Warnung
  • JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 77

 

Die Hinrunde ist gespielt, Borussia überwintert auf einem 11. Tabellenplatz mit 21 Punkten, nun kehrt Ruhe ein im hektischen Fußballbetrieb. Doch bevor auch wir in die verdiente Winterpause gehen, ziehen wir Bilanz. In zwei Teilen werden die SEITENWAHL-Redakteure die erste Saisonhälfte kommentieren und bewerten. Den Anfang machen heute Christian Heimanns, Thomas Häcki und Michael Heinen.




"Ein neues Gefühl"
von Christian Heimanns


Zur Halbzeit herrscht bei Borussia Zufriedenheit allenthalben. Und das sogar zu Recht, obwohl nach dem 9. Spieltag noch Platz 17 zu Buche stand. Doch spätestens seit dem Sieg in Hamburg tritt die Mannschaft in einer Weise auf, die ihre Fans auch nach Niederlagen versöhnt zurück lässt, und solches wart schon lang nicht mehr gesehen.

Gerade die Auswärtsauftritte vermitteln ein völlig anderes Borussengefühl als dieses ganze zurückliegende Jahrzehnt (!). Die einstigen Auswärtsdeppen treten mit dem Selbstbewusstsein an, das aus einer kompakten Abwehr rührt und mit der Courage, die ein 20-Jähriger auf der Außenbahn mitbringt. So wäre in Wolfsburg schon mehr zu holen gewesen aber der dann folgende Sieg beim HSV war bezeichnend: Nach zweimaligem Rückstand wurde der bis dahin ungeschlagene Tabellenführer eine halbe Stunde lang in die Seile getrieben und am Ende besiegt. Langjährige Borussenfans glaubten, durch die Tränen ihrer Rührung die Mannschaft um Effenberg wieder zu erkennen. Selbst die beiden letzten Niederlagen bestätigen das positive Bild; die erste Halbzeit in München gehört zu den besten, an die man sich erinnern kann.

Und so stehen auch bei den Spielern die positiven Leistungen im Vordergrund. Allen voran der von Fans und Medien geliebte Marco Reus sowie der torgefährliche Abwehrverband Dante / Brouwers. Mindestens genauso wichtig ist aber das gute Zusammenspiel zwischen Bradley und dem gern übersehenen Marx im zentralen Mittelfeld. Anfangs der Saison schien es noch absolut wesentlich, dass Meeuwis Galasek auf dieser Schaltstelle würdig beerben sollte. Stattdessen wird die strategische Souveränität des Tschechen jetzt durch die Laufstärke der Doppel-Sechs ersetzt, mit ordentlichem Erfolg.

Dazu kommt noch Jaurès´ brauchbare Vorrunde und mehr noch der solide Levels, der auch zu gelegentlichen Effekten nach vorne kommt. Nun hatte Levels zwar auch in der letzten Rückrunden seinen Anteil am Klassenerhalt, aber weder hätte man sagen können, wie lange er dieses Niveau spielen kann, noch hätte man ihm eine Laufbahn als Kapitän vorhergesagt. Dabei sah es vor etwas mehr als einem Jahr so aus, als wäre seine Zeit in der Bundesliga nach dem Pokalaus in Cottbus vorbei. Von diesem Tiefpunkt und dem des ganzen Teams hat Levels sich auf eine Weise wieder herausgearbeitet, dass er das eigentliche Symbol für die aktuelle Borussia darstellt.

Bleibt nur noch eines zu lösen: Sechs Tore von vier Stürmern zeigen das Problem vorne. Unter anderen Umständen wäre man geneigt, neue Leute dort zu fordern, allerdings deutet Bobadilla sein Talent so an, dass man ihm auf jeden Fall die Zeit geben sollte, es auch in Tore umzusetzen. Schließlich haben wir endlich mal die Möglichkeit, einen Spieler reifen zu lassen.


"Aus dem Fallen gelernt" von Thomas Häcki


Natürlich können sich die meisten von uns nicht mehr an ihre ersten Schritte erinnern. Aber es dürfte wohl niemand widersprechen, dass zum Erlernen des Laufens auch das Fallen gehört. Und so bedurfte es einer katastrophalen Saison mit einem schon unverschämt glücklichen Ausgang, um den Bedarf der KONTINUITÄT deutlich in den Köpfen der sportlichen Leitung zu verankern. So konnte es nicht weitergehen und alle Weichen wurden eben auf das Erreichen dieser Kontinuität gestellt. Mit Michael Frontzeck wurde ein Trainer geholt, der für diese Aufgabe nicht geschaffen schien. Bereits im Vorfeld wurde Kritik an seiner Verpflichtung laut - eine Kritik, die im Vorfeld in dieser Form zuletzt Hans Meyer (bei seinem ersten Engagement) entgegenschlug. Damals wie heute irrten sich die Fussballexperten ausserhalb des Führungszirkel von Borussia Mönchengladbach.

Schritt für Schritt sollte die Entwicklung der Mannschaft vorangetrieben werden. Und so ist es um so bemerkenswerter, dass bereits das erste Spiel in Bochum das Spiegelbild der gesamten Hinrunde darstellen sollte. Verwundert rieben sich die Beobachter der Begegnung zur Halbzeit die Augen. Man führte im Ruhrstadion zur Pause mit 3:0. Das war erfreulich. Sensationell hingegen war, wie diese Führungs zustande kam. Weit entfernt vom Rumpelfussball der vergangenen Saison kombinierte man gefällig und legte einen Spielstil an den Tag, den man zuletzt zu Zeiten eines Effenberg oder Dahlin gesehen hatte. Das Spiel endete 3:3, weil die Mannschaft zu "grün" war, um eine deutliche Führung über die Zeit zu bringen. Auch das zeichnet die Borussia der Hinrunde aus. Wer jedoch glaubt, die Punktverluste in Bochum und Leverkusen über den berühmten Kamm scheren zu können, der irrt gewaltig. Die Fohlenelf hat sich entwickelt. Spielerisch. Charakterlich. Eine Serie von fünf Niederlagen in Folge nebst dem peinlichen Pokalaus gegen Duisburg stellte sowohl die sportliche Führung als auch die Mannschaft vor eine harte Probe. Würde man die Kraft haben, die beschworene Kontinuität durchzuhalten? Man kann nur sagen, dass diese Prüfung mit Bravour gemeistert wurde.

Beachtenswert waren an dieser Krise zwei Dinge:

1.) Die Rückenstärkung Frontzecks durch Borussias Führungsetage war glaubhaft und richtig. Natürlich hätte man sich früher oder später auch im Borussia-Park nicht den Gesetzmäßigkeiten der Branche widersetzen können. Wenn man sich aber die frühzeitige Nervosität in Hannover, Berlin, Bochum oder zuletzt Nürnberg ansieht, kommt man zu dem Schluss, dass die Kontinuität keine leere Phrase war.
2.) Auch während der Krise brach das Team entgegen den Erwartungen nie auseinander. Natürlich wollte mancher Zeitgenosse die Fortschritte nicht sehen und die Pessimisten prophezeiten schon den dritten Abstieg herbei. Fakt ist aber, dass man sich fussballerisch auch während der Krise zum großen Teil ordentlich verkaufte und sich nicht die eine Abwärtsspirale begab.

Wer laufen lernen will, muss auch das Fallen in Kauf nehmen. Und wer fällt, muss wieder aufstehen. Eben das taten die Mannen um Michael Frontzeck eindrucksvoll. Natürlich werden auch zukünftig Siege in Hamburg und gegen Schalke nicht an der Tagesordnung sein. Bleiben wir bitte realistisch. Es stimmt aber zuversichtlich, dass man sich gegen Teams dieser Stärke keine Erfolge mehr ermauern muss. Taktisch und spielerisch ist der Borussia 2009 ein großer Sprung gelungen. Diesen gilt es in das neue Jahr mitzunehmen. Übertriebene Euphorie ist dabei fehl am Platz. Wir werden auch 2010 bittere und unnötige Niederlagen erleben. Das gehört zum Fussball wie das Tor und die Fans. Entscheidend ist aber, dass hier endlich etwas wächst. Chapeau an die Beteiligten.


"Das System als Erfolgsfaktor" Michael Heinen

Mit 21 Punkten hat man sich gegenüber der vorigen Rückrunde nur um einen Punkt gesteigert, dem höchst enttäuschenden 1.FC Köln konnte man nur 3 Punkte enteilen und bei einer Niederlage zum Rückrundenstart gegen den VfL Bochum wäre man wieder mittendrin im Abstiegskampf, den man gefühlt bereits ein wenig abgehakt hatte. Doch jene Gefühle sind es, die den entscheidenden Unterschied zu den reinen Zahlen ausmachen, und die dafür sorgen, dass Borussias Fans selbst nach der abschließenden Niederlage in Leverkusen höchst zufrieden auf die bisherige Spielzeit zurückblicken.

Borussia spielt endlich wieder Fussball. Die Punkte, die man erzielt hat, wurden nicht zusammengestochert, sondern waren allesamt hoch verdient. Selbst auswärts hat man das erste Mal seit über 10 Jahren bei Borussen-Spielen das Gefühl, dass die Mannschaft ernsthaft an einen Sieg glaubt - und das selbst nach einem Rückstand und bei vermeintlich deutlich überlegenen Gegnern. In Hamburg, München und Leverkusen fand man nach einem Rückstand jeweils zurück ins Spiel und präsentierte sich mit den Großen der Liga auf Augenhöhe.

Dass diese in 2 von 3 Fällen dennoch siegreich blieben, darf nicht verwundern, denn in den entscheidenden Momenten setzt sich die individuelle Qualität meist durch. Ein Rob Friend ist kein Mario Gomez, so wie ein Raul Bobadilla (noch) nicht mit Toni Kroos vergleichbar ist. Gerade die Stürmer, von denen keiner mehr als 2 Tore zu verzeichnen hat, bieten noch Luft nach oben, wenn man demnächst höhere Ambitionen verfolgen möchte.

Für diese Spielzeit war aber das realistische Ziel, sich von der Abstiegszone fernzuhalten und für die Zukunft eine Perspektive zu erkennen. Dies ist dem Team um Max Eberl und Michael Frontzeck eindrucksvoll gelungen. In den letzten beiden Transferperioden wurde sehr klug und weitsichtig eingekauft. Ein Trend, der sich zwingend fortsetzen muss, wenn man die finanziellen Nachteile gegenüber den ständigen Europacup-Teilnehmern wettmachen möchte.

Nicht übersehen werden sollte, dass es zwischenzeitlich eine lange Durststrecke von sieglosen Spielen gab, in denen am Projekt Kontinuität ernsthafte Zweifel aufkamen. Dass Max Eberl in dieser Phase zu keiner Zeit zauderte, sondern an seiner Trainerwahl festhielt, war die einzig richtige Entscheidung. Alles andere wäre inkonsequent und in gewisser Weise sogar inkompetent gewesen.

Borussia hat von dieser Entscheidung profitiert, denn Michael Frontzeck hat in dieser Vorrunde sehr vieles richtig gemacht. Sein Festhalten an einem System und an einer Stammelf, an der er auch nach schwächeren Auftritten festhielt, war ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Dante nimmt in der Defensive eine absolute Führungsrolle ein, wie sie bei Borussia seit Patrik Andersson niemand mehr ausgefüllt hat. Neben ihm wuchsen Roel Brouwers, Tobias Levels und - zumindest bis zu den letzten Wochen - Jean-Sebastien Jaures über sich hinaus und verliehen derselben Viererkette eine echte Qualität, der in der Vorsaison noch regelmäßig von stärkeren Gegnern ihre Grenzen aufgezeigt wurde. Da ließ es sich sogar verkraften, dass Logan Bailly nicht mehr an seine Vorjahres-Form anknüpfte und insgesamt bislang eine nur durchschnittliche Saison spielt.

Vorne überstrahlt Shooting-Star Marco Reus für die Medien alles. Aber auch die Bedeutung von einem Thorben Marx darf nicht unterschätzt werden, der stets solide sein Pensum abspielt. Juan Arango macht zwar immer den Eindruck, als könnte er noch mehr leisten. Aber selbst das, was er bislang zeigen konnte, ist enorm wertvoll. Das durch Michael Bradley abgerundete Mittelfeld zeichnete sich in der zweiten Hinrundenhälfte speziell durch seine Konstanz aus. Ein richtig schwaches Spiel wurde uns spätestens seit dem HSV-Sieg nicht mehr präsentiert.

Man darf gespannt sein, ob es Borussia gelingt, diese Konstanz auch ins neue Jahr rüberzuretten. Man hat schon viel erlebt als Borussen-Fan in den letzten Jahrzehnten. Aber irgendwie hat man dieser Tage eben jenes Gefühl, dass doch vieles anders ist als früher. Und mit diesem Gefühl läßt es sich sehr angenehm in die Weihnachtszeit gehen und ins neue Jahr rutschen.