Als die Vorrunde zur Champions League 2016/17 ausgelost wurde, gab es etwas gemischte Emotionen. In die Freude darüber, auf die Supportegende aus Glasgow und zwei der stärksten Teams Europas zu treffen mixte sich die Befürchtung, was die stärksten Mannschaften Europas mit einer der weniger starken Mannschaften anfangen können. Nach fünf Spieltagen kann man durchaus sagen, dass Borussia Mönchengladbach sich ordentlich geschlagen hat. Die Befürchtung vor dem sechsten ist erneut, dass es danach vielleicht weniger schön aussieht.

Borussia Mönchengladbach ist aktuell in keiner guten Verfassung. Die einstige Mixtur aus Heimsiegen und Auswärts-Punktverlusten-Meistniederlagen wurde nicht dahingehend behoben, dass von den Auswärtstouren gelegentlich mehr Punkte mitgebracht wurden. Stattdessen hat die eindrucksvolle Heimbilanz der letzten Jahre ein abruptes Ende gefunden mit nun fünf sieglosen Spielen in einer Reihe, Derbypleite inbegriffen.

Die Art und Weise, wie die jeweiligen Heimspiele nicht gewonnen werden, erreicht dabei so langsam eine ähnliche Vielfalt wie die unterschiedlichen Gründe für Auswärtsniederlagen. Gegen Hamburg reichten bei bescheidenem Spiel gegen die Lachnummer der Liga zwei Elfmeter nicht zum Sieg, gegen Köln und Hoffenheim wurde zumindest zeitweise guter Fußball geboten und noch die größten Chancen versiebt. Das Spiel gegen Manchester City war erst recht aller Ehren wert; es will aber einfach nicht gelingen, die spielerische Stärke der Mannschaft ein ganzes Spiel lang auf den Platz zu bringen und dann aus den zahlreichen Chancen gelegentlich ein Tor zu machen.

Auswärts wiederum gleiten die Verhältnisse langsam ins desaströse ab. Ein Punkt aus sechs Spielen erinnert an düstere und doch noch nicht so ganz lange vergangenen Zeiten. Die fast schon gewohntsmäßige Ohrfeige in Dortmund gerade falsch vor einem Auswärtsspiel, vor dem fast jede Mannschaft des Planeten noch mal tief durchatmet. Wenn Reus, Aubameyang und Dembele durch die Gladbacher Abwehr tanzen, was richten dann Messi, Suarez und Neymar an? Letzterer ist immerhin wie Rakitic und auch Stindl für das "Freundschaftsspiel" zum Vorrundenausklang gesperrt.

Kurz gesagt, Borussia befindet sich in einer veritablen Krise. Spiele wehren sich auf alle erdenkliche Weisen dagegen, gewonnen zu werden und das spielerische Potential der Mannschaft versandet nach und nach unter dem Druck, Ergebnisse abliefern zu müssen. Bei der Frage, woran es liegt, wird die Antwort zusehends offener beim Trainer gesucht. Einerseits ist das irgendwann die unvermeidliche Reaktion, andererseits kann die Lösung nicht so leicht sein bei einem, der die Mannschaft nach fünf Niederlagen am Ende auf Platz vier geführt hat und zudem mit mutigem und offensivem Fußball bestochen hat. Bedauerlich, dass Andre Schubert in dieser Lage nach außen hin nicht viel mehr zu bieten hat als die üblichen Parolen.

Neben der Frage nach dem Trainer verdichtet sich die Diskussion langsam um fehlende "Führungsspieler". Soll heißen, die Abgänge von Stranzl und Xhaka wurden nicht völlig kompensiert. Und da ist sicher was dran. Jannik Vestergaard ist zwar ein furchtloser Zweikämpfer und starker Verteidiger, aber er ist - noch - kein Abwehrorganisator. Keiner, der die Leute in der hintersten Linie richtig stellt, die Kommandos gibt, die Mitspieler auf ihre Position schickt. Das Gemeinschaftsunternehmen Abwehr profitiert aber ungemein von einem Dirigenten; darüber wird man sich wohl auch bei Borussias Denkern und Entscheidern langsam klar werden. Ebenso wie in der Erkenntnis, dass Christoph Kramer -noch?- nicht in der Lage ist, seine Mitspieler anzutreiben und mitzureißen, wie Granit Xhaka es war. Diese Kritik muss zwar arg relativ bleiben, weil solche Spielertypen rar gesät sind und Xhaka selber zwei Jahre  Anlauf braucht, um in die Rolle zu wachsen, aber die Lücke ist nun mal da.

Noch bedauerlicher als sowieso schon ist, dass diese Entwicklung ins Rollen kommt kurz vor dem ersten Spiel der Vereinsgeschichte beim FC Barcelona. Zwar hat die katalonische Welt auch schon besser ausgesehen als mit sechs Punkten Rückstand auf Real Madrid, aber inzwischen sind sowohl Messi als auch Iniesta wieder im Spielbetrieb und komplettieren eine Mannschaft, die sich nur bei wenigen Gegnern weltweit Gedanken um den Ausgang des Spiels machen muss. Und nicht bei markant auswärtsschwachen Truppen.

Es fällt richtig schwer, nicht rumzuunken vor so einer Partie. Anlass zur Hoffnung gäbe vielleicht.... hm, echt schwer. Na gut, jetzt probieren wir einfach irgendwas: Meistens geht es doch nicht so schlecht aus wie vorher befürchtet, man erinnere sich an das Spiel in München. (Man erinnere sich NICHT an das Spiel in Dortmund.) Und Barça war zuletzt auch nicht in Topform, hat zudem das Spiel gegen Real gerade hinter sich. ....nicht gut? Einen haben wir noch: Vor etwas über vier Jahren bestritt Barcelona ein Spiel in der Champions League, in dem die Katalanen über 90 Minuten erdrückend überlegen waren. Sie hatten ihre Stars am Start, damals noch mit Xavi und Sanchez. Sie hatten über 90 % Ballbesitz im Spiel, in der zweiten Halbzeit kamen sie legendär nahe an 100 %, wäre da nicht die eine Szene gewesen, in der Anthony Watt auf und davon läuft und zum 2:0 für seinen Club trifft. Am Ende verliert Barcelona mit 2:1. Watt spielte damals für Celtic Glasgow. Und was die können, können wir schon lange.

Aufstellungen:

Borussia: Sommer - Korb, Jantschke, Christensen, Wendt, Elvedi; Kramer, Strobl, Dahoud; Raffael, Hazard

Barça: ter Stegen - Sergi Roberto, Piqué, Mascherano, Jordi Alba; Busquets, Gomes, Iniesta; Messi, Suarez, Alcacer

SEITENWAHL-Tipps:

Michael Heinen: Da keiner weiß, wer mit welcher Motivation spielen darf, fällt eine Prognose besonders schwer. Es ist aber zu erwarten, dass es eine weitere Auswärtsniederlage geben wird, die mit 0:3 sogar erneut heftig ausfallen wird.

Claus-Dieter Mayer: Die C-Mannschaft von Barcelona ist der B-Mannschaft von Borussia in deren jetzigem Zustand leider immer noch klar überlegen und mit dem 0:2 kann Gladbach am Ende noch ganz zufrieden sein.

Christian Spoo: Barcelona spielt mit B-Elf und angezogener Handbremse. So fällt die Niederlage für Borussia nicht allzu debakulös aus.

Christian Heimanns: 0:3 und auch das nur, wenn die Ordnung nicht komplett verloren geht und das erste Gegentor nicht zu früh fällt. Vielleicht kann ja noch jemand ein paar Seiten von Football Leaks in die gegnerische Kabine legen.

Thomas Häcki: Das 1:4 ist natürlich kein Beinbruch. Das Achselzucken, mit dem es hingenommen wird ist hingegend entmutigend.