Große gegen Kleine, wahre gegen falsche, gute gegen böse Borussia. Auf welchen der beiden Gegner welche Beschreibung zutrifft, darüber werden Anhänger beider Lager unvereinbarer Ansicht sein. Einigkeit sollte aber vor dem sechsten Spieltag der Saison 2017/18 in einem bestehen: Selten war die Favoritenrolle vor dem Borussenduell so eindeutig vergeben. Der Ballsportverein aus Dortmund ist nahezu makellos in die Spielzeit gestartet. Fünf Spiele, kein Gegentor, das ist am Saisonauftakt bislang ohne Beispiel. Zuhause sieht die Dortmunder Bilanz für die Gegner noch beänstigender aus: Seit 40 Heimspielen hat die Mannschaft im eigenen Stadion nicht mehr verloren. Angesichts der Tatsache, dass sich die Stürmer der Borussia aus Mönchengladbach mit dem Treffen in dieser Spielzeit bisher eher schwer tun, fällt es aus Sicht eines Anhängers, eines in Fußballzusammenhängen eher pessimistisch veranlagten zudem, schwer, dem Samstag Abend erwartungsfroh entgegenzublicken. Die Gladbacher müssen darüber hinaus weiterhin auf mehrere Leistungsträger verzichten.

Borussia Dortmund ist wie Borussia Mönchengladbach von Verletzungspech geplagt, hat aber einen Kader, der wahre Verletzungssorgen kaum entstehen lässt. Die Mannschaft kann Spieler wie Reus, Schmelzer, Schürrle, und Guerreiro nahezu ohne Qualitätsverlust ersetzen. Zumindest national genügt das Team auch ohne diese Akteure höchsten Ansprüchen. Auch den Verlust des Jungstars Dembélé hat der BvB augenscheinlich gut verkraftet. Der Ukrainer Yarmolenko schlug direkt so ein, wie sich die Herren Watzke, Zorc und Bosz das vermutlich vorgestellt haben. Ähnliches geht für einen Neuzugang, der zunächst kaum beachtet wurde: der aus Freiburg geholte Maximilian Philipp hat sich zum unangefochtenen Stammspieler entwickelt. Die vorübergehende Meisterschaft im Toreverhindern kommt insofern überraschend, als dass der neue Trainer Peter Bosz dem Team ein im Grunde sehr offensives System verordnet hat. Die Mannschaft wartet nicht ab, will den Ball und spielt schnell und massiert nach vorne. Dass das auch Risiken birgt, konnte bisher aber nur eine Mannschaft ausnutzen. Tottenham Hotspur verdarb den Dortmundern den Champions-League-Start und schenkte ihnen gleich drei Treffer ein. Man darf also annehmen, dass ein Team mit hoher Qualität die schwarz-gelbe Dominanz in der Liga wird brechen können. Die Frage ist nur: Ist Borussia Mönchengladbach in der aktuellen Verfassung dieses Team?

Um diese Frage mit „ja“ zu beantworten, ist ein schon fast blauäugiger Blick auf den Gladbacher Saisonstart nötig. Freilich: Acht Punkte aus fünf Spielen sind keine katastrophale Ausbeute, Borussia steht in der Tabelle da, wo informierte Beobachter sie auch am Ende der Spielzeit vermuten. Ein wirklich gutes Spiel hat die Mannschaft aber in dieser Zeit noch nicht gezeigt, auch wenn Trainer Dieter Hecking das (offiziell) anders sehen mag. Auch die Partie in Leipzig war nur partiell so überzeugend, wie mancher danach gesehen haben wollte. Die Gladbacher Borussia ist wie die Dortmunder mit einem erheblich gefüllten Lazarett ausgestattet. Die Kompensation fällt den finanziellen Rahmenbedingungen ensprechend schwerer, wenngleich bisher noch kein Spieler zweiter Wahl komplett enttäuscht hat. Tobias Sippel hat Yann Sommer gegen Stuttgart so gut vertreten, dass der erneute Ausfall des Schweizers dem Gladbacher Anhang keine schlaflose Prä-Match-Nacht bescheren sollte. Im defensiven Mittelfeld wiegt der Verlust des nach Dortmund gewechselten und dort noch nicht so recht angekommenen Mo Dahoud weniger schwer, als befürchtet. Das Duo Kramer/Zakaria harmoniert bislang fast besser, als zuvor die Doppelsechs aus Kramer und Dahoud und selbst den verletzungsbedingten Ausfall des Weltmeisters konnte Borussia am Dienstag gegen Stuttgart zumindest 45 Minuten durch das überzeugende Debüt von Mikael Cuisance auffangen. Die große Zahl von Verletzten reduziert aber die Variationsmöglichkeiten für Dieter Hecking massiv. Die Mannschaft stellt sich fast von alleine auf, mit Grifo und Traoré fehlen Spieler, die die dringend benötigte Gefahr für das gegnerische Tor vermutlich deutlich erhöhen würden. Umso erstaunlicher, dass einer der Leistungsträger der vergangenen Spielzeiten, Fabian Johnson, bislang völlig außen vor ist. Johnson ist in der Regel ein Garant für defensive Stabilität aber auch nach vorne durchaus zu gebrauchen. Angesichts der Formschwäche von Thorgan Hazard wäre er die natürliche Lösung für die offensive linke Seite, und wäre eine gute Ergänzung zu Oscar Wendt, gerade angesichts der Tatsache, dass der Linksverteidiger das Linksverteidigen gelegentlich nicht richtig ernst nimmt.

Egal, ob mit oder ohne Kramer, der gegebenenfalls mit einer Gesichtsmaske auflaufen soll, Borussia wird eine höchstkonzentrierte Top-Leistung benötigen, um in Dortmund etwas zu holen. Dass sich der aus Dortmund geholte Matthias Ginter schon mal ein Jubelverbot auferlegt hat, wirkt angesichts der Ausgangslage doch arg optimistisch.

Aufstellungen

Dortmund: Bürki – Piszczek, Sokratis, Toprak, Zagadou – Castro, Sahin, Götze – Yarmoleknk, Aubameyang, Philipp

Borussia: Sippel -  Elvedi, Vestergaard, Ginter, Wendt – Kramer, Zakaria – Hazard, Herrmann – Stindl, Raffael.

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Man muss keine Unke sein, um zu unken, dass es in Dortmund für Borussia nichts zu holen gibt. Gegen den Dortmunder Offensivwirbel ist die nur selten stabile Hintermannschaft gnadenlos überfordert. Dortmund muss am Ende nicht einmal 100% geben, um als 4:0-Sieger vom Platz zu gehen.

Claus-Dieter Mayer: Borussia bleibt sich treu und erzielt in Dortmund etwas überraschend das dritte Auswärts-2:2 in Folge. Ein wenig trauert man hinterher sogar einem Sieg nach, da Aubameyang erst in letzter Minute der Ausgleich gelingt.

Michael Heinen: In Dortmund ist Borussia leider chancenlos und verliert mit 0:2.

Thomas Häcki: Östlich von Bochum spielt die Mannchafft der Stunde. Die Borussia ist es leider nicht. 1:2 .... Kryptisch.