Die Gefühle waren zwiespältig nach dem 1:1 in Frankfurt. Angesichts des späten Tores von Denis Zakaria ist der Punkt eher als Gewinn anzusehen. Dennoch hatte nicht nur Kapitän Lars Stindl den Eindruck, es wäre bei konsequenterer Offensivarbeit sogar noch mehr drin gewesen. Insgesamt überwiegen aber die positiven Erkenntnisse der Partie, wenngleich zunächst einmal folgendes festzuhalten bleibt:

Der vermeintliche Kampf um die Meisterschaft ist jetzt auch offiziell beendet.

Selbst das ernüchternde 0:3 gegen die Hertha in der Vorwoche hatte die öffentlichen Diskussionen um einen angeblichen Dreikampf an der Tabellenspitze nicht verstummen lassen. Es ist bereits ein Riesen-Erfolg für die Fohlenelf, selbst nach 21 Spieltagen in einem Atemzug mit den Topvereinen aus Dortmund und München genannt zu werden, obwohl diese 2x bzw. sogar 4x so viel Umsatz generieren. Einige andere Vereine, wie Wolfsburg oder Schalke zahlen zum Teil deutlich höhere Gehälter und sind trotzdem schwächer platziert.

Bei allem Realismus ist aber der Wunsch eines jeden Fans und Sportdirektors verständlich, am Ende gerne einmal etwas Blechernes in Händen halten zu wollen. So gut wie in diesem Jahr standen die Chancen auf die Deutsche Meisterschaft tatsächlich seit über 30 Jahren nicht mehr. Realistisch betrachtet bezifferten sie sich aber selbst vor zwei Wochen noch im Promille-Bereich. Nach den letzten beiden Partien wird jetzt aber auch der letzte Optimist erkannt haben, dass sich Utopien nicht so leicht realisieren lassen. Viel wichtiger ist ohnehin:

Im echten Kampf um die Champions-League-Plätze hat Borussia eine hervorragende Ausgangsposition.

7 Punkte Vorsprung auf Platz 5 bieten noch lange keine Garantie. Dafür ist die aktuelle Form von Bayer Leverkusen zu beeindruckend, denen mit ihrem neuen Coach Peter Bosz selbst im Topspiel beim BVB in der kommenden Woche einiges zuzutrauen ist. Dennoch sind 7 Punkte und das deutlich bessere Torverhältnis ein bemerkenswertes Polster, das der Mannschaft Sicherheit und Selbstbewusstsein liefern sollte. Sofern Borussia die Saison weiter so konzentriert zuende bringt wie sie bislang aufgetreten ist, wird ihnen die Rückkehr in die internationale Königsklasse nicht zu nehmen sein. Dafür spricht aktuell vieles, denn:

Der Charakter der Mannschaft ist intakt.

Nach dem 0:3 aus der Vorwoche gab es berechtigte Sorgen, dass sich Borussia endlich einmal ihre erste Krise dieser Saison nehmen könnte. Wie schon im Hinspiel war speziell die Defensive gegen Berlin ungewohnt fehleranfällig. Wie schon nach dem Hinspiel fand dies aber in der darauffolgenden Partie keine Fortsetzung. Borussia ließ gerade in der Defensive nur sehr wenig zu und war nur durch einen unglücklichen Zufallstreffer zu überwinden. Ganz offensichtlich war Berlin hier wieder einmal nur ein Ausrutscher. Vielmehr setzte sich die hervorragende Saisonleistung im hinteren Bereich fort, denn:

Speziell die Defensivzentrale ist ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg dieser Saison.

In der Hinrunde war Tobias Strobl eine Bank im defensiven Mittelfeld. Nach zuletzt etwas schwächeren Leistungen wurde er gegen Frankfurt durch Christoph Kramer ersetzt, der sich seinen Einsatz alleine schon durch seine vorbildlich professionelle Einstellung verdient hatte. Der Weltmeister fügte sich bei seiner Rückkehr in die Startformation sehr gut in das funktionierende Gesamtgefüge ein und wies nach, dass auch mit ihm die nötige Kompaktheit erzielt wird. Beinahe tragisch, dass ausgerechnet ihm sein Gegenspieler beim 0:1 entwischte. Schuldzuweisungen an Kramer wären in dieser Szene aber unangebracht. Strobl wiederum leistete später nach seiner Einwechselung die Vorbereitung für den Ausgleich. Insgesamt bestätigte sich an diesem Nachmittag dennoch, dass Borussia auf dieser Position zwei hervorragende Alternativen aufbieten kann, die sich leistungsmäßig auf Augenhöhe befinden.

In der Abwehrzentrale wirkte Mathias Ginter zwar in einigen Situationen etwas fahrig. Er und Nico Elvedi bilden aber in dieser Saison ein Innenverteidiger-Duo, das sich vor keinem anderen in der Liga zu verstecken braucht. Sorgen bereitet da aktuell schon eher die Borussen-Offensive, für die leider gilt:

Die Breite hinter der Spitze könnte noch etwas dichter werden.

Durch den gleichzeitigen Ausfall von Hofmann, Raffael und Traoré waren die Alternativen für Dieter Hecking überschaubar. Das Duo Zakaria/Neuhaus machte seine Sache ordentlich, Patrick Herrmann rechtfertigte das Vertrauen in seine Person und auch Lars Stindl bot eine seiner besseren Leistungen der jüngeren Vergangenheit. Alassane Plea blieb dagegen nach seiner Einwechselung erneut unauffällig und wirkungslos. Es bleibt zu hoffen, dass ihm die Pause gut tut, um die Schwächeperiode zu überwinden, die zum Berufsbild eines Torjägers standardmäßig dazugehört.

Dass gleichzeitig Josip Drmic eingewechselt wurde, der in dieser Saison bislang noch überhaupt keine Rolle in den Planungen von Dieter Hecking gespielt hatte, zeigt das derzeitige Dilemma. Der Qualitätsverlust ist beim Ausfall eines Stammspielers in der Offensive sehr hoch. Cuisance und Traoré haben in den letzten Wochen mehrfach nachgewiesen, dass sie weit entfernt sind von vergangenen Leistungen. Daher durfte jetzt also Drmic sein Saisondebüt geben und war dabei durchaus engagiert. Seine Torgefahr deutete er in zwei Szenen an, konnte sie dort aber nicht entscheidend umsetzen. Die größte Chance bot sich ihm in allerletzter Sekunde, wobei der Flankenball von Wendt nicht einfach zu nehmen war. Gerade mit Blick auf die fehlende Spielpraxis nach seiner rund 9monatigen Bundesliga-Auszeit war und ist mehr von ihm derzeit nicht zu erwarten.

Für die verbleibende Saison ist zu hoffen, dass Plea sein Leistungstief bald überwindet und Raffael fürs Saisonfinale ab Ende März wieder fit wird. Für die kommende Saison sollte Borussia aber die eine oder andere neue Alternative präsentieren, die dem Trainer in der Breite größere Möglichkeiten bietet.

Dies wird allein schon deshalb nötig sein, weil die Belastung mit ziemlicher Sicherheit durch zusätzliche Spiele in Europa steigen wird. Der Punktgewinn in Frankfurt war da ein sehr wichtiger Schritt, um diesem Ziel ein weiteres Stück näherzukommen.