Es gibt Spiele, nach denen man nicht wirklich weiß, wie man das gesehene bewerten soll. Man kann den Borussen nicht vorwerfen, nicht zu kämpfen. Man kann ihr vorwerfen, ihre Chancen nicht zu nutzen. Dementsprechend unterschiedlich fiel auch die Bewertung nach der Leipzig-Niederlage aus. Max Eberl hat nach der Winterpause ordentliche Leistungen gesehen, für die sich das Team leider nicht belohnt hat. Andere Beobachter kommen hingegen zu dem Schluss, dass sich die Borussia offensiv oft zu lethargisch präsentiert und ihr der letzte Biss vor dem Tor fehlt. Wer keine Tore schießt, darf sich nicht beschweren, wenn er am Ende mit leeren Händen dasteht. Dieter Hecking brachte es auf den Punkt: „Um solche engen Spiele zu gewinnen, hätte hinten die Null stehen müssen, und vorne hätten wir die eigenen Möglichkeiten nutzen müssen. Wenn man drei, vier Mal alleine auf den Torwart zuläuft, muss man irgendwann auch das Tor machen. Das müssen wir uns heute vorwerfen lassen.“ Hinter dieser Einschätzung können sich wohl die meisten versammeln.

Man sollte nicht glauben, dass Borussias Offensivproblem nur auf Pech beruht oder gar vom Himmel gefallen wäre. Das hinter Stindl und Raffael eine Lücke im zentralen Angriff besteht, war bereits in der letzten Saison deutlich geworden. Umso mehr, dass sich beim Brasilianer mittlerweile „altersbedingte Abnutzungserscheinungen“ zeigen. Mit André Hahn hatte zudem ein Spieler den Verein verlassen, der noch zentral eingesetzt werden konnte. Auf eine Rückkehr von Drmic zu hoffen, war aufgrund seiner Verletzungshistorie, die aussagegemäß zeitweise nahe der Sportinvalidität war, sicherlich gewagt. Mit Bobadilla kam ein Stürmer, der ebenfalls bereits über eine zunehmende Verletzungshistorie verfügt und zudem in der Vergangenheit mehr durch sein Selbstbewusstsein als durch bundesligataugliche Fähigkeiten aufgefallen war. Bei Villalba stellt sich dagegen die Frage, wie ein junger und talentierter Spieler zur Option werden soll, wenn er lediglich bei Testspielen Spielpraxis bekommen kann. Hier wäre das Modell Neuhaus sicherlich intelligent gewesen. Nein, ein Teil von Borussias Abschlussproblemen resultiert auch aus den Entscheidungen der Vergangenheit. Umso erstaunlicher, dass man sich in der Winterpause nicht um eine zumindest zeitlich befristete Lösung bemühte und sich stattdessen auf das Wechseltheater um Reece Oxford eingelassen hat. Es mag vereinsinterne Gründe gegeben haben so zu agieren. Und Entscheidungen beinhalten das Risiko, auch mal falsch zu sein. Hüten sollte man sich allerdings davor, die Schuld den Umständen oder dem Pech zu geben. Fehler beinhalten eben auch die Chance daraus zu lernen und stärker zu werden. Und lernen und stärker werden würde wieder zu Max Eberls Philosophie passen.

In der aktuellen Situation hilft lamentieren allerdings nicht weiter. Strukturelle Probleme werden erst in der Sommerpause gelöst werden können. Bis dahin muss man sich mit dem begnügen, was der Kader hergibt. Das ist zwar aufgrund der viel diskutierten Verletzungsmisere beschränkt. Die bestehenden Alternativen würden beim VfB Stuttgart allerdings sicherlich mit Kusshand genommen werden. Bei den Schwaben setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass der vergangene Abstieg eben kein Betriebsunfall gewesen ist und der Klassenerhalt alles andere als selbstverständlich ist. Aufstiegstrainer Wolf fiel dieser Erkenntnis zum Opfer, eine Entscheidung die im Umfeld für sehr viel Unverständnis und Unruhe sorgte. Dementsprechend wurde seinem Nachfolger beim ersten Training ein so kühler Empfang beschert, dass man meinen könnte, Borussias Ultras hätte seine Unterstützung organisiert. Sicherlich sind Tayfun Korkuts Ergebnisse aus Hannover, Kaiserslautern und Leverkusen nicht dazu geeignet, Jubelstürme auszulösen. In Wolfsburg gelang ihm beim 1:1 allerdings ein Achtungserfolg. Dieser soll nun gegen die kriselnde Borussia ausgebaut werden, am besten mit einem Heimsieg. Gelingt dies nicht, kann die Stimmung aber sehr schnell umschlagen. Die Frustration beim Anhang gegenüber den Vereinsoberen sitzt tief, ein Rückstand könnte das Fass zum Überlaufen bringen.

Es ist die Heimstärke, die den VfB bislang davor bewahrt haben, in direkter Tuchfühlung zum HSV oder gar zum 1 FC Köln zu sein. 19 der 21 Punkte wurden daheim geholt. Daneben stellt man mit sieben Gegentoren zu Hause das derzeit defensivstärkste Team der Bundesliga. Offensiv herrscht allerdings auch bei den Schwaben Torflaute. Um diese zu beheben wurde Mario Gomez in der Winterpause zurückgeholt, Aufstiegsheld Terrode wechselte dafür nach Köln und versetzte den Fohlen zugleich den Knockout. Ob Gomez aber in seiner Heimat seinen dritten Frühling erlebt und den Sturm der Schwaben qualitativ aufwertet muss abgewartet werden. Es ist schwer vorhersehbar, wie sich die Stuttgarter bei Korkuts Heimdebüt präsentieren werden. Die Erfahrung sagt aber, dass ein Trainerwechsel kurzfristig neue Energien freisetzen kann. Umso ungünstiger, dass die Borussia sich zuletzt auswärts wieder als dankbarer Gast entpuppte. die letzten vier Auswärtsspiele wurden verloren, allesamt bei Gegnern, die nicht die hohe Fußballkunst prägen. Lediglich Raffael gelang dabei ein Jokertor. In seine Rückkehr werden große Hoffnungen gesetzt, vermutlich wird ein Einsatz von Beginn an aber sehr knapp werden. Womit sich wieder die Frage stellt, wer die Torflaute beheben soll? Es würde zu Borussias Unbeständigkeit passen, wenn es einem gelingen würde, den derzeit noch niemand auf der Rechnung hat. Am Sonntag wäre ein guter Zeitpunkt hierfür, will man den Anschluss an Europa nicht endgültig verpassen und im Mittelmaß versinken. Denn dann würde es auch in Borussias Umfeld unruhiger werden, als bei einer Supportaktion der Ultras. 

 

Der VfB

Zieler - Pavard, Baumgartl, Badstuber, Insua - Ascacibar, Gentner - Akolo, Er. Thommy - Ginczek - Gomez

Die Borussia

Sippel - Jantschke, Ginter, Vestergaard, Elvedi - Kramer, Zakaria - Hofmann, Grifo - Stindl, T. Hazard

 

Tipps:

Thomas Häcki: Das ausgerechnet bei den Schwaben die Flaute behoben wird, erscheint schwer vorstellbar. Stuttgart gewinnt 1:0 – Torschütze Gomez.

Claus-Dieter Mayer: Beide Mannschaften gehen mit der Taktik ins Spiel, den Gegner zu Tode zu langweilen. Dass am Ende noch 2 Tore zum 1:1-Endstand fallen bekommt der Grossteil der eingeschlafenen Zuschauer nicht mehr mit. “Ein wichtiger Schritt nach vorne!” ist der einstimmige Tenor auf Gladbacher Seite danach…

Christian Spoo: Borussia trifft auf einen Gegner, der nicht weiß, wo er steht. Massive körperliche Gegenwehr wie zuletzt in Frankfurt ist nicht zu erwarten. Und irgendwie findet der Ball einmal den weg ins Stuttgarter Tor. Borussia holt wichtige drei Punkte gegen den Absturz.

Michael Heinen: In Stuttgart sah Borussia in den letzten Jahren stets gut aus. Dieses Jahr reicht es leider trotzdem nur zu einem 1:1.