Wenn am Samstag gegn 19:17 in Leverkusen der Halbzeitpfiff ertönt, wird Borussia Mönchengladbach exakt ¾ der Spielzeit 2017/18 absolviert haben. Nun ist solch eine Halbzeitpause etwas kurz um ausführlich Bilanz zu ziehen, so dass wir diese Bilanz schon jetzt nach nur 73.53% dieser Saison ziehen wollen. Zur Einordnung der Gegenwart ist die Vergangenheit durchaus hilfreich, vor allem in Mönchengladbach, wo man bekannterweise oft daran erinnert wird, wo man herkommt. Drehen wir also die Uhr exakt um eine Saison zurück: Nach dem 25. Spieltag 2016/17 stand die Borussia mit 32 Punkten und 30:35 Toren auf dem 10. Tabellenplatz; jetzt ist man Achter mit 35 Punkten und 33:37 Punkten. Wer darin einen entscheidenden Unterschied erkennen kann, läuft wohl auch sonst mit der Lupe durch die Gegend. In den 34 Spielen dazwischen holte man 48 Punkte, alles Zahlen die zusammen klar zeigen, dass die Borussia anno 17/18 eine Mannschaft des gehobenen Mittelmaβes ist. Für ein Team, welches 15 Jahre lang drohte zur Fahrstuhlmannschaft zu werden, klingt das zunächst gar nicht so übel, aber es hinkt doch ein ganzes Stück hinter den inzwischen gestiegen Ansprüchen hinterher. Selbst der sonst so vorsichtige Einstelligkeitsfanatiker Max Eberl hatte vor der Saison zumindest zwischen den Zeilen klar gemacht, dass nach dem 9. Platz in der Vorsaison erneute Qualifikation für das internationale Geschäft das klare Ziel wäre.

Sucht man nach den Gründen für diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität wird – wie immer im Fuβball – natürlich als erstes der Trainer genannt. Gerade in den Foren und sozialen Netzwerken hat man gern einen Prügelknaben und der oft bieder wirkende Dieter Hecking eignet sich anscheinend vortrefflich für diese Rolle: mit archaischen Trainingsmethoden mache er die Spieler körperlich kaputt und seine antiquierten Ur-Opa-Taktiken würden  von den smarten jungen Laptop-Trainern problemlos ausgetrickst .Unterstützt würde er dabei duch den selbstzufriedenen, ambitionslosen Sportdirektor, dem die Offerten von Bayern München wohl zu Kopf gestiegen seien und der (gefühlt) seit Marco Reus eigentlich nur Stümper verpflichtet hat. Fast noch schlimmer sei, dass Max Eberl in Interviews dann nur immer gleichen faulen Ausrden runter bete, vor allem das Geleiere um die Verletzungsmisere, die laut Eberl ein Verein wie Gladbach einfach nicht ausgleichen könne.

So sehr Kritik an den Verantwortlichen teilweise sicher berechtigt ist und so ermüdend für Borussia-Anhänger der ständige Veweis auf die Verletztenliste sein mag, so spricht vieles dafür, dass dies wirklich der entscheidende Faktor ist, der Borussia daran hindert den anvisierten Platz im oberen Tabellendrittel einzunehmen. Hecking konnte zur Halbzeit halt nicht den erfahrenen robusten Strobl einwechseln um Zakaria vor Gelb-Rot zu schützen, er kann seit Monaten nicht die ineffiziente H-H (Hofmann-Hermann) Option auf der Bank (bzw. Tribüne) lassen und dafür Traoré rechts wirbeln lassen, ihm fehlt auf der linken Seite das eingespielte Duo Wendt-Johnson, wobei der Amerikaner auch auf der Rechtsverteidigerposition eine Alternative wäre. Und vor allem fehlt nun seit Wochen mit Raffael der Spieler, der über Jahre den Unterschied gemacht hat und dies selbst im Herbst seiner Karriere noch tut. Die Tatsache, dass der klar als Plan B für die Ersatzbank verpflichtete Bobadilla auf einmal eine feste Gröβe im Sturm ist, zeigt – ohne dem Paraguyer, der wieder eine engagiert und ordentliche Leistung zeigte, zu Nahe treten zu wollen - wie groβ die Not zur Zeit ist.

Zwar muss Borussia jetzt nicht mit der halben U23 auflaufen, sondern kann jedes Wochenende doch wieder eine auf dem Papier konkurrenzfähige Truppe auf den Platz bringen, aber es ist zum Groβteil dieselbe Gruppe von Spielern die zum Teil überspielt (Stindl, Elvedi) sind, zum Teil zu jung (Oxford, Cuisance) um  konstant gute Leistung zu bringen, und zum Teil einfach nicht (mehr) gut genug sind (Hofmann, Herrmann) um auf Bundeliga-Topniveau (so niedrig dies zur Zeit auch sein mag) mitzuhalten.

Der ausgedünnte Kader verhindert auch, dass man während des Spiels nachlegen könnten oder auch nur in der Lage wäre, den Verlust eines der besten Sechser-Duos der Liga halbwegs  auszugleichen. Wenn mit Cuisance und Jantschke, die beide eher auf anderen Positionen zu Hause sind, ein zusammengewürfeltes defensives Mittelfeld ein 2:1 gegen eine in der zweiten Halbzeit starke Bremer Mannschaft verteidigt werden muss, kann das eigentlich nur mit viel Dusel gut gehen.

Dabei  hatte das Spiel durchaus einige Parallelen zu anderen Duellen mit Werder in vergangenen Jahren. 2013/14 bekam man ebenfalls nach 2:0-Führung mitte der zweiten Halbzeit den Gegentreffer; Herrmann und Kruse sorgten mit Kontern für das 4:1. Exakt das gleiche Bild ein Jahr später: Junuzovic bring Werder in der zweiten Halbzeit auf 2:1 ran, aber Borussia gewinnt wieder 4:1. Unter Andre Schubert gab es 2016 ein kleine Variation: diesmal war es eine 3:0 Führung, die zwischenzeitlich noch in Gefahr gerät, bevor es dann am Ende 5:1 heisst. Manch einer im Stadion am Freitag mag nach Delaneys Anschlusstreffer an diese Partien gedacht haben und die Borussia hatte auch noch vielversprechende Angriffe in der zweiten Halbzeit, aber es fehlt dieses entscheidende Stück zusätzliche Qualität, die in den Vorjahren dann letztendlich sichere Siege einbrachte.

So frustrierend die verschenkten 2 Punkte auch sind, sollte man auch ein paar positive Dinge aus dem Spiel mitnehmen. Nach dem katastrophalen Auftritt in Stuttgart vor einigen Wochen, hat Borussia nun dreimal in Folge engagierte Leistungen auf phasenweise gutem spielerischem Niveau gezeigt, was hoffen lässt, dass die Krise zu Rückrundenbeginn beendet ist. Besonders hervorzuheben die Leistungen der beiden Sechser zuletzt: Kramer scheint endlcih in die Führungsrolle hineinzuwachsen, für die man ihn zurückgeholt hat und Zakaria findet auch zur guten Form der Hinrunde zurück. Auch erfreulich, dass Yann Sommer seit seiner Rückkehr wieder um einiges sicherer wirkt.

Was kann man vom letzten Saisonviertel erwarten? Das Spiel gegen Bremen war eine grosse Chance, noch einmal Anschluss an die Top 6 zu finden und bei 4 Punkten Rückstand auf Leizpig ist dies auch jetzt nicht völlig ausgeschlossen, aber gerade angesichts des schwierigen Auswärtsspiels in Leverkusen erscheint es doch wahrscheinlicher, dass Borussia den Rest der Saison damit zubringen wird sich mit Hoffenheim um Platz 7 zu streiten, der ja immerhin noch die Möglichkeit von Europa-League-Fussball im nächsten Jahr bedeutet. Mehr scheint angesichts der Personallage in dieser Saison nicht drin zu sein. Man sollte allerdings die Verletztenmisere nicht einfach als Ausrede beiseite schieben. Das Verpflichten gesunder Spieler, die man über die Saison auch fit hält ist ja durchaus Teil der Leistung, die ein Verein zu liefern hat. Zum Teil ist natürlich (Benes, Strobl) auch Pech dabei, aber wenn sich die Ausfälle so häufen wie jetzt schon über mehrere Jahre bei Borussia, muss man sich auch selbst kritisch hinterfragen.

Was die Diskussionen um Dieter Hecking angehen, so gilt es,  zwei Dinge unterscheiden: da ist zum einen die spontane Überreaktion nach einem schlechten Lauf mit vier punkt und torlosen Spielen in Folgen und das Abrutschen auf Platz 8. Diese akute Trainerdiskussion ist nach den letzten Spielen abgeflaut und das Endzeit-Szenario, welches zu einem vorzeitigen Trainerwechsel noch in dieser Saison führen würde, will man sich lieber nicht vorstellen. Zum anderen sollte man aber nicht verschweigen, dass es auch in der Hinrunde als man tabellarisch noch sehr gut da stand, schon viele zweifelnde Stimmen gab, die die Spielweise unter Hecking kritisierten. Nach der zweiten eher durchwachsenen Saison in Folge (ausser es passiert noch ein kleines Wunder) ist zu erwarten,  dass in der Sommerpause ein gröβerer Umbruch statt finden wird. Ob dabei auch die Position des Traines diskutiert werden wird, bleibt abzuwarten.