… oder auch nicht, denn wie am Wochenende in Hamburg zu vernehmen war, soll die Uhr möglicherweise auf das Gründungsdatum des HSV umgestellt werden. Auch eine Lösung. Borussia Mönchengladbach dagegen hat mit einer Leistung, über die man besser den Mantel des Schweigens decken sollte, alles borussenmögliche dazu getan, die Uhr auch regulär weiterlaufen zu lassen. Die Kölner haben (leider) nicht mitgespielt und so verhindert, dass statt des HSV wenigstens eines der Vermarktungsvehikel aus der Bundesliga verschwindet. Da man es in der Chefetage von Borussia Mönchengladbach wahrscheinlich nicht registrieren würde, wenn SEITENWAHL aus Protest gegen die Leistungen der Mannschaft in einen Publikationsstreik träte, werden wir uns ein paar Worte zum Spiel gegen den HSV, zum letzten Spieltag im Allgemeinen und zu dem Bild, das Borussia in der abgelaufenen Saison abgegeben hat, nicht verkneifen können.

Das letzte Spiel war ein Spiegelbild der gesamten Saison. Die erste Hälfte spielerisch schwach, aber vom reinen Ergebnis her okay, die zweite Hälfte unterirdisch. Aber schon in der ersten Halbzeit durfte man ausführlich besichtigen, warum Borussia in der Tabelle dort steht, wo sie steht. Die Mannschaft präsentierte sich einmal mehr lethargisch und ohne fußballerisches Konzept. Der beliebteste Spielzug – bei 10 habe ich aufgehört zu zählen – war der Rückpass auf Vestergaard oder Sommer, denen dann – zentral angelaufen von bisweilen mehreren Hamburgern – angesichts des komplett statischen Verhaltens der restlichen Mannschaft nichts anderes übrig blieb als zu langen Bällen auf die Außenpositionen zu greifen. Diese wiederum landeten zu gefühlt 99% entweder im Aus oder beim Gegner. Die anderen wurden sofort hergeschenkt und der nächste Angriff des spielerisch und kämpferisch überlegenen HSV erwartet. Dass es sich bei dieser ersten Halbzeit noch um die gute Halbzeit handelte, dafür sorgte allein der einzige gelungene Spielzug der Gladbacher – ein Konter nach Doppelpass zwischen Hazard und Drmic, den letztgenannter mit dem Ausgleich abschloss. Nach der Pause stellte die Elf vom Niederrhein dann die Arbeit komplett ein – Ausnahme: Sommer – und ließ weder Siegeswillen noch wenigstens den Willen zur Verhinderung einer Niederlage erkennen. Noch nicht einmal 20 Minuten Überzahl und der irgendwann Mitte der zweiten Halbzeit feststehende Abstieg des HSV führten zu einer Änderung des Bildes. 17:8 Torschüsse und 8:3 Ecken – jeweils zugunsten des HSV - spiegeln den Verlauf sehr realistisch wider.

Als wäre all das nicht schlimm genug folgten nach dem Spiel wieder die altbekannten, kaum noch auszuhaltenden Sprechblasen, in denen von einer „soliden, aber nicht sehr guten Saison“ (Kramer) die Rede war, davon, dass man nach einer sehr guten Vorrunde nur durch Verletzungen und Schiedsrichterentscheidungen Boden verloren habe (Hecking) oder dass man sich in den letzten Spielen noch einmal herankämpfen „durfte“ (Eberl), als sei es ein Privileg, zuerst zu versagen und dann die Chance zu erhalten, das gerade noch einmal gerade biegen zu können, dabei aber erneut zu versagen. Auch der Hinweis darauf, dass nach dem Zwischenergebnis in München „die Luft raus“ gewesen sei, ist keine akzeptable Erklärung für die konzept- und lustlose Vorstellung.

Im Klartext: Bei Borussia Mönchengladbach regieren derzeit Konzeptlosigkeit auf der Trainerbank, Lethargie und Selbstzufriedenheit in Teilen der Mannschaft, Ahnungslosigkeit in den Bereichen Fitness und Medizin sowie möglicherweise ein ungesunder Kontinuitätsfetisch im Management. Das ist eine gefährliche Mischung, die schon in dieser Saison weiter in die Niederungen der Tabelle hätte führen können, wenn nicht die individuelle Qualität des Teams so hoch gewesen wäre, dass man auch mit dieser Mischung einen Platz im Mittelfeld der Tabelle erreicht. Das macht es aber noch ärgerlicher, wenn man darüber nachdenkt, was bei halbwegs ausgeschöpftem Potential drin gewesen wäre.

Dass es – zum Teil mit bescheideneren Mitteln als in Gladbach – anders geht, haben einige Vereine bewiesen:

Die TSG Hoffenheim zum Beispiel erreicht ungeachtet des Abgangs der drei besten Spieler nach München und ungeachtet einer unübersehbaren Formdelle in der Rückrunde erneut die Champions League. Unterstellt, die individuelle Qualität in Hoffenheim ist nicht höher als in Gladbach (immerhin spielen dort mit Rupp und Schulz zwei Spieler, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten nicht gut genug für uns waren), zeigt dies wohl, was möglich ist, wenn der Trainer auf der Bank ein klares Konzept hat und auch in der Lage ist, dieses seinen Spielern taktisch und emotional zu vermitteln.

Der VfB Stuttgart zum Beispiel sah gegen Ende der Hinrunde aus wie ein Absteiger und hat es nach einem vielerorts – auch vom Verfasser dieser Zeilen – verständnislos belächelten Trainerwechsel hin zu Tayfun Korkut am letzten Spieltag geschafft, sich für den Fall eines Pokalsieges durch Bayern München die Qualifikation für die Euro-League offen zu halten. Auch wenn das Ergebnis der Stuttgarter in München mehr über die Charakterlosigkeit der Münchener und deren Gleichgültigkeit gegenüber einer offensichtlichen Wettbewerbsverzerrung am letzten Bundesligaspieltag sagt als über die Stärke der Stuttgarter – der Aufstieg der Stuttgarter in der Rückrunde zeigt, dass Kontinuität auf der Trainerbank kein Selbstzweck sein darf.

Trainerwechsel sind kompliziert, sie garantieren keinen Erfolg. Ein Trainer, der beim Verein A erfolgreich funktionierte muss das beim Verein B genauso wenig, wie es sicher ist, dass der bei Verein B mit Schimpf und Schande vom Hof gejagte Übungsleiter auch nicht gut genug für Verein C ist. Trainerwechsel gehören zum Geschäft in der Bundesliga, wenn man das sichere Gefühl hat, mit dem derzeitigen Übungsleiter seine Ziele – sofern man solche hat – nicht mehr erreichen zu können.