FC SevillaDas vierte Heimspiel in Folge, doch insbesondere die beiden davor stimmen nur bedingt optimistisch. Gegen Hannover gelang der Borussia dank eines überragenden Keepers, eines wuseligen Traoré und geglückter taktischer Umstellungen zwar der späte Siegtreffer. Die Anzahl der zugelassenen Großchancen macht aber Sorgen, zumal der Gegner, bei allem Respekt, nicht von höchster internationaler Güteklasse war. Sich gegen eine so abgebrühte Mannschaft wie den amtierenden Europa League-Sieger erneut auf gegnerische Abschlusschwäche und die Brillanz des eigenen Torwarts zu verlassen, wäre fahrlässig, selbst wenn die Andalusier mit einer 0:2-Niederlage gegen San Sebastian im Gepäck anreisen.

In gewisser Hinsicht war das Spiel eine Woche zuvor schon eine Generalprobe für Sevilla. Denn so wenig der FC Ingolstadt es in Sachen spielerischem Esprit und internationalem Flair mit den Andalusiern aufnehmen kann, so sehr mühten sich die Oberbayern doch, wenigstens auf dem Feld der Provokation und Schauspielerei gleichzuziehen. Ob professionell oder widerlich, sei dahingestellt. Bedenklich war aus Gladbacher Sicht aber, wie sehr man dieser Taktik in die Karten spielte. Es war offensichtlich, dass die Truppe von Ralph Hasenhüttel nicht nur um Granit Xhakas Reizbarkeit wusste, sondern gezielt durch dieses Einfallstor spazieren wollte. Der Schweizer tat ihnen den Gefallen, ließ sich in ständige Scharmützel verwickeln und holte sich am Ende in der Tat den erwarteten Feldverweis ab.

Gegen Sevilla wäre Gleiches ein Déja-Vu. Schon beim Aus in der Europa League in der letzten Saison, als die Borussen den Gegner spielerisch an den Rand einer Niederlage brachten, spielte Xhaka den Spaniern in die Karten. An der Seitenlinie ließ er sich zu einem unnötigen Tritt hinreißen, den der leicht berührte Gegenspieler zum Anlass für eine dramatische Sterbeszene nutzte. Der kroatische Schiedsrichter Strahonja zeigte sich als Freund der großen Oper und würdigte die Einlage mit einem Feldverweis. Man kann nur hoffen, dass sein slowenischer Kollege Skomina von nüchternerer Disposition ist. Sicherer wäre es, Xhaka würde den Unparteiischen gar nicht erst in Gewissensnöte bringen. Und spätestens seit dem Hinspiel weiß man in Gladbach, dass man einem Vitolo im Strafraum besser nur mit einem Meter Abstand begegnet.

Spielerisch ist Xhakas Rückkehr Gold wert. Die überraschenden Spielverlagerungen und brillanten Pässe wurden gegen Hannover schmerzlich vermisst, zumal Raffael trotz seines Tores einen schwächeren Tag hatte und auch Stindl weniger auffällig war als in manchen Spielen zuvor. Nicht immer wird man sich auf Traoré als Alleinunterhalter verlassen können. Positiv stimmte die Einwechslung von Josip Drmic, der in seinen fünfzehn Minuten zumindest die Hoffnung nährte, er könne doch so langsam in Gladbach angekommen sein. Wirkte Drmic bei seinen Einsätzen zuvor noch als Fremdkörper im Borussenspiel, so gewann es diesmal durch ihn neue Dynamik und durch seine auch körperliche Präsenz im Sturmzentrum eine zusätzliche taktische Variante. Ein Einsatz in der Startelf käme wohl zu früh, zumindest für eine erneute Einwechslung sollte der Stürmer sich aber qualifiziert haben.

Wenig Variationsmöglichkeiten bietet die Defensive. In der Innenverteidigung schmerzt der Ausfall von Dominguez immens. Tony Jantschke bot eine schwache Vorstellung und wurde zurecht ausgewechselt. Gegen Sevilla könnte André Schubert Harvard Nordtveit von Beginn an nach hinten ziehen, zumal der Norweger im defensiven Mittelfeld ja dank Xhakas Rückkehr nicht zwingend gebraucht wird. Auf welcher Position auch immer, Nordtveit wird sich wie die gesamte Borussia erheblich steigern müssen, wenn die Borussia sich auch nach dem Jahreswechsel noch auf der europäischen Bühne präsentieren darf.

Aufstellungen:

Borussia Mönchengladbach: Sommer – Korb, Christensen, Nordtveit, Wendt – Xhaka, Dahoud – Traoré, Johnson – Stindl, Raffael.
FC Sevilla: Sergio Rico – Coke, Rami, Kolodziejczak, Tremoulinas – Iborra, Krychowiak – Vitolo, Banega, Konoplyanka – Gameiro.

Schiedsrichter: Damir Skomina
Assistenten: Jure Prapotnik, Robert Vukan
Vierter Offizieller: Manuel Vidali (alle Slowenien).

SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: Die gute Nachricht: Borussia beendet das Spiel zu elft und bekommt keinen Elfmeter gegen sich. Die schlechte: Hinten lässt man erneut zu viel zu, was die Spanier effektiver nutzen als Hannover. Mit einem 0:2 verabschiedet sich die Borussia vorerst von weiteren Europapokal-Träumen.

Michael Heinen: Borussia wird sich gegenüber den letzten Heimspielen steigern müssen, um gegen die unfairen Spanier durchsetzen zu können. Die Schubert-Elf wird überlegen sein und auf den Siegtreffer drängen. Kurz vor Schluss wird sie dann aber von den abgezockten Gästen ausgekontert, so dass es leider eine ärgerliche 1:2-Niederlage gibt.

Christian Spoo: Mit der Leistung vom Samstag wird Borussia gegen Sevilla nicht bestehen können. Wenn das Mitwirken von Granit Xhaka nicht für mehr defensive Stabilität sorgt, wird es nichts mit dem Überwintern im internationalen Geschäft. Borussia investiert viel, bleibt hinten aber anfällig. Das Ergebnis lautet wie beim letzten Zusammentreffen im Borussiapark 2:3.

Thomas Häcki: Die letzten beiden Spiele lassen befürchten, dass die Mannschaft den Belastungen Tribut zollt und der Schubi-Wupp-Schwung seine Dynamik verliert. Um einen Gegner wie Sevilla zu bezwingen müsste die Borussia aber über sich hinauswachsen. Nach dem 2:2 ist Europa faktisch abgehakt. Was bleibt ist der Lerneffekt