Borussia steht im Achtelfinale des DFB-Pokals. Das ist schön. Dass die Mannschaft sich vom 1:5 gegen Leverkusen nicht so stark hat beeindrucken lassen, dass sie auch das Zweitrundenspiel bei Fortuna Düsseldorf vergeigt hätte, verdient Anerkennung. Daraus irgend etwas anderes abzuleiten, als dass Borussia im Achtelfinale des DFB-Pokals steht, wäre allerdings fahrlässig. Wirklich überzeugend war das Spiel in Düsseldorf nicht. Dass man als vermeintlicher Europapokal-Kandidat einen Zweitligisten, auch einen guten, dominiert, ist kein Hexenwerk. Und: Pokal ist Pokal, um nicht die Mutter aller Fußballfloskeln zu bemühen. Am Samstag wartet bei der TSG „1899“ Hoffenheim nun eine der schwierigsten Aufgaben, die sich Borussia in der Bundesliga stellen. Erst einmal gelang in Sinsheim ein Sieg. Die Formkurven beider Teams divergieren, trotz der jeweiligen aktuellen Erfahrungen im Pokal, recht deutlich. Keine Frage, Borussia fährt als Außenseiter zum Auswärtsspiel im Kraichgau.

Hoffenheim haderte nach dem Pokal-Aus in Bremen mit dem Schiedsrichter und vor allem mit der Taktik des Gegners. Bremen hatte destruktiv agiert, sich hinten eingeigelt, die Hoffenheimer Stürmer fanden kein Mittel. So lächerlich es ist, dass sich Sportchef Alexander Rosen nach dem Spiel über das Mauern der Bremer echauffierte, so beruhigt kann Rosen in dieser Frage der Bundesligapartie gegen Mönchengladbach entgegensehen. Dass Borussia sich hinten reinstellt, ist nicht zu erwarten, zumal die Abwehr der Borussia in dieser Spielzeit nicht gerade den Eindruck eines unüberwindbaren Bollwerks erweckt. Außerdem wird aller Voraussicht nach der wohl gefährlichste Stürmer der TSG wieder auf den Platz stehen. Trainer Julian Nagelsmann hatte Sandro Wagner im Pokal geschont. Frei von Personalsorgen ist Hoffenheim indes nicht, vor allem in der Defensive Benjamin Hübner fehlt wegen Gelbsperre. Havard Nordtveit hat Knieprobleme, sein Einsatz ist zumindest gefährdet. Mit Posch und Bicakcic sind auch zwei mögliche Ersatzleute für die Abwehr verletzt.

Nordtveit ist nur einer von vier Ex-Borussen im Kader der Hoffenheimer. Der Norweger, den es einst unter anderem wegen der Provinzialität des linken Niederrheins aus Mönchengladbach wegzog, ist in der Weltstadt Sinsheim Stammspieler in der Innenverteidigung, der Position, die er immer als seine eigentliche ansah. In Gladbach spielte Nordtveit dort eher aushilfsweise, man sah in ihm eher einen Mann für das defensive Mittelfeld. Die drei anderen Ex-Gladbacher in Hoffenheim gehören weniger zum Gerüst der Mannschaft, wenngleich sie regelmäßig spielen. Die Rolle von Eugen Polanski ist nicht mehr so groß, wie in den vergangenen Jahren. Zwar ist er offiziell noch Kapitän, Stammspieler ist der Mann aus Viersen aber nicht mehr. Häufiger setzt Julian Nagelsmann auf Lukas Rupp, der in Gladbach sein Potenzial oft nur andeuten konnte, nach seinem Weggang aber sowohl in Stuttgart als auch in Hoffenheim seine Bundesligatauglichkeit deutlich unter Beweis gestellt hat. Nico Schulz schließlich spielt im Kraichgau exakt die Rolle, die er auch in Gladbach inne hatte: Er wird regelmäßig aber immer nur für kurze Zeit eingewechselt. Gegen seinen Ex-Verein dürfte er ob der Personalnot aber tatsächlich das erste Spiel von Beginn an machen. In Mönchengladbach fragt sich derweil angesichts der dünnen Personaldecke in der Defensive und der arg schwankenden Form des einzigen nominellen Linksverteidigers Oscar Wendt, ob es wirklich schlau war, Schulz zu Saisonbeginn abzugeben.

Beim Bundesliga-Debakel gegen Leverkusen war Wendt Teil einer vollversagenden Defensivreihe. Die litt komplett unter „Morbus Wendt“, dem ungestümen Zug nach vorne unter Vernachlässigung der eigentlichen Aufgaben. Aus Mangel an Alternativen spielt Wendt aber weiter – in Düsseldorf wie sicher auch in Hoffenheim. Darüber hinaus hat Dieter Hecking im Pokal behutsam rotiert. Nico Elvedi hat in der Zentrale seine Sache ordentlich gemacht, Tony Jantschke ein akzeptables Comeback auf rechts gegeben. Keiner von ihnen ist freilich der Spieler, der hinten den Laden organisiert. Im Grunde ist es gleich, ob Jannik Vestergaard in die erste Elf zurückkehrt oder ob die Abwehrformation unverändert bleibt. Entscheidender für die defensive Ordnung ist das Fehlen von Christoph Kramer. Gerade vor dem Hintergrund der erwartbaren Schwächen, die Jungspund Michael Cuisance jetzt erstmals zeigt, wäre die Rückkehr des defensivsten der Gladbacher Sechser immens wichtig. Stand Freitag Morgen ist ein Einsatz Kramers in Hoffenheim allerdings mehr als unwahrscheinlich. Denis Zakaria ist zweifelsohne gesetzt. Der Schweizer war gegen Leverkusen und in Düsseldorf bester Borusse.

Vorne hat Dieter Hecking mehr Variationsmöglichkeiten. Allerdings heißt die Frage für den Trainer allem Anschein nach: „Welchen torungefährlichen Offensivmann setze ich ein“. Die Abschlussschwäche der Borussenstürmer ist kein neues Phänomen, gepaart mit der nicht gerade sattelfesten Abwehr aber mehr denn je ein Problem. Auch gegen Fortuna Düsseldorf blieben Chancen ungenutzt, wobei es summa summarum sogar weniger davon gab, als gegen Leverkusen. Vorne geht vieles nicht mehr, was früher ging. Das blinde Verständnis der Spieler füreinander ist verloren gegangen, direkt vor dem Tor treffen die Borussen oft die falsche Entscheidung oder agieren zu hastig. Standards sind zwar leicht verbessert, aber wahrlich noch keine Waffe. Erstaunlich genug, dass mit Vincenzo Grifo der Mann, der gerade für Standardsituationen geholt wurde, nach wie vor seinen Stammplatz auf der Bank hat. Auch Torgefahr hatte der Italiener zumindest in seiner Freiburger Zeit im Portfolio. Bei seinem einzigen Einsatz für Borussia über mehr als fünf Minuten holte er immerhin den spielentscheidenden Elfmeter heraus. Offiziell ist über atmosphärische Störungen in Sachen Grifo bisher nichts zu hören, von daher muss man trotz alledem wohl von sportlichen Gründen ausgehen, die Dieter Hecking von einer Beförderung des Neuzugangs absehen lassen.

Inwieweit sich Hecking vor dem Hoffenheim-Spiel über mehr als über die Frage einer erneuten kleinen Rotation Gedanken macht, weiß nur der Trainer selbst. Bisher macht es nicht den Eindruck, als würde er auf schwierige Situationen mit offensichtlichen taktischen Manövern reagieren. Dass Hecking in der Katastrophenhalbzeit gegen Leverkusen augenscheinlich nicht ins Spiel eingriff – von der Einwechslung Jonas Hofmanns abgesehen – bleibt verwunderlich. Einen „Hecking-Fußball“ zu beschreiben, dürfte jedem, der Borussia in den letzten elf Monaten hat spielen sehen, schwer fallen. Wie man das findet, ist eine fußballphilosophische Frage. Wer Matchplänen und „Laptop-Trainern“ skeptisch gegenübersteht, dürfte Heckings Herangehensweise erfrischend finden. Fans der Generation Nagelsmann dagegen raufen sich die Haare. SEITENWAHL steht irgendwo dazwischen und weiß noch nicht so richtig. Womöglich liefert das Spiel bei der TSG „1899“ Hoffenheim in dieser Frage weitere wertvolle Erkenntnisse.

mögliche Aufstellung

Hoffenheim: Baumann - Kaderabek, Akpoguma, Vogt, Schulz - Geiger - Demirbay, Amiri - Kramaric - Uth, Wagner

Borussia: Sommer - Elvedi, Ginter, Vestergaard, Wendt - Jantschke, Zakaria - Hazard, Traoré - Raffael, Stindl

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Borussia reißt sich am Riemen, einen so undisziplinierten Auftritt wie in der Horrorhalbzeit gegen Leverkusen wird man vorerst nicht mehr hinlegen. Gegen Hoffenheim zieht das Team trotzdem den Kürzeren. 3:1 für die Gastgeber.

Uwe Pirl: Ich bin im Stadion. Und weil ich schon genug Niederlagen in Hoffenheim gesehen habe, wird es diesmal anders. Borussia ist einen Tick frischer – das gleicht die Defizite in der Fitness aus. Und da Borussia die personifizierte Wechselhaftigkeit ist, folgt auf ein schlechtes und ein durchschnittliches Spiel wieder ein gutes. 2:1 für Borussia.

Michael Heinen: In Hoffenheim gibt es wieder einen kleinen Rückschlag. Borussia verliert trotz engagiertem Auftritt mit 1:2.

Thomas Häcki: Es stellt sich die Frage, wie schlecht die ominöse Halbzeit X diesmal ist. Reißt man sich am Riemen, ist ein 2:2 durchaus möglich.

Claus-Dieter Mayer: Hoffenheim-Borussia heißt traditionell „Unterhaltsamer Fußball mit dem schlechten Ende für die Borussia“. Also 3:2 für die Nagelsmänner.