hoffenheimDer Dezember ist ein spezieller Monat. Am Monatsanfang denkt man noch, dass 31 Tage doch reichlich sein sollten um all das, was man sich bis Jahresende so vorgenommen hatte,  zu erledigen. Doch dann kommt das Weihnachtssingen der Kita dazwischen und die Matinee-Aufführung von Hänsel und Gretel, das Wichteln mit den Kollegen, und, Mist, irgendwas muss man der Partnerin ja auch noch schenken,…, bis man dann zu allen Überfluss feststellt dass der Monat faktisch doch nur 22 Tage hat und man 2 Wochen an Aktivitäten in eine pfropfen muss.

Der Bundesliga geht das ganz ähnlich und so muss die Gladbacher Borussia nun auf einmal innerhalb von 6 Tagen noch 3 Spiele bestreiten. Dem VFL geht es dabei so ein wenig wie jemandem, der über Monate hinweg ein gar wundervolles Geschenk gebastelt hat, aber jetzt Angst hat, dies auf dem Weg zum Weihnachtsbaum vielleicht noch fallen zu lassen oder sonstwie eine Delle reinzumachen, was einfach zu schade wäre.

Für manch einen ist das Spiel am Samstag in Hoffenheim sogar schon so ein bisschen das Endspiel der Halbsaison. Die Logik dahinter ist, dass man gegen Nürnberg ebenso sicher gewinnt, wie in Dortmund auf jeden Fall verliert und sich somit schon beim SAP-Besuch entscheidet ob man nun mit 32, 33 oder 35 Punkten in die Winterpause geht. Diese Sichtweise offenbart eine starke Unterschätzung der Unwägbarkeiten im Fuβball, aber die Einschätzung, dass das drittletzte Spiel vor der Winterpause das interessanteste sein könnte hat trotzdem etwas für sich. Zum dritten Mal in Folge trifft Gladbach nämlich in einem Auswärtsspiel auf einen direkten Konkurrenten im  Kampf um internationale Plätze: während die  Bremer lediglich das Kinn der Borussia anstarrten , der RB Leizpig uns hingegen auf die Stirn schaute, könnten die Hoffenheimer tatsächlich ziemlich genau auf Augenhöhe mit dem VFL sein.

Dabei soll man sich nicht dadurch täuschen lassen, dass die Nagelsmann-Elf zur Zeit nur den siebten Platz belegt. Verletzungsprobleme und Doppelbelastung allein sind gute Gründe für diesen leichten Abfall, ein gewisses Pech kommt auch noch dazu: Würde man die Tabelle nach xGoals (expected goals = erwartete Tore) ausrechnen, so stünden die Hoffenheimer punktgleich mit der Borussia bei 25 Punkten (Quelle: understat.com).  In einem Jahr, wo Schalke und Leverkusen aus unerfindlichen Gründen nicht am Rennen um die Championsleague-Plätze teilnehmen wollen, Dortmund, Bayern und Leipzig (in der Reihenfolge) als heisse Anwärter für diese Plätze gesehen werden müssen, ist Hoffenheim vielleicht genau die Mannschaft gegen die sich die Borussia durchsetzen muss um zum dritten Mal in fünf Jahren Georg Friedrich Händels “Zadok the Priest” in abgewandelter Form im Borussiapark hören zu können.

Dieter Hecking kann in Sinsheim immer noch nicht auf Jonas Hofmann und Christof Kramer zurückgreifen, auf Matthias Ginter sowieso nicht und Denis Zakaria ist nach der fünften gelben Karte gesperrt. Die Defensive, einschliesslich Tobias Strobl auf der Sechs, stellt sich so ziemlich von selbst auf, so dass die interessanten Fragen die Startelf betreffend in der Offensive liegen. Nach dem Spiel gegen Stuttgart liegt es nahe die Achter/Zehner-Positione mit Stindl und Neuhaus zu besetzen; Benes oder Cuisance wären da eher ziemlich überraschende Alternativen. Im Sturm ist Hazard gesetzt und trotz seiner mäβigen Leistung zuletzt sollte das auch für Plea gelten. Die eine verbleibende Position könnte den grössten Aufschluss darüber geben wie Dieter Hecking diese Partie angehen möchte. Er mag dies auf eher defensive Art tun und den Ex-Hoffenheimer Fabian Johnson auf der Aussenbahn aufstellen, auf Konter setzen und Patrick Herrmann mal wieder eine Chance geben oder gänzlich offensiv denken, wobei es da immer noch eine traditionelle Variante mit Traoré als klassischen Aussenstürmer und eine flexible mit Raffael als falscher Neun und Plea auf dem Flügel gibt. Da ich persönlich nicht Trainer bin und für nichts meinen Kopf hinhalten muss, würde ich selbst die letzte Variante sehr gern sehen, aber das Leben ist kein Wunschkonzert.

Der Gegner aus Hoffenheim kommt gerade aus Manchester zurück, wo man ein Spiel hingelegt hat, welches symptomatisch für die CL-Runde der Nagelsmänner steht, die man kurz unter dem Motto “Schade, aber toll!” zusammen fassen kann. Die Hoffnung, dass die Europastrapazen und Frustration des Gegners der Borussia das Leben leichter machen sollte, hatte man erst vor 2 Wochen beim Retorten-Zwilling aus Leipzig gehegt, ohne dass dies viel genützt hätte. Zwar fehlen den Hoffenheimer u.a. die Ex-Gladbacher Nordveit und Rupp noch verletztungsbedingt, aber die ärgsten Sorgen dieser Art haben sich beim SAP-Club mittlerweile gelegt, so dass Nagelsmann aus dem Vollen schöpfen und (vermutlich) rotieren kann. Ob das eine Chance für den in Gladbach eher frustrierten Grifo bedeuten könnte, ist nur eine der vielen Unbekannten dabei. Klar ist nur, dass die Gladbacher Abwehr am Samstag gefordert sein wird. Der kroatische Nationalstürmer Kramaric ist nur einer von 5 Angreifern bei Hoffenheim die schon 4 oder mehr Treffer erzielt haben. Julian Nagelsmann kann sich sogar den Luxus leisten den englischen  shooting star Reiss Nelson typischerweise von der Bank zu bringen, von wo aus er dann den “Alcacer für Neureiche”  gibt. Das schnelle vertikale Kombinationsspiel hat der TSG schon 30 Tore eingebracht; mehr haben nur die beiden Borussias auf dem Konto. Im Gegensatz zu RB Leizpig geht der Sturm und Drang des Teams aber auch mit Abwehrschwächen einher. In der gesamten Saison konnte Hoffenheim nur einmal zu Null spielen und das war gegen nach einer roten Karte zu zehnt spielende Stuttgarter, also keine allzu groβe Kunst.

Auch wenn Dieter Hecking meint das Spiel müsse nicht unbedingt ein Spektakel werden kann es von daher sehr gut wieder eine torreiche Spiel Partie geben. Die bisherige Hecking-Bilanz gegen Hoffenheim ist ein Sieg, ein Unentschieden, eine Niederlage bei einem Torverhältnis von 9:9! Beste Vorraussetzungen als für einen unterhaltsamen Fuβballnachmittag mit völlig offenem Ausgang.

Mögliche Aufstellungen:

Hoffenheim: Baumann - Bicakcic, Vogt, B. Hübner - Brenet, Grillitsch, N. Schulz - Demirbay, Grifo - Joelinton, Kramaric

Borussia: Sommer - Lang, Elvedi, Jantschke, Wendt - Strobl - Neuhaus, Stindl - T. Hazard , Raffael, Plea

Seitenwahltipps:

Claus-Dieter Mayer: Mit einem 4:3 Sieg in Hoffenheim gelingt der Borussia das Kunststück, dass sich danach sowohl die Meisterschaftsträumer als auch die Skeptiker unter den Fans bestätigt fühlen.

Michael Heinen: Kurz und schmerzlos: Hoffenheim und Borussia trennen sich 2:2.

Uwe Pirl: Es gab Zeiten, da war Hoffenheim ein Angstgegner, gegen den die Niederlage fast schon im Voraus feststand. Zum Glück vorbei, heute sind es eher spektakuläre Unentschieden oder Siege wie das 4:1 aus 2015, die meine Erinnerung an Gastspiele in Sinsheim prägen. Deshalb denke ich, dass Borussia auch im Kraichgau etwas reißen kann: Wir gewinnen 3:1.

Thomas Häcki: Wer 1:0 fuhrt, der stets 1:1 spielt. Ein Punkt in Hoffenheim lässt der Borussia alle Chancen offen

Christian Spoo: Stuttgart oder Hannover sind nicht der Maßstab. Wie schon in Leipzig spielt Borussia auch in Sinsheim nicht wirklich schlecht, aber eben doch zu schlecht, um etwas Zählbares mitzunehmen. "1899" gewinnt mit 2:1.