Es gibt genug Gründe, sich Sorgen um den FC Augsburg zu machen. Seit dem Darmstädter Abstieg ist der Verein auf den letzten Platz der Etat-Tabelle abgerutscht. Und aus der lässt sich, wie Ökonomen gezeigt haben, zu annähernd 90% die sportliche Abschlusstabelle vorhersagen. So traurig das ist. In den bisherigen beiden Saisonspielen stand bei den Augsburgern vorne zweimal die Null, hinten nicht. Also schied man im Pokal beim Drittligisten Magdeburg aus und unterlag im „Treffen der zwei Deppen“ (Daniel Baier) auch beim HSV. Den besten Torschützen der Vorsaison hat man abgegeben. Und in Sachen Transferplanungen ist man vom HSV abhängig. Wer so weit ist, hat angesichts des Hamburger Komödienstadels der letzten Jahre wohl ein echtes Problem.

Von den Hamburgern und seinem launischen Mäzen Kühne nämlich erhofft man sich einen größeren Geldsegen für Konstantinos Stafylidis. Sein Verkauf könnte neuen Spielraum für eigene Last-Minute-Aktivitäten vor Schluss des Transferfensters am 31.8. eröffnen. Der Spieler will nach Hamburg, der HSV will ihn, aber erst, nachdem man Douglas Santos abgegeben hat. Da aber hängen die Hamburger ihrerseits in einer Warteschleife nach Eindhoven. Abwechslung in die Hängepartie brachte eine Posse der Außendarstellung um Stafylidis‘ Fehlen in Magdeburg. Nach Vereinsangaben verletzt, erklärte sich der Verteidiger auf Instagram „gesund und topfit“. Er „drücke vor dem Fernseher die Daumen“. In Hamburg war er indes erneut nicht im Kader, was die Spekulationen naturgemäß nährte. Vollzug wurde aber bis heute nicht vermeldet. Trotz all solchen Ungemachs: Vor der Heimpremiere klingen die Augsburger erstaunlich optimistisch. Gladbach sei schlagbar, ist zu hören, zumal Bobadilla ja zum Glück nicht spielen könne. Schon in Hamburg sei man die bessere Mannschaft gewesen; nur bei der Chancenverwertung müsse man nach mehr Effizienz entwickeln.

Das ist eine wohlwollende Sichtweise. In gewisser Weise ist sie nicht falsch: In Hamburg war der FC in einer Begegnung auf beiderseits sehr niedrigem Niveau die etwas weniger limitierte, insofern unverdienter Verlierer. Vor der Pause hätte man einen Elfmeter bekommen können, wenn der Videobeweis zur Abwechslung mal funktioniert hätte. Und nach dem Seitenwechsel schlugen die Augsburger eine nennenswerte Zahl gut gemeinter Flankenversuche in Richtung des Hamburger Strafraums. Einige erreichten ihn sogar. Man kann schon sagen, es fehlte nur noch die Effizienz. Man kann auch sagen, Martin Schulz fehlt nur noch eine zündende Idee, wie er Angela Merkel gefährlich werden soll.

Gegen Gladbach, so ist zu hören, haben sich die Augsburger den ersten Sieg und das erste Tor vorgenommen. Klingt nach einer sinnvollen Kombination, weil ja letzteres notwendige Bedingung für ersteres ist. Nur wer das Tor schießen soll, ist offen. Der Toptorjäger der letzten Saison hieß Halil Altintop. Dessen Ausbeute war mit sechs Treffern zwar auch überschaubar, aber eben unerreicht. Altintop spielt jetzt in Piräus und wird nicht nur als Torschütze, sondern auch als Führungskraft vermisst. Nummer zwei der clubinternen Torjägerliste war, gleichauf mit Bobadilla, ein Außenverteidiger: Konstantinos Stafylidis. Das Thema hatten wir schon. Und für wen Bobadilla jetzt spielt bzw. an diesem einen Spieltag nicht spielen darf, dürfte bekannt sein.

Überhaupt die Verteidiger: Von den sechs erfolgreichsten Torschützen der letzten Saison stellten sie die Hälfte. Viermal traf Stafylidis, je dreimal Verhaegh (spielt jetzt in Wolfsburg) und Hinteregger (der immerhin ist am Samstag dabei). Je nach Sichtweise stellt das der Augsburger Abwehr ein gutes oder der Offensive ein schlechtes Zeugnis aus. Was letztere betrifft, ruhen die Augsburger Hoffnungen auf drei Säulen. Erstens, dass Stoßstürmer Finnbogason diesmal von weniger Verletzungspech geplagt wird und zu alter Form zurückfindet. Zweitens, dass Neuzugang Gregoritsch die Eindrücke aus der Vorbereitung bestätigt und die der ersten beiden Pflichtspiele widerlegt. Und drittens, dass man auf den Außenbahnen Tempo und Torgefahr gewinnt.

Hoffnung Finnbogason: Der Isländer kam im Januar 2016 aus Piräus und schien sich als Volltreffer zu erweisen: Sieben Rückrundentreffer gingen auf sein Konto. Verletzungsgeplagt, zudem von einem mysteriösen Platzverweis in Köln gebremst, kam der Stürmer in der Folgesaison aber nur noch auf dreizehn Einsätze, in denen er nach seiner Form suchte. Drei Treffer standen am Ende zu Buche, einer davon allerdings gegen Gladbach, in vielleicht Finnbogasons bestem Saisonspiel. Seinen Führungstreffer glich damals Hahn erst in der Nachspielzeit aus.

Hoffnung Gregoritsch: Der Österreicher, unter dessen Scheffel es eher dunkel ist, ist das, was man gemeinhin als Königstransfer bezeichnet. 5,5 Millionen überwies man für ihn nach Hamburg. Das sind zwar selbst für Augsburger Verhältnisse noch keine Neymarschen Dimensionen, machen Gregoritsch aber zum zweitteuersten Einkauf der Vereinsgeschichte, nach Martin Hinteregger (7 Millionen). Von Gregoritsch erhoffte man sich Impulse und Torgefahr aus dem offensiven Mittelfeld, was in der Vorbereitung auch zu klappen schien. In den ersten beiden Pflichtspielen fiel der Neuzugang dann aber allein durch einen plumpen Schwalbenversuch in Hamburg auf, für den er während der restlichen Partie konsequent ausgepfiffen wurde.

Hoffnung Außenbahnen: Die Augsburger Spielidee klingt prinzipiell modern – aggressive Ballleroberung, gefolgt von schnellem Umschaltspiel. Viel soll dabei über außen gehen. Mit Marcel Heller aus Darmstadt verpflichtete man daher bewusst einen pfeilschnellen Außenbahnspieler. Hoffnungen macht man sich auch dahingehend, dass Jonathan Schmid wieder zu der Form zurückfindet, die ihn in Freiburg stark machte. Nach eigenem Bekunden kam Schmid mit der Rolle, die ihm der frühere Trainer Dirk Schuster zugedacht hatte, schlecht zurecht. So richtig aufgeblüht ist er unter Manfred Baum aber auch noch nicht. Bleibt Caiuby: In den Jahren zuvor feste Augsburger Größe, kam der Brasilianer in der letzten Saison nur auf fünf Einsätze. Auch aus Hamburg kehrte er angeschlagen zurück, Einsatz am Samstag offen.

Unter dem Strich gibt es aus Gladbacher Sicht also gute Gründe, mit einigem Optimismus nach Augsburg zu fahren, zumal nach einem insgesamt überzeugend gewonnenen Derby zum Auftakt. Allerdings: In Augsburg tun sich die Borussen traditionell schwer. Von den sechs Spielen dort verlor die Borussia die Hälfte und gewann keines. Und das Last Minute-Remis in der letzten Spielzeit muss man ehrlicherweise als ziemlich glücklich bezeichnen. Die Augsburger pflegen eine Spielweise, wie sie den Gladbachern oft nicht behagte: körperbetont, aggressiv bisweilen an der Grenze des Erlaubten, mit hoher Laufbereitschaft und defensivbetonter taktischer Ausrichtung. Die Borussen werden sich am Samstag beherzt einer robusten Zweikampführung erwehren und selbst das Spiel machen müssen. Solche Partien haben sich in der Vergangenheit oft als zähe Angelegenheit erwiesen, nicht immer mit glücklichem Ausgang. Und wenn es dumm läuft, trifft eben wieder Martin Hinteregger. Einen Spielertyp wie Raul Bobadilla hätte man so gesehen ganz gut gebrauchen können. Aber der darf ja, wie in den letzten Tagen ausführlich berichtet, gegen seinen alten Club nur zuschauen. Immerhin macht Dennis Zakarias‘ Hoffnung auf die richtige Einstellung. Mag die eine oder andere Lobeshymne auch übereuphorisch ausgefallen sein, eine hundertprozentige Erfolgsquote im Passspiel sind ebenso beeindruckend wie Balllbehauptung und körperliche Präsenz des Neuzugangs. Bemerkenswert zudem, wie klar er sich nach der (diskutablen) gelben Karte im Griff hatte. Auch gegen Köln allerdings suchten die Borussen nach der Effizienz im Abschluss. Zwar auf ganz anderem Niveau als der FC Augsburg in Hamburg, aber sie suchten. Um das zu erwartende Geduldsspiel am Samstag abzukürzen, sollte man schneller fündig werden.

 

 Aufstellungen:

FC Augsburg: Hitz –Framberger, Gouweleeuw, Hinteregger, Max – Koo, Baier – Schmid, Gregoritsch, Heller – Finnbogason.

Borussia Mönchengladbach: Sommer – Elvedi, Ginter, Vestergaard, Wendt – Kramer, Zakaria – Traoré, Hazard – Stindl, Raffael.

Schiedsrichter: Sascha Stegemann.
Assistenten: Christian Fischer, Mike Pickel.
Vierter Offizieller: Tobias Reichel.
Video-Assistent: Tobias Weltz.

 

SEITENWAHL-Meinung:

Christian Spoo: Wann soll man in der Fuggerpuppenkistenstadt gewinnen, wenn nicht jetzt? Bobadilla-Klausel hin, Angstgegner her, Borussia siegt mit 2:0.

Michael Heinen: Borussia startet optimal in die Saison. In Augsburg gibt es auch ohne Bobadilla endlich mal einen 2:1-Sieg.

Thomas Häcki: Auch in diesem Anlauf wird die Borussia keinen Sieg einfahren. Das 0:0 ist allerdings hoch verdient.

Claus-Dieter Mayer: Nach dem zweiten Spieltag wird das Thema Chancenverwertung weiter heiß diskutiert werden. Immerhin steht hinten weiter die Null, so dass man zumindest einen Punkt bei wacker kämpfenden, aber doch eher harmlosen Augsburgern holt.