Kaum war der Schlusspfiff ertönt, grinsten alle um die Wette. André Schubert grinste. Natürlich, denn die Mannschaft des zuletzt deutlich in die Kritik geratenen Cheftrainers hatte an diesem Abend eine Gala-Vorstellung abgeliefert. So ungefähr dürfte er sich die Umsetzung seiner Ideen vorgestellt haben. Patrick Herrmann schien zu Tränen gerührt. Nach langer Leidenszeit geriet seine Rückkehr in den Borussen-Park zu einem Bilderbuch-Comeback als er nach nur 32 Sekunden erfolgreich war. Nicht zu vergessen ist Thorgan Hazard, der an diesem Abend zeigte, warum man ihn für viel Geld vom FC Chelsea losgeeist hat. Nur Kevin Großkreutz grinste nicht. Der Wahl-Stuttgarter mit dem Hang zum lockeren Mundwerk krönte einen demütigenden Abend mit einem Eigentor. Macht nichts, nicht wenige im Stadion nahmen ihm das Grinsen gerne ab. Von einem Befreiungsschlag war vielerorts die Rede, schließlich waren die Auftritte der Borussia seit dem Ausklingen der Siegesserie eher mau gewesen. Der Auftritt gegen die zuletzt auftrumpfenden Schwaben ließ hingegen keine Wünsche offen.

Dumm nur, dass man exakt das Gleiche auch für den nächsten Gegner schreiben könnte. Einen einzigen Sieg konnten die Niedersachsen zuvor aus zehn Bundesligapartien verzeichnen. Spieltag für Spieltag trudelte der Vize-Meister immer tiefer in Richtung Mittelmaß. Gegen Hannover gelang eine Gala-Vorstellung. Bezeichnenderweise mit dem gleichen Ergebnis und gegen ausgerechnet den Gegner, der zuletzt beim VfB Stuttgart auftrumpfte und auf eine Wende gehofft hatte. Auch Wolfsburg hatte dabei seinen Helden. André Schürrle erzielte einen Dreierpack und zeigte, warum ihn der Werksverein für viel Geld vom FC Chelsea losgeeist hat. Wie befreiend dieses Erlebnis für den Weltmeister wirklich war, dürfte sich allerdings erst zeigen. Bislang war seine Bilanz mit 2 Treffern in 33 Spielen für Wolfsburg eher dürftig ausgefallen, so dass er zu Recht als teuerstes Missverständnis der Bundesligageschichte gehandelt wurde. Auch wenn der Sieg beim desolaten Tabellenletzten nicht unbedingt überraschend war – beeindruckend war er dennoch. Und so redeten auch in Wolfsburg nicht wenige von einem Befreiungsschlag. Es ist fast unheimlich, wie sich die Bilder gleichen.

Welche Wende ist nun die stärkere? Bereits am kommenden Samstag können beide Teams diese Frage im direkten Aufeinandertreffen klären. Von Gladbacher Seite könnte man sicherlich gut mit einer Punkteteilung leben, hielte man doch den Konkurrenten um die Europapokalplätze weiterhin mit fünf komfortablen Punkten auf Abstand. Wolfsburg ist in Zugzwang, zumal dieses 6-Punkte-Spiel im heimischen Stadion stattfindet. Die Statistik spricht dabei klar für die Niedersachsen, schließlich liegt der letzte Sieg der Rheinländer nun schon über 12 Jahre zurück. Na und? Der letzte Heimerfolg gegen Stuttgart gelang auch vor fast 11 Jahren. Wahre Befreiungsschläge reißen Schranken ein, das ist ganz natürlich. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es immens wichtig die Balance zwischen Defensive und Offensive auch in Wolfsburg zu finden. André Schubert hat Recht, wenn er die Qualitäten des Kaders eher in der Offensive sieht. Allerdings ist die Offensive bekanntlich nicht das Problem des Tabellen-Vierten, der die drittmeisten Tore, aber eben auch die drittmeisten Gegentore zu verzeichnen hat.

Ganz klar, rein vom Papier gehen die Wölfe schon aufgrund des Heimvorteils als Favoriten in die Partie. Überhaupt bestechen beide Teams eher mit ihrer Heimstärke, während sie auswärts bislang auf dem Niveau von Hannover 96 agieren. Auf der anderen Seite trifft aber auch eine der offensivstärksten Heimmannschaften auf eines der angriffslustigsten Auswärtsteams. Spektakel ist als fast schon garantiert. Dass es aber auch ohne defensives Harakiri möglich ist, hat Schuberts Elf am letzten Mittwoch bewiesen. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch am Wochenende gelingt. Erst dann war das Schwabenhäppchen auch der erhoffte Befreiungsschlag auf dem Weg nach Europa. Verzichten muss die Borussia dabei auf Wendt, dessen Verletzung sich als Muskelfaserriss herausstellte. Die Sorgen in der Defensive werden dabei nach Jantschke, Stranzl, Dominguez und Schulz nicht kleiner. Ersetzen wird ihn Hinteregger, der gegen Stuttgart auf der linken Seite zu gefallen wusste. Möglich dass er aus der Not eine Tugend macht und zur besseren Balance beiträgt.

Wolfsburg: Casteels - Träsch, Knoche, Dante, Rodriguez - Gustavo - Guilavogui, Arnold - Draxler - Schürrle, Kruse

Borussia: Sommer - Elvedi, Christensen, Nordtveit, Hinteregger - Dahoud, Xhaka - Johnson, Hazard, Stindl - Raffael

SEITENWAHL-Tipps:

Thomas Häcki: Spektakel ja, aber die Borussia nimmt sich die befürchteten defensiven Auszeiten. Der Befreiungsschlag bleibt aus und Wolfsburg siegt mit 3:1.

Michael Heinen: Nachdem Borussia die schwarze Serie der Heimspiele gegen Stuttgart gebrochen hat, kann sie schon wenige Tage später die noch schwärzere Serie auswärts in Wolfsburg brechen. Dies wird trotz engagiertem Kampf leider nicht gelingen. Borussia verliert mit 1:2.

Christian Heimanns: Der Ausfall unseres 1b-Linksaußens Wendt ist schon eine Schwächung. Trotzdem reicht es, um inmitten  Wolfsburger Rückrufaktionen mit einem 1:1 einen Punkt zu reklamieren.

Christian Spoo: Borussia kann die Leistung vom Mittwoch nicht konservieren und verfällt in alte, unordentliche Muster. Wolfsburg bedankt sich und gewinnt mit 4:1.

Christoph Clausen: Borussia spielt besser und schlechter: besser als in Hamburg und Augsburg, schlechter als gegen Stuttgart. Gegen das ebenfalls licht-schattige Dieselschwindler-Spielzeug ergibt das am Ende ein 1:1.