stuttgartWann immer die Borussia in den letzten Jahren eine gute Phase hatte wurde gern der Vergleich mit der ruhmreichen Vergangenheit bemüht: Die beste Serie seit 1978, der beste Saisonstart seit 1995, usw usf… 10 Heimsiege in Folge, wann gab es das zuletzt? Unter Heynckes in den 80ern? Oder unter Lattek? Oder gar zu Weisweilers Zeiten? Nein, man muss erstaunlicherweise längst nicht so weit zurückgehen: es ist gerade mal gute 2 Jahre her, dass Andre Schubert saisonübergreifend das gleiche schaffte. Und auch 7 Heimsiege zum Saisonstart gab es in der jüngeren Vergangenheit und zwar unter Lucien Favre im Jahre 2013 (damals sogar 8). In beiden Fällen ging es danach erstmal steil bergab: 2013/14 sorgten 9 sieglose Spiele im Winter dafür, dass man aus den Championsleague-rängen hinausfiel und am Ende ueber einen sechsten Platz froh sein durfte. Im Herbst 2016 führte eine ähnliche schlechte Serie von 11 Spielen mit nur einem Sieg dazu, dass Gladbach ins untere Tabellen trudelte und Schubert seinen Hut nehmen musste.

Das heisst aber natürlich nicht, dass eine solch fabelhafte Serie ein schlechtes Omen sein muss, sondern lediglich, dass man nicht annehmen kann, dass das automatisch immer so weiter geht. Dass es nicht schon am Sonntag mit der Heimspiel-Herrlichkeit ein Ende hatte wurde in der Presse vor allen Dingen dem Trainer zugeschrieben. „Hecking wechselt den Sieg“ ein titelte z.B. die Westdeutsche Zeitung, während die Süddeutsche „Heckings Joker erledigen den VFB“ schrieb. Nun gibt es aber bei jeder Medaille zwei Seiten und eher skeptische Menschen könnten die Einwechslungen von Neuhaus und Raffael eher als Korrektur der Fehler in der Startaufstellung interpretieren.

Die vielleicht grösste Überrauschung war, dass Ibrahima Traoré erstmals in dieser Saison von Beginn an auf dem Platz stand. Die Logik dahinter war vermutlich, dass der trickreiche Guineer in Zakariader Lage sein würde durch gewonnene Eins zu Eins-Situationen  Lücken in die tiefstehende Stuttgarter Verteidigung zu reissen. Dies gelang in der Praxis jedoch nicht allzu gut, da Traoré zwar sehr bemüht war, aber doch oft überhastet wirkte und für wenig Gefahr sorgte (immerhin war er aber später entscheidend beim 2:0 beteiligt). Eine Folge von Traorés Einsatz war, dass Lars Stindl erstmals von Beginn an auf der Achter-Position spielte, auf der ihn der Trainer nach eigener Aussage sowieso in Normalfall sieht. Dass Mr. Polyvalenz für diese Position sehr gut geeignet ist, zeigte sich vor allem im Schlussdrittel des Spiels, als er viele Fäden zog. Dass dies eine Stunde lang nicht ganz so gut geklappt hat, lag vielleicht weniger an Stindl, sondern auch an seinem Mitstreiter im offensiven Mittelfeld Denis Zakaria. Dass der Schweizer ein hervorragender Fussballer ist, ist unbestritten; auch seine Offensivequalitäten hat er mehrfach bewiesen, zuletzt vor 2 Wochen gegen Hannover, als er sofort nach seiner Einwechslung zu zwei Groβchancen kam und eine davon auch nutzen konnte. Aber Zakaria ist kein Dauerläufer wie Jonas Hofmann, der ständig anspielbar ist und er ist auch nicht der schlaue Passgeber wie Florian Neuhaus, der eine Abwehr mit einem Zuspiel aushebeln kann. Zakaria ist am besten wenn er von hinten mit Tempo und Platz vor sich kommen kann, das enge schnelle Kombinationsspiel, das nötig ist um einen defensiven Abstiegskandidaten auszuspielen ist weniger seine Sache. Das war einer der ausschlaggebenden Gründe warum die Borussia über lange Strecken trotz Feldüberlegenheit zu relativ wenigen Torchancen kam und die Tatsache wie die Borussia auf einmal nach der Einwechslung von Raffael und Neuhaus kombinierte, macht diese Defizite von Zakaria besonders deutlich.

In gewisser Weise ist der Schweizer das Gegenstück zu Jonas Hofmann. Während letztgenannter auf einmal aus dem Schatten getreten ist und unter dem neuen 4-3-3 System erstaunlich aufblüht ist der Systemwandel für Zakaria eher Gift. Sein Spiel ist prädestiniert für die Doppelsechs, auf der er in der Vorsaison einer der Shooting Stars der Liga war. Während man bei Traoré und auch bei Alassane Plea schulterzuckend feststellen konnte, dass sie schon auf der richtigen Position waren, aber keinen allzu guten Tag hatten, hatte man bei Zakaria den Eindruck, dass er irgendwie Fehl am Platz war und seine unbefriedigende Leistung weniger mit seiner Tagesform als vielmehr mit seiner Achter-Rolle zu tun hatte. Da das System bislang aber so erfolgreich ist, könnte es eine schwierige Saison für ihn werden; für den Verein insgesamt aber eher ein Luxusproblem.

NeuhausGewinner des Spiels war auf jeden Fall Florian Neuhaus, dessen Bedeutung dann gerade im Vergleich mit Zakaria deutlich wurde. Nicht nur konnte er sein erstes Bundesligator erzielen, sondern mit seiner Vorlage zum 1:0 ist er nun zusammen mit Reus, Sancho und Haller auch bester Vorbereiter der Liga mit 8 Assists (Quelle: Kicker Scorer Tabelle). Ähnlich erfreulich natürlich die tolle Leistung des Altmeisters Raffael, der bislang in dieser Saison wenig zum Erfolg der Mannschaft beitragen konnte, aber am Sonntag zeigte, dass er an einem guten Tag immer noch Qualitäten hat, die sonst niemand im Kader vorzuweisen hat.

Ansonsten war es von der gesamten Mannschaft am Sonntag keine Glanzleistung, aber gerade das ist gleichzeitig auch das Befriedigende: Auch an einem durchschnittlichen Tag, an dem es hier und da hakt, findet die Borussia in dieser Saison zu Hause Mittel und Wege das Spiel trotzdem am Ende klar zu gewinnen. Das ist vor allem angesichts der Niederlage in der Vorwoche und der anstehenden schweren Partien auswärts zu honorieren, die bedeuteten dass die Mannschaft  gegen Stuttgart durchaus unter Druck stand, den Pflichtsieg einzutüten.

In dieser Saison hat die Borussia noch nicht einmal mehr als ein siegloses Bundelsiga-Spiel in Folge erlebt! Diese Statistik ergibt sich zum Teil automatisch durch die Heimserie, sagt aber auch für sich genommen einiges über die Mentalität des Teams aus. Während (zum Teil selbsternannte) EL-Anwärter wie Bremen, Berlin oder jetzt auch Frankfurt alle schon Schwächeperioden durchmachen mussten, waren die Fohlen bislang nach jedem Rückschlag schnell wieder oben auf. Der Hinrunden-Punkte-Rekord in der 3-Punke Ära liegt bislang bei 33 (2011 und 2013). Wenn die Borussia so weitermacht ist zumindest eine Einstellung dieser Marke realistisch.