Eigentlich könnte man im Zeitfenster zwischen dem Spiel gegen den aktuellen Tabellenzweiten der Bundesliga und dem Rückspiel gegen den AC Florenz mehrere Artikel schreiben – so viele Aspekte gäbe es zu diskutieren. Die immer wieder hochkochenden Gerüchte um Max Eberl bewusst ausklammernd wären da: Lehren aus dem Spiel gegen „Rasenballsport“; Ultras und die Frage, wie ein sinnvoller Protest aussehen kann; schließlich die Aussichten, trotz der Hinspielniederlage gegen Florenz doch noch das Achtelfinale der Europa League zu erreichen.  

Welche Erkenntnisse ergeben sich aus dem Spiel gegen das Dosenmarketingvehikel? Wenig Neues. Borussia tut sich in den letzten Jahren kontinuierlich schwer gegen Mannschaften, die hoch pressen, wenig geordneten Spielaufbau zulassen, körperbetont, nicklig und immer die Grenzen des Erlaubten auslotend agieren.

In solchen Spielen, in denen man sich den Gegner nicht durch gepflegtes Kombinationsspiel „zurechtlegen“ kann und mangels verfügbarer Räume auch nicht über Konter zum Erfolg kommt, treten einige Defizite überdurchschnittlich zutage: Borussia verfügt über keinen Strafraumstürmer und ist deshalb bei eigenem Ballbesitz oft nicht in der Lage, Gefahr im Strafraum des Gegners zu organisieren. Borussia hat nach dem Abgang von Havard Nordtveit und Granit Xhaka keine Spieler mehr in ihren Reihen, die auch mal aus der zweiten Reihe aufs Tor schießen.  Borussia strahlt bei Standardsituationen kaum Torgefahr aus. Der Anschlusstreffer nach der eigentlich einzigen ordentlich getretenen Ecke war die rühmliche Ausnahme, ansonsten sind die entweder halbhoch oder ohne jegliche Schärfe getretenen Eckbälle und Freistöße ein echtes Ärgernis. Zuguterletzt: Filip Daems fehlt als Elfmeterschütze.

Wechseln wir die Perspektive und schauen auf die Zuschauerränge:  Kontinuierlicher Protest gegen das abgehobene Agieren der Verbände im Allgemeinen und gegen das Geschäftsmodell „Fußball als Dosenmarketing“ im Besonderen ist ohne Zweifel wichtig. Damit dieser Protest wirken kann, muss er aber erstens originell sein, zweitens ohne Gewaltverherrlichung auskommen und drittens zielgerichtet sein. Alles das war am Sonntag in Mönchengladbach nicht der Fall. Wer kommt auf die verrückte Idee, aus Protest gegen den Gegner die eigene Mannschaft mit 19 Minuten Schweigen zu bestrafen? Geht es nicht in die Hirne der Protestierer, dass sich alle Aufmerksamkeit auf das Steine-Plakat und auf das Anti-Königs-Plakat richten wird und dass dies niemanden zu einer Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines Konstruktes wie „Rasenballsport“ anregt, ja dass es letztlich dieses Konstrukt sogar stärkt, wenn sich dessen Protagonisten in ihrer Mischung aus Arroganz gegenüber den angeblich unzeitgemäßen, weil ineffizienten Traditionsvereinen und dem steten Betonen einer Opferrolle gegenüber deren angeblich so gefährlich gewaltbereiten Fans einrichten können?

Hoffen wir, dass sich die Fans von Borussia in Florenz wieder von der Seite zeigen, wie man das aus Rom, Zürich, Bern, Manchester und Barcelona in bester Erinnerung hat.

Das Team ist aufgrund des Hinspielergebnisses zunächst einmal Außenseiter, jedoch auf keinen Fall chancenlos. Florenz hat am Wochenende auswärts gegen den AC Mailand mit 1:2 verloren, kann also auch kein Erfolgserlebnis verbuchen. Die Mannschaft gilt als sehr heimstark, hat in dieser Saison zum Beispiel noch kein Heimspiel verloren. Zu erwarten ist wohl eine Spielweise ähnlich dem, was man in Mönchengladbach in der zweiten Halbzeit sehen konnte: Die Italiener werden aus einer sicheren Defensive agieren und offensiv vereinzelt Nadelstiche zu setzen versuchen. Für Borussia wird es darauf ankommen, einerseits offensiv zu spielen, Torchancen zu erarbeiten und diese endlich auch einmal zu nutzen, andererseits aber auch die Geduld aufzubringen, auf diese Chancen zu warten und in jedem Fall nicht in irgendwelche Konter des Gegners zu laufen. Gelingt dies, kann man noch einiges erreichen. Personell entspannt sich die Lage insoweit, als Raffael wieder mit von der Partie sein wird, ob von Anfang an oder zunächst auf der Bank, wird man sehen. Seine Fähigkeit, gegnerische Abwehrreihen geradezu zu filetieren, wird jedenfalls dringend benötigt.

 

Denkbare Aufstellungen

Borussia: Sommer - Jantschke, Christensen, Vestergaard, Wendt - Kramer, Dahoud - Herrmann, Johnson - Raffael, Stindl

AC Florenz: Tatarusanu - Sanchez, Gonzalo Rodriguez, Astori - Chiesa, Vecino, Badelj, Maxi Olivera - Borja Valero, Bernardeschi – Kalinic

 

Der Seitenwahl-Tipp:

Uwe Pirl: Was in Kiew beinahe gelungen wäre, geht auch in Florenz. Deshalb bleibe ich Optimist: Borussia gewinnt 2:1 und kommt weiter.  

Michael Heinen: Das Wunder von Florenz bleibt aus. Borussia verliert auch das Rückspiel nach hartem Kampf mit 1:2 und scheidet somit aus.

Christian Spoo: Borussia kämpft, spielt ordentlich, trifft aber leider nicht häufig genug. Das 1:1 ist gleichbedeutend mit dem Aus in Europa. Hoffentlich nicht für allzu lange Zeit.