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schalkeEs gibt Fans von Borussia Mönchengladbach, die erinnern sich an Zeiten mit regelrechten Titeln und sehnen diese zurück. Es gibt aber auch eine Generation von Fans, nämlich die jüngeren, die eine wesentlich bescheidenere Form von Glücksgefühlen erlebt, zum Beispiel die frühzeitige Rettung aus dem Abstiegskampf. Wer sich die Tabellen der letzten Jahre durchsieht, oder des letzten Jahrzehnts, am Ende vielleicht zweier Jahrzehnte, der wird feststellen, dass es bereits 20 Jahre sind, die wir mit nur wenigen Unterbrechungen bis zum Schluss der Saison durchzittern. Auch eine Form von Tradition. Da kann man den faktischen Nichtabstieg ganze 4 Spieltage vor Saisonende auch mal als echten Erfolg ansehen.

 

 

Borussia

 

Die Tabellenlage bringt es mit sich, dass das anstrengende Saisonfinale mit sämtlichen Meisterschaftskandidaten zuzüglich Hannover entspannt angegangen werden kann. Nach dem Sieg gegen Frankfurt regiert am Nordpark das wohlige Gefühl, das Wichtigste gewonnen zu haben, nichts verlieren zu können und vielleicht noch etwas dazu zu verdienen. Die Hausaufgaben sind gemacht, ein paar Weichen für die nächste Saison wurden schon gestellt, das wiegt im Zufriedenheitsgrad fast einen Pokalsieg auf.

 

Die Ansetzungen für die kommenden Spieltage bieten einen merkwürdigen Anblick. Die verbliebenen Meisterschaftsanwärter Bayern und Schalke und der vormalige Kandidat Bayer Leverkusen, nunmehr Vizekusen™ , setzen sich mit Hannover, Berlin, Bochum und eben der VfL Borussia auseinander. Vor der Saison hatten die zuständigen Ausloser wohl eine andere Aussicht auf mögliche Abstiegskandidaten; tatsächlich entscheiden sich Meisterschaft und Abstieg jetzt in den Duellen der direkt Beteiligten. Umso schöner, wenn man es dabei mit einem Verein hält, der in diesen Nervenduellen den geringsten Schaden nehmen kann.

 

Trotzdem wäre es natürlich höchst angemessen, jede Partie mit Ehrgeiz anzugehen und nicht, nach einer Wortschöpfung des Kollegen Heinen, abzukölnern. Sprich, die Partien aus gesicherter Position lustlos abzuschenken und den Wettkampf gründlich zu verzerren. Anreiz zur Leistung sollte bei der gediegenen Gegnerschaft ja auch absolut gegeben sein – wir gewinnen die Meisterschaft nicht, aber wir entscheiden sie mit. Da ist es angenehm, dass der Kader bis auf Friend fit ist und wir ein Saisonfinale einfach mit purer Vorfreude begrüßen können.

 

Schalke

 

Beim ruhm-, traditions- und schuldenreichen FC Schalke 04 darf man sich ebenfalls auf den Schlussspurt freuen, auch wenn es in Gelsenkirchen gerade wieder so aussieht, als hätte man die Meisterschaft in der 142. Minute verloren. Vor der Saison sah die Strategie der Schalker sehr gewagt aus: Einfach mal keine neuen Spieler verpflichten, sondern alles auf einen Meistertrainer setzen. Der Plan ging bis jetzt voll auf; Schalke ist im Titelrennen und hätte sich letzte Woche mit einem Sieg in Hannover sogar die Tabellenspitze kurz vor Schluss sichern können.

 

Dabei ist es gar nicht so sicher, ob der Platz 1 Felix Magath so unwahrscheinlich reizt. Allem Anschein nach eher nicht, außer am 34. Spieltag, das reicht ihm in aller Bescheidenheit. Wer alle Daums und Neururers der Liga gesehen hat, dem bereitet es echtes Vergnügen, Magath in seinem Understatement garen zu sehen, am liebsten bis zum Schluss. Der Gejagte zu sein, an der Spitze des Rennens, das scheint seinem ganzen Naturell zu widerstreben; am wohlsten fühlt er sich in Reichweite knapp hinter der Spitze, wenn er seinen Gegner sanft in Sicherheit wiegen kann. Man hat bei Magath immer den Eindruck, als würde er am liebsten erst am letzten Spieltag auf Platz 1 springen um dann zu sagen „Man sollte diesen Tabellenplatz nicht überbewerten, ich halte unsere Konkurrenten personell für weit besser besetzt. Einen Augenblick bitte, ich muss ebeneine Meisterschaft feiern.“

 

Einige Fußballkenner vertreten die Position, dass ein Trainer für eine Mannschaft heute nicht mehr so wichtig ist. Als Argument wird unter anderem angeführt, dass sich die Spielsysteme weitgehend angeglichen haben und dass bei weitgehender Waffengleichheit in der Taktik viel wichtiger ist, welche Qualität an Spielern mal auf dem Platz hat statt auf der Bank. Die Begründung hat etwas für sich, aber was sagt man dann zu einem Trainer, der mit Wolfsburg Meister wird und Schalke an die Spitze führt, nachdem er mit Bayern ein Doubledouble geholt hat und in Stuttgart mit erzwungener Jugendarbeit sensationelle Ergebnisse? In Wolfsburg hat er entscheidende Spieler wie Dzeko selber ausgesucht, in Schalke macht er aus dem Vorhandenen das Beste. Und teilt Borussia auf seine Weise mit, dass sie bei Kluge und Baumjohann immerhin ein gutes Urteilsvermögen hatten.

 

Keine Frage, seit Hitzfelds Abgang aus der Bundesliga ist Felix Magath der Trainer dieser Zeit. Er spielt übrigens gerne Schach, wie der Verfasser dieser Zeilen auch. Wenn mir irgendwann noch mal jemand mangelnden Sachverstand vorwerfen oder nachsagen möchte, kann ich königlich gelassen auf diesen Umstand verweisen.

 

Magaths Truppe sieht dabei auf den ersten Blick nicht echt meisterlich aus. Hao Junmin, Kluge, Matip? Und das, wo aus dem Stamm nur Jermaine Jones verletzt ist. Aber wie im vorigen Jahr in Wolfsburg hat Magath es geschafft, Schlüsselspieler zu dem zu bringen, was sie wirklich leisten können, vor allem Neuer, Rakitic, Farfan und Kuranyi. Und hat wieder gezeigt, dass er junge Spieler wie Moritz, Matip und Kenia auf höchstem Niveau einbauen kann, was letzterem eine Erwähnung in der „Gazzetta dello Sport“ einbrachte als eins der größten europäischen  Nachwuchstalente. Dabei spielt der FC Schalke nicht gerade betont schön sondern regelrecht magathhaft: Eisenhart in der Defensive (mit Bayern die wenigsten Gegentore) , sparsam aber effizient in der Offensive (Platz 6 bei den erzielten Toren, Platz 2 in der Tabelle). Nur die Schwankungen der letzten  Wochen waren untypisch. Eine Heimniederlage gegen Bayern mag angehen, 4 kassierte Tore in Hannover sagen nichts gutes über das Nervenkostüm.

 

4 Spieltage vor Schluss und 1 Punkt hinter der Spitze ist aber nichts verloren. Wenn Magath die Nerven seiner Spieler noch einmal für den Endspurt in den Griff kriegt, wird er nicht nur in Schalke zur Legende.

 

Aufstellungen

 

Borussia: Bailly; Levels, Brouwers, Dante, Daems; Reus, Marx, Bradley, Arango; Bobadilla, Matmour.

 

Schalke: Neuer; Höwedes, Bordon, Westermann, Rafinha; Matip, Kluge, Rakitic; Farfan, Kuranyi, Junmin.

 

SEITENWAHL-Prognose

 

Christoph Clausen: Würde die Borussia jede Woche so berauschend auftreten wie gegen Frankfurt, sie spielte um die internationalen Plätze mit. Aber bis zu so viel Konstanz ist es noch ein weiter Weg. Daher ein nüchterner Tipp: Borussia verkauft sich in Schalke ganz ordentlich, unterliegt am Ende aber doch relativ deutlich mit 1:3.

Christian Spoo: Schalke muss gewinnen, Gladbach kann ruhig verlieren. Das 3:1 für die Magathmannschaft ist die logische Folge.

 

Mike Lukanz: Spielt Borussia nun frei auf und sorgt für eine Überraschung oder fehlen nun die letzten Prozent Anspannung? Möglich ist in dieser Phase der Saison alles, aber am Ende wird sich Schalke durch das 2:1 die Meisterträume erhalten und eine Woche später selber zum VfL-Fan, wenn die Bayern in den Borussia-Park kommen.

Michael Heinen: Es muss auch mal unspektakulär gehen. Borussia unterliegt mit 0:1 in einer langweiligen Partie.

 

Thomas Häcki: Für Schalke geht es um nicht weniger als alles, für uns um fast nichts. Man kann also beim Meister der Herzen befreit aufspielen - wäre da nicht das Makel des Auswärtsdeppen. Überaus nervöse Schalker gewinnen nicht gerade überzeugend 2:1.

 

Christian Heimanns: Die „Die liegen uns“ Teams sind vorbei, jetzt kommen die „da haben wir noch nie was geholt“ Mannschaften. Ich mache den kollektiven Losertipp voll und sage ein 2:0 für Schalke vorher.