Schalke, aber nicht für Gladbach. Der Unterschied ist aber, dass es bei Borussia schon einen detaillierten und vielversprechenden Plan für die Zukunft gibt. Es geht wirklich nur noch um diese 3 Spiele und wie man mit denen in den Europapokal kommt. Und was das angeht, wirkt im Moment fast jede Option besser als die Gegenwart. Ob jetzt Arie van Lent oder eine Pappfigur mit dem Konterfei Hennes Weisweilers am Spielfeldrand steht, wenn es auch nur einen Punkt extra bringt, kann das ja schon reichen. Bloß weil eine Entscheidung vom Mob in den sozialen Medien gefordert wird, ist sie nicht gleich zwangsweise falsch!

So aber wird auch am Samstag Dieter Hecking weiterhin Trainer einer Mannschaft sein, der er nach eigener Aussage ja nichts mehr zuzutrauen scheint. Da passt es gut ins Bild, dass mit Kramer einer der besten Akteure der letzten Wochen auch noch gesperrt ist. Strobl könnte dafür auf die Doppelsechs vorrücken und defensiv durch Jantschke ersetzt werden, gut möglich aber auch dass Hecking vom 3-5-2 wieder abrückt. Eine Rückkehr zum guten alten 4-4-2 mit Hazard-Plea als Sturmduo wäre eine Option, wenn dies nicht unter der Woche schon von komplett ahnungslosen Fan-Medien diskutiert worden wäre (Gruß an den Tribünenhocker!) und somit aus Sicht Heckings automatisch als Möglichkeit ausscheidet. Ausserdem wäre es schade Hazard von seiner linken Rolle mit vielen Defensivkomponenten wegzuziehen, da er die ja auch für Belgien spielt und jeder weiß, dass Gladbach im Prinzip ja eine Eins-zu-Eins Kopie der belgischen Nationalmannschaft ist. Der gleichen Logik folgend verbietet sich auch ein Einsatz Oscar Wendts, denn der spielt ja auch nicht mehr für Schweden.

Bis auf Joelinton stehen Julian Nagelsmann bei Hoffenheim alle Leistungsträger zur Verfügung und man kann erwarten, dass diese in einem “3-5-2, aber richtig!” offensiv agieren werden. Gerade das Sturmduo Kramaric-Belfodil zeigte sich in den letzten Wochen treffsicher und erzielt mit 18 Toren in den letzten elf Spielen genau doppelt soviele Tore wie die gesamte Gladbacher Mannschaft im gleichen Zeitraum. Wenn es irgendeinen Grund gibt für das Spiel nicht das Schlimmste zu erwarten, dann ist das zum einen, dass Hoffenheim gegen Wolfsburg zur rechten Zeit einen Rückschlag erlitten hat und dass Borussia gegen den SAP-Club zwar nicht immer erfolgreich war, aber eigentlich meist ansprechende Spiele ablieferte, was daran liegt, dass der offensive Stil der TSG dem Spiel des VFL entgegenkommt. Wie wichtig ein Sieg gegen einen direkten Konkurrenten so kurz vor Saisonende wäre, muss man kaum betonen und käme der zustande würden wahrscheinlich auch wir ahnungslosen Nörgler von Seitenwahl aufhören zu lahmentieren.

 

Mögliche Aufstellungen

Borussia: Sommer- Jantschke, Ginter, Elvedi- Strobl, Zakaria –Herrmann, Wendt-Neuhaus-Hazard, Plea

Hoffenheim: Baumann - Posch, Vogt, Bicakcic - Kaderabek, N. Schulz - Grillitsch - Demirbay, Amiri - Belfodil, Kramaric

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Mit Leidenschaft und individueller Klasse, schafft es die Mannschaft das Fehlen eines echten Systems wettzumachen und ringt der TSG Hoffenheim ein 2:2 ab.

Uwe Pirl: Borussia ist nicht in Form. Borussia spielt nicht mehr über ihre Verhältnisse. Der Trainer hat im Gegensatz zu seinem Gegenüber mit seinem Job innerlich abgeschlossen. Gegen die unter überlegenen Voraussetzungen arbeitende  Mannschaft aus Hoffenheim und ihren hochüberlegenen Trainer reicht es deshalb nur zu einem 1:3.

Christian Spoo: Borussia steckt zu tief im Loch, als dass sie da aus eigener Kraft noch herauskäme. Die verunsicherte Mannschaft bemüht sich stets. Und unterliegt Hoffenheim mit 0:3.

Michael Heinen: Auch ohne Trainerwechsel wird sich die Mannschaft für den Auftritt in Stuttgart rehabilitieren und gegen Hoffenheim eine weit bessere Leistung abliefern. Leider ist die Defensive bei schnellen Gegenangriffen aber zu anfällig, was zu zwei Gegentoren und einer unglücklichen 1:2-Niederlage führt.

Thomas Häcki: Egal ob Pech, mangelnde Chancenverwertung oder eine enttäuschenden Leistung der Grund für das 1:4 herhalten wird... Manchmal stinkt der Fisch auch einfach vom Kopf her.