Samstag den 21.10.2017 um 16:30 h schien die Gladbacher Welt noch in Ordnung. Zwei mal in Folge hatte man bereits gewonnen und in der ersten Halbzeit den Gast aus Leverkusen förmlich an die Wand gespielt. Und das mit dem jüngsten defensiven Mittelfeld aller Zeiten, welches förmlich vor Elan sprühte. Gut, es stand nur 1:0, weil man wieder einmal beste Chancen ausgelassen hatte. Aber so erfrischend, wie sich die Fohlen auf der Wiese grade austobte, war es nur eine Frage der Zeit, bis das Stadion fragen konnte, who the fuck denn bitte Herrlich sei. Samstag den 21.10.2017 um 17:20 fühlten sich die selben Zuschauer, als wäre grade das Tief Xavier geballt über den Borussen-Park hereingebrochen. Wie begossene Pudel trollte sich die Mannschaft in die Kabine und für viele war das der Anfang vom Ende von Trainer Dieter Hecking. Nun zur selbstbewussten Fortuna und dann zum ungeliebten Milliardärs-Projekt... nein, dass konnte nicht gut gehen, nicht nach dieser Leistung. Alles kalter Kaffee jetzt? Nun, die Ereignisse sind grade einmal eine Woche her.

Was folgte ist bekannt. Die Borussia brach beim Tabellenführer der zweiten Liga nicht ein und gewann verdient, wenn auch ein wenig glücklich mit 1:0. Das konnte man noch erwarten. Am Samstag rieben sich die Fans aber erneut die Augen. Ein 0:1 durch einen beherzten Auftritt in der zweiten Hälfte gedreht. Erst zum zweiten Mal gewann man bei den Süddeutschen. Für Shooting-Star Julian Nagelsmann war es sogar die erste Heimniederlage in der Bundesliga und nach Sporting Braga auch die zweite überhaupt. Auswärtssieg nach 0:1 zur Halbzeit? Das klingt wie eine Kopie der Vorwoche, nur mir umgekehrten Vorzeichen. So ist es aber nur auf den ersten Blick. Während man gegen Leverkusen eine Halbzeit lang brillierte um dann 45 Minuten vorgeführt zu werden, zeigte man in Hoffenheim zwei starke Halbzeiten hintereinander und hätte auch schon mit einer Führung zum Pausentee gehen können. Das es nicht so kam liegt an einer der wenigen Konstanten in dieser Gladbacher Saison, der mangelhaften Chancenverwertung.

Überhaupt waren es eher die Konstanten, die einen ansonsten souveränen Auftritt in Gefahr brachten. Hazard frei vorm Tor? Der Ball flog vorbei. Da konnte sich der gewogene Zuschauer ein Grinsen nicht verkneifen, dass ausgerechnet der Belgier aus einer deutlich komplizierteren Ausgangslage den Ausgleich schoss. Manchmal hilft es offensichtlich, es nicht zu perfekt machen zu wollen. Eine andere Konstante hätte den Sieg fast noch in Gefahr gebracht. Der ansonsten sehr aufmerksam spielende Elvedi nahm sich kurz nach der 2:1 Führung eine schöpferische Auszeit und hatte Glück, dass Wagner die unerwartete Freiheit nicht zu nutzen wusste. Im Gegenzug zeigte sich der junge Schweizer dann wieder hellwach, als er klug auf Vestergaard ablegte. 3:1 – das Spiel war entschieden. Und Dieter Hecking? Der sitzt mit 1,7 Punkte pro Spiel derzeit wieder fest im Sattel und kann zu Recht darauf verweisen, voll im Soll zu liegen. Fußball kann schnelllebig sein, am Niederrhein zuweilen noch etwas schnelllebiger.

Wer nun fragt, wohin der Weg der Borussia diese Saison führen wird, bekommt nur ein ratloses Schulterzucken. Die Optimisten bekamen letzten Woche eine kalte Dusche, die Pessimisten mussten an diesem Wochenende anerkennend den Daumen heben. Einig sind sich aber alle, dass die Auftritte selten so stark variiert haben, wie derzeit. Oft sogar innerhalb einer Partie, wie in Essen, Augsburg, Leipzig und zuletzt Leverkusen. Dem grauenhaften Auftritt in Dortmund steht nun ein starker in Hoffenheim gegenüber, denn die Kraichgauer waren mitnichten ein dankbares Opfer. Und vermutlich wird es gegen Mainz schon wieder ganz anders aussehen. Keine Frage, die Borussia verfügt mittlerweile über eine Qualität, die sie für einen Platz in Europa in Frage kommen lässt. Zakaria, Benes und Cuisance sind schon jetzt mehr als nur Rohdiamanten. Ginter, Hazard und Grifo schon sehr weit für ihr Alter. Jedoch scheint die Balance nicht zu stimmen. Nach Stranzl und Brouwers hat niemand wirklich die Rolle des Leaders angenommen, teils weil man kein Leader ist, teils weil Verletzungen Akteure zurückgedrängt haben. Die Borussia befindet sich im Umbruch, auch weil man nicht weiß, ob Basisspieler der Vergangenheit wie Raffael, Herrmann oder Jantschke noch einmal an ihre alte Rolle anknüpfen können – zumindest dauerhaft. Die Schwankungen erklären sich auch dadurch, dass niemand steuernd eingreift, wenn es mal zu euphorisch wird. Oder eben das Team antreibt, wenn es zu lethargisch wirkt. Hier wird anzusetzen sein, will man auch in der Zukunft zu den Top-Teams gehören. Die Borussia hat gezeigt, dass sie ein feines Auge für Talente hat. Doch nur mit Talent wird es nicht funktionieren