Es ist nicht ganz so einfach, im Ostteil der Republik gegen das Projekt Rasenballsport zu sein. „Wie, gehörst du etwa auch zu diesen komischen Leipzig-Kritikern?“ bekommt man zu hören, wenn man einen Punkteverlust des Brause-Clubs mit einem süffisanten Lächeln begleitet. Gerne werden dann die Beispiele Wolfsburg und Leverkusen als moralische Begründung hervor gerufen. Als ob es Sinn macht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Gibt man dies zu bedenken, erntet man nur ein Schulterzucken. „Na ja, Fußball ist eben nur Kommerz“. Ja und Nein. Die herausragende Rolle der Kommerzialisierung im modernen Fußball ist nicht zu leugnen. Die Schere zwischen finanzstarken und finanzschwachen Vereinen ist in den letzten Jahren dramatisch auseinander gedriftet und spiegelt sich in sportlichen Dominanzstellungen wider. Und doch ist es ein gewaltiger Unterschied, ob sich der Fußball des Kommerz bedient um diese Stellung weiter auszubauen oder ob sich der Kommerz des Fußballs bedient, um seine Produkte zu platzieren.

Man kann den Hunger nach Bundesligafußball in seiner Nähe ja verstehen. Kaum einer der ehemaligen Traditionsclubs aus dem Osten spielt derzeit eine Rolle und wurde aufgrund der fehlenden Finanzkraft in der Entwicklung abgehängt. Allenfalls der ehemalige Underdog Union Berlin und Zweitliga-Aufsteiger Dynamo Dresden halten derzeit die Fahne hoch. Erzgebirge Aue ist Tabellenletzter, der Rest ist in den Niederungen der dritten Liga verschwunden – oder eben noch tiefer. Gerne präsentieren sich daher die Macher von RB daher als Retter der Region Ost und finden dankbare Gläubige. Das man vorher allerdings erst im Westen anklopfte, um sein Projekt zu verwirklichen und Leipzig nach zunehmendem Widerstand nur dritte Wahl war, wird hingegen gerne unter den Teppich gekehrt. Es sind also weniger der Aufbau Ost, als mehr knallharte geschäftliche Interessen, die den österreichischen Konzern zu seinem Engagement bewegen. Dazu passt auch die Nachricht dieser Woche, dass man zum Saisonende seine U23-Mannschaft zurückziehen würde. "Der personelle und logistische Aufwand steht nicht mehr im Verhältnis zum Ertrag", sagte Rangnick als Begründung. Das klingt logisch. Wozu sollte man ein Nachwuchsteam unterhalten, wenn man talentierte Jugendspieler problemlos zur österreichischen Tochter transferieren kann? RB treibt die Globalisierung des Fußballs weiter voran.

Sich gegen dieses Vorgehen auszusprechen ist somit verständlich und auch legitim. Vermutlich würde der Widerspruch die Verantwortlichen bei Red Bull eher kalt lassen, es sei denn er spiegelt sich in den Absatzzahlen ihres Getränks wieder. Keinesfalls darf der Protest aber solche Formen annehmen, wie vor einer Woche in Dortmund. Gewalt kann nie eine akzeptable Form von Meinungsäußerung sein. Wer Raketen auf friedliche Menschen feuert, ist ein Chaot und ein Fall für die Strafverfolgung. Denjenigen, die sich kritisch mit RB beschäftigen, haben diese Chaoten einen Bärendienst erwiesen. Das Spiel bei der guten Borussia wird daher unter besonderer Beobachtung stehen. Große Sorgen wird man sich nicht machen müssen, gelten Borussias Anhänger doch eher zu den gemäßigten Fans, für die das Spiel und nicht die Selbstbeweihräucherung im Vordergrund steht. Überhaupt hat sich die Stimmung im Rheinland nach den letzten Ergebnissen deutlich entspannt. Die Mannschaft mache einen guten Job lobt Dieter Hecking und Max Eberl findet, dass das gemeinsame Verteidigen schon richtig gut klappt. So schnell kann Fußball gehen. Adieu tristesse, willkommen Zuversicht.

Überhaupt haben sich die Vorzeichen seit dem letzten Aufeinandertreffen ins Gegenteil verkehrt. In Leipzig traf ein hoch gehandelter, aber zuletzt strauchelnder Champions League Teilnehmer auf die Mannschaft der Stunde. Das 1:1 war aus Gladbacher Sicht glücklich, wenn auch nicht unverdient. Diesmal kommt die Mannschaft der Stunde vom Niederrhein, während der neue Champions League-Anwärter zuletzt strauchelte und auf die ebenfalls nicht überzeugenden Bayern deutlich an Boden verlor. Die letzten drei Auswärtsspiele wurden allesamt verloren, ein Tor wollte den Sachsen nicht gelingen. Die Borussia hingegen, man möchte es kaum glauben, bestach zuletzt durch eine gute Defensive. Natürlich sind Wackler dabei und besonders Vestergaard wirkt wie ein stetiger Unsicherheitsfaktor. Insgesamt hat sich das Defensivverhalten aber deutlich verbessert. Aus dem Spiel heraus ist die Borussia derzeit schwer zu bezwingen. Das sah vor zwei Monaten noch ganz anders aus, von der Vorbereitung ganz zu schweigen. Einen Favorit gibt es am Sonntag nicht, die Aussicht auf ein attraktives Spiel allemal. Auch ohne Proteste.

Borussia: Sommer – Jantschke, Christensen, Vestergaard, Wendt –Kramer, Dahoud – Johnson, Herrmann - Hazard - Stindl

RB: Gulacsi - Bernardo, Upamecano, Compper, Halstenberg - Demme, Keita - Sabitzer, Forsberg - Ti. Werner, Selke

TIPPS:

Thomas Häcki: Red Bull verleiht Flügel. Allerdings der Borussia die mit 4:1 dem Marketing-Club seine Grenzen aufzeigt. In Dortmund registriert man beschämt, dass man sich auch ohne Krawall dem ungeliebten Projekt entledigen kann.

Uwe Pirl: Ungeachtet des unglücklichen Spielverlaufs gegen Florenz. Die SG Salzburg-Markranstädt ist bei rationaler Betrachtung nicht mehr als ein teurer Haufen von Mittelklassefussballern, der von der Euphorie gelebt hat. Hoffenheim im Aufstiegsjahr 2.0. Deshalb sind sie auch schlagbar. Borussia gewinnt 3:1.

Michael Heinen: Der Lauf der Fohlen wurde am Donnerstag höchst unglücklich gebremst. Gegen RB wird es trotz guten Spiels auch "nur" zu einem 1:1 reichen.

Christian Spoo: Nach dem Slapstick im Florentiner Strafraum ist die Unsicherheit zurück - mit fatalen Folgen. Stindl und Co verdaddeln auch im Strafraum derer, die keiner haben will, diverse Großchancen. Am Ende steht eine schmerzhafte 1:2-Heimniederlage.