Im Dezember 2007 war die Welt in Ordnung für die Fans von Borussia Mönchengladbach. Kurz vor Weihnachten surfte das Team auf einer Welle des Erfolgs. Unangefochten stand man auf dem ersten Tabellenplatz und gerade hatte man beim Angstgegner SC Freiburg etwas Unerhörtes geschafft: Gewonnen! 3:1 ging die Partie im damaligen Dreisamstadion aus, für Borussia trafen Rob Friend und zweimal Sascha Rösler – und spätestens jetzt ist klar, wo der Haken bei der Sache ist: Wir sprechen hier über die zweite Liga. In Mönchengladbach ist das gedanklich so weit weg, wie es nur sein kann. Knapp neun Jahre später ist Borussia Dauergast im internationalen Geschäft, spielt zum zweiten Mal in Folge Champions League und ist vielversprechend in die neue Spielzeit gestartet. Nur eins bleibt bis dato: Freiburg ein Angstgegner.

Der Sieg im Zweitliga-Spitzenspiel ist der letzte, den Borussia in Freiburg landen konnte. Sechs Spiele absolvierten die Gladbacher seither im Breisgau, ein Unentschieden, fünf Niederlagen lautet die ernüchternde Bilanz. Auch vor dem Rösler-Doppelpack war Freiburg immer ein schwieriges Pflaster, einen einzigen weiteren Sieg, 2002 in der Bundesliga, weist die Statistik auf. Nun ist es mit den Serien in jüngerer Vergangenheit zum Glück so, dass Borussia sie gerne beendet. Der Heimfluch gegen Leverkusen wurde mit drei Siegen in Serie in Vergessenheit geschossen. Vor Hoffenheim macht sich schon lange kein Borusse mehr ins Hemd. Und das letzte Auswärtsspiel in Köln ging auch verloren.

Aber auch wenn am Samstag in Freiburg ein Champions-League-Teilnehmer gegen einen Aufsteiger spielt, darf man als Borussen-Fan nicht selbstverständlich von einem Sieg ausgehen. Aberglaube und das Gesetz der Serie beiseite gelassen, hat Freiburg eine Mannschaft mit dem unbedingten Potenzial, es dem Gast vom Niederrhein schwer zu machen. Das Team von Christian Streich ist nicht nur, wie in Freiburg Usus, spielstark, sondern auch durchaus mit kämpferischen Qualitäten ausgestattet. Nach der souveränen Zweitligameisterschaft hat kein Leistungsträger den Verein verlassen, zudem hat sich der SC mit erfahrenen Spielern wie Georg Niedermayer und Aleksandar Ignjovski verstärkt und außerdem mit Jannik Haberer einen umworbenen Hoffnungsträger verpflichtet.

Zum Saisonauftakt in Berlin enttäuschte der SC Freiburg allenfalls diejenigen, die ein spielerisches Feuerwerk erwartet hatten. Im Spiel bei der Hertha konzentrierte sich das Team weitgehend aufs sichere Stehen, nach vorne beließ man es bei gelegentlichen Kontern. Die 1:2-Niederlage war dennoch unglücklich, denn Freiburg hatte in der 90. Minute ausgeglichen, in der Nachspielzeit gelang Berlin dann noch der Siegtreffer.

Personell kann Christian Streich am Samstag nicht ganz aus dem Vollen schöpfen. Innenverteidiger Marc-Oliver Kempf fehlt noch länger verletzt, Neuzugang Lukas Kübler, Verteidiger Marc Torrejon und der norwegische Nationalspieler Havard Nielsen sind ebenfalls verletzungsbedingt noch nicht einsatzfähig. Trotzdem konnte Streich es sich zuletzt leisten, den einzigen Spieler, den man mit gutem Willen „Star“ nennen könnte, auf der Bank zu lassen. Nils Petersen ist nach dem Olympischen Fußballturnier noch nicht ganz auf der Höhe seiner Kraft.

Dass Streichs Gladbacher Kollege André Schubert es sich leisten kann, jede Menge Spieler, die man definitiv als „Stars“ bezeichnen kann, auf die Bank zu setzen, ist inzwischen bundesweit bekannt und das Boulevard überbietet sich bereits mit Spekulationen, welcher Spieler als erster aufmuckt und (am besten via Boulevard) mehr Einsatzzeiten für sich reklamiert. Die Zeiten in Gladbach scheinen aber nicht danach zu sein, die Mannschaft ist intakt, die Rotation wird ohne Murren akzeptiert, zumal jede Spieler seine Minuten bekommen wird, solange Borussia in drei Wettbewerben unterwegs ist.

Entsprechend schwierig ist es, vorherzusehen, wem Schubert in Freiburg von Beginn an das Vertrauen schenken wird. Einiges spricht für Fabian Johnson, der nach seiner Einwechselung beim Heimsieg gegen Leverkusen ein belebendes Element war. Allerdings war der Deutsch-Amerikaner unter der Woche für die US-Nationalmannschaft im Einsatz, lange Reise inklusive. Was die Aufstellung im defensiven Mittelfeld angeht, deuten Schuberts Einlassungen auf der Pressekonferenz zum Spiel auf ein Festhalten an der Kombination Strobl/Kramer hin. Den Ex-Hoffenheimer lobte Schubert ausdrücklich und völlig zurecht für die Leistung, die er in den bisherigen Partien gezeigt hat. Mo Dahoud scheint Schubert zur Zeit nicht auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit zu sehen. Auch vorne hat Schubert wieder die freie Auswahl – ob nun Traoré spielt oder Herrmann, ob Hahn stürmt oder Hazard, einen Qualitätsverlust bedeutet keine dieser Optionen. Und der Trainer hat immer die Möglichkeit, mit Wechseln wirklich etwas zu bewegen.

So hat die Mannschaft selbstverständlich das Potenzial, die schwarze Serie in Freiburg zu beenden. Ein Selbstläufer wird das freilich nicht. Aber die Mannschaft ist so erwachsen, dass die das auch selber wissen dürfte und das Spiel so konzentriert angehen wird, wie es sich gehört. Manchester City ist noch weit weg.  

Mögliche Aufstellung

Freiburg: Schwolow – Ignjowski, Gulde, Höfler, Söyüncü, Günter – Frantz, Abrashi, Grifo – Philipp, Niederlechner

Borussia: Sommer – Elvedi, Christensen, Jantschke – Strobl, Kramer –Johnson, Wendt – Stindl, Raffael, Hazard

Seitenwahl-Prognose

Christian Spoo: Die Serie reißt nicht. Borussia spielt nicht schlecht, Freiburg lässt die Gladbacher Offensive aber nicht zum Entfalten kommen. Am Ende steht ein leicht enttäuschendes 1:1.

Michael Heinen: Borussia ist inzwischen eine Spitzenmannschaft, für die Spiele wie im Breisgau zu Pflichtaufgaben gehören. Es wird zwar nicht leicht, aber am Ende wird ein 2:1-Auswärtssieg bejubelt.

Christoph Clausen: Traditionell unangenehmer Gegner, Form starke Borussia. Ergibt ein enges Spiel und Erleichterung nach einem umkämpften 1:0-Erfolg

Volkhard Patten: Im Breisgau haben wir immer schlecht ausgesehen. Aber das hat nun ein Ende. Wir siegen im Stile einer Spitzenmannschaft mit 3:1.

Thomas Häcki: Schwääär. Freiburg kommt mit dem Rückenwind des Aufsteigers und ist nicht schlechter als so mancher Etablierter. Die Borussia hat einen starken Start hingelegt... 2:1 für den Gast vom Niederrhein. Mit Glück aber.

Claus-Dieter Mayer: Wie meist ist es lange Zeit ein knappes Spiel im Breisgau, aber diesmal lässt sich die Borussia nicht irritieren, macht im richtigen Moment die Tore und holt ohne zu glänzen einen letztendlich nicht unverdienten 2:0-Sieg.

Christian Heimanns: Auswärts bei Aufsteigers ist zu Beginn der Saison gewöhnlich kein Freundschaftsbesuch. Die Streicher müssen sich aber noch durch Personalprobleme kämpfen und stellen sich zudem üblicherweise nicht mit 10 Mann und Zeugwart vor das eigene Tor, so dass die Borussen, wenn sie clever genug sind, hier zu einem 2:1 Sieg kommen können.