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Folgender Dialog entspann sich vor wenigen Tagen zwischen M, einem Kollegen mit Hang zum Hamburger SV und C, SEITENWAHL-Autor.
 HSV
M: „Ich hoffe, gegen Gladbach wird’s besser“.
C: „Ich hoffe nicht“.
M: „Na ja, 0:5 wäre ja schon besser“.
C: „Darauf können wir uns einigen“.

M ist kein in der Wolle gefärbter HSV-Fan, was sich unter anderem darin zeigt, dass er auch dem FC St. Pauli die Daumen drückt. Für HSVler in der fünften Generation, also nach eigenem Selbstverständnis für die einzig echten HSVler, ist das ungefähr so, als würde ein Bayer zugleich für CSU und Linkspartei werben. Auch Ms Fähigkeit zur Selbstironie (man muss sich im Dialog oben das entsprechende Grinsen dazu denken) ist dem Verein fremd.

Hanseaten sagt man ein Faible fürs Understatement nach, der HSV jedoch ist in diesem Sinne unhanseatisch. Hier sieht man von jeher die Champions League als einzig angemessenes Betätigungsfeld, von dem man nur temporär und unverständlicherweise ausgeschlossen ist. Der Angriff auf höchste Ziele ist seit Jahren eingeplant, muss trotz erheblicher Investitionen aber Jahr um Jahr vertagt werden. Der HSV ist gewissermaßen die fußballerische Entsprechung zur Elbphilharmonie.  Dass das Team auch in dieser Saison nur um den Klassenhalt kämpft, ist für so manchen nicht nur eine seelische Pein. Es ist ein Affront.

Dessen vorläufiger Höhepunkt wurde durch das 0:8 in München erreicht. Gegen Ende habe er nur gehofft, es möge nicht zweistelig werden, bekannte Trainer Joe Zinnbauer hinterher. Wenigstens dieser Wunsch wurde gewährt, weniger aufgrund eigener Rest-Stärke allerdings, sondern weil die Bayern vorzeitig zum Auslaufen übergingen. Aber das dritte Debakel in München innerhalb von vier Jahren (letztes Jahr ging es mit 1:3 glimpflich ab, davor setzte es ein 2:9 und ein 0:5) ist in seiner Entstehung denn auch wieder charakteristisch für das ewige Pendeln zwischen Weltuntergangstimmung und Übermut.

Gegen Ende der Hinrunde, zumal nach der 0:1-Heimniederlage im Kellerduell gegen Stuttgart am 16. Spieltag herrschte Tristesse rund um den Altonaer Volkspark, die auch das auf Schalke erkämpfte 0:0 nur wenig linderte. In die Winterpause ging man zwar nicht auf einem Abstiegsplatz, von diesem aber nur um das geringfügig bessere Torverhältnis getrennt.

Der weihnachtliche Gabentisch war dann aber reich gedeckt. Erst erwarb Klaus-Michael Kühne, ebenso steinreicher wie eigenwilliger Edelfan, für vier Millionen pro Jahr die Namensrechte des Stadions und nutzte sie, um der so oft umbenannten Sportstätte wieder die alte Identität zu schenken: Volksparkstadion. Dann spendierte Versandhauserbe Michael Otto zehn Millionen, um mit dem Ausbau des HSV-Campus zugleich die Nachwuchsarbeit der Bundesligamannschaft und den Hamburger Breitensport zu fördern.

Sportlich ging der Rückrundenstart durch ein 0:2 zuhause gegen Köln zwar erstmal daneben. Doch es folgten zwei Siege in Paderborn und gegen Hannover. Tabellarisch verschaffte das Erleichterung, bei Lichte betrachtet war aber eine Menge Glück im Spiel: Paderborn wurde ein Strafstoß verwehrt, Kachunga traf die Latte, Hannovers Marcelo erzielte anderthalb Eigentore, seine Kollegen überboten sich im Auslassen bester Gelegenheiten. Hätte man das beim HSV zwar dankbar mitgenommen, aber realistisch eingeordnet, wäre man vielleicht anders nach München gefahren. Aber die zwei Siege verführten prinzipiell Verführungsbereite zum Übermut.  Eine erstaunlich offensive Ausrichtung in München war die Folge. Der Versuch, den Bayern spielerisch auf Augenhöhe zu begegnen, endete desaströs.

Für die Borussia ist das ein zweischneidiges Schwert. Einerseits trifft sie auf eine verunsicherte Mannschaft, andererseits könnten die Hamburger nun wieder defensivbetont auftreten, im schlimmsten Fall mit Peter-Stöger-Gedächtnisfußball wie phasenweise beim Sieg in Paderborn.

Die Hamburger Presse jedenfalls schwankt seitdem zwischen Schockstarre und der leisen Hoffnung auf Wiedergutmachung. Letztere wurde durch ein sich lichtendes Lazarett befördert. Mit Cléber, Diekmeier, Behrami und Lasogga stieg ein Quartett früher als erwartet wieder ins Mannschaftstraining ein, an dessen Rückkehr sich manche Erwartung knüpft. Ganz besonders gilt das für Valon Behrami, der gerade auch wegen seiner Leader-Qualitäten schmerzlich vermisst wurde. Ob der Sechser oder einer der anderen Rückkehrer nach langer Pause und verpasster Wintervorbereitung aber schon weit genug für einen Startelfeinsatz ist, scheint fraglich.

Anlass zur Personalveränderung böte der Auftritt in München zweifellos. Vor allem Raffael van der Vaart dürfte sich über einen Bankplatz nicht wundern. Als zweiter Sechser neben Marcelo Diaz machte er eine denkbar unglückliche Figur. Von einer „Parodie seiner selbst“ sprach denn auch das Hamburger Abendblatt. Als van der Vaart durch den kampfstärkeren Jiracek ersetzt wurde, sorgte das für zumindest etwas mehr Stabilität in der Defensive. Nicht ausgeschlossen allerdings, dass der Niederländer, an dem Ajax Amsterdam Interesse zeigt, wieder auf seine frühere Position als Zehner wechselt. Schließlich: An guten Tagen bleibt van der Vaart ein Spieler, der durch den einen genialen Pass oder ins Tor gezirkelten Freistoß ein Spiel entscheiden kann.

Ohnehin sind in der Offensive Umbauten zu erwarten: Durch Marcel Jansens Verletzung ist zumindest die linke Außenbahn neu zu bestücken. Als erster Kandidat gilt Zsoltan Stieber, der dann aus dem zentralen offensiven Mittelfeld weichen und damit Platz für van der Vaart machen könnte. Denkbar scheint inzwischen aber auch eine komplette Rolle rückwärts im Fall Ivo Ilicevic. Der bereits aussortierte und zur U23 abkommandierte Kroate, den Trainer Zinnbauer gar nicht erst ins Winter-Trainingslager mitnahm, gilt nach ansprechenden Trainingsleistungen plötzlich wieder als Kandidat für die linke Außenbahn, vielleicht sogar für die Startelf.

In der wird sein Landmann Ivica Olic ganz sicher stehen, nachdem der in München verletzt ausgewechselte Angreifer Entwarnung gab. Am wahrscheinlichsten ist es, dass Olic im Sturmzentrum spielt. Sollte Zinnbauer aber Lasogga schon einen Einsatz von Beginn zutrauen, könnte Olic auch auf dem rechten Flügel angreifen, dann statt des formschwachen Nicolai Müllers.

In der Abwehr könnten vor allem die Außenpositionen umbesetzt werden. Rechts gilt der US-Amerikaner Ashton Götz, dem unlängst Jürgen Klinsmann Hoffnung auf ein baldiges Länderspieldebüt machte, zwar als großes Talent. Aber der 21-jährige war gegen die Bayern so hilflos wie auf der anderen Seite Ronny Marcos. Mit Rückkehrer Dennis Diekmeier und Matthias Ostrzolek konnten unter der Woche zwei erfahrenere Spieler im Testspiel gegen den Oberligisten Halstenbek-Rellingen  auf sich aufmerksam machen.

Mit Blick auf die Innenverteidigung musste sich Joe Zinnbauer einiges an Kritik anhören, weil er in München das vorher recht stabile Duo Djourou-Rajkovic gesprengt und statt Rajkovic Westermann ins Abwehrzentrum gestellt hatte. Der Trainer begründete das hinterher mit Rajkovics mangelnder Schnelligkeit. Der Serbe, der gegen Halstenbek verletzt ausgewechselt wurde, könnte am Sonntag aber ohnehin ausfallen. Zinnbauer wird dann vor der Wahl stehen, entweder Djourou-Westermann die Chance zur Rehabilitation zu geben oder den gerade erst genesenen Cléber in die Startelf zu befördern.

Die Borussia hat derweil nicht viel Zeit, ihre durch die so unglückliche Niederlage in Sevilla geschlagenen Wunden zu lecken. Rotieren muss Lucien Favre notgedrungen auf der Doppelsechs; alles andere als Nordtveit für Xhaka wäre hier eine Überraschung. Rotieren wird er zwecks Schonung sicher auch in der Offensive: Herrmann und Traoré bieten sich als Flügelpaar an, Kruse dürfte Hrgota ersetzen. Eine ungewöhnliche, aber überlegenswerte Variante wäre es, André Hahn in der Sturmmitte zu bringen.

In der Abwehr hat sich Tony Jantschke nach mehreren überharten Attacken des FC Sevilla eine Erholungspause redlich verdient. Julian Korb steht bereit. Mit einem unglücklichen Auftritt hat sich zudem Oscar Wendt um eine Auszeit beworben. Für ihn dürfte Dominguez nach links rücken und dessen Platz im Abwehrzentrum wiederum Brouwers einnehmen. Martin Stranzl ist, wann immer einsatzfähig, unantastbar.

Hamburger SV: Drobny – Diekmeier, Djourou, Cléber, Ostrzolek – Diaz, Jiracek – Müller, van der Vaart, Ilicevic – Olic.
Borussia Mönchengladbach: Sommer – Korb, Brouwers, Stranzl, Dominguez – Nordtveit, Kramer – Traoré, Herrmann – Raffael, Kruse.

Schiedsrichter: Felix Zwayer.
Assistenten: Florian Steuer, Eduard Beitinger.
Vierter Offizieller: Thorsten Kinhöfer.


SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: So offen wie in München werden die Hamburger kein zweites Mal agieren. Die Abwehr ist aber anfällig genug, um Borussias Angreifern ein paar Hochkaräter auf dem Silbertablett zu präsentieren. Das reicht für einen 2:0-Auswärtssieg.

Michael Heinen: Donnerstag bis 23 Uhr in Sevilla und sonntags schon wieder um 15.30 Uhr in Hamburg zu spielen, ist kein allzu großes Vergnügen. Von daher wird sich Borussia mit einem 1:1 in Hamburg zufrieden geben müssen.

Christian Spoo: Auch in Hamburg gilt für Borussia: Wer keine Tore schießt, kann auch gegen die schwächsten Gegner nicht gewinnen. Deswegen endet das Spiel beim HSV 0:0.

Thomas Häcki: Hamburg beginnt wie die Feuerwehr, bricht nach dem unerwarteten 0:1 aber in sich zusammen. Da auch die Borussia ihre Angriffe nicht konsequent zu Ende spielt, bleibt es bei diesem Ergebnis.