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Es gehört zu den sogenannten "Mechanismen" der schönen neuen Medienwelt, dass nach dem Abgang eines Trainers sämtliche verfügbaren Kandidaten auf sämtlichen Kanälen in hübsch aufbereiteten Fotoserien vorgestellt werden. Insbesondere der Boulevard gefällt sich in wilden Spekulationen, die im vorliegenden Fall allein schon durch die Nennung von Jos Luhukay als absurde Raterei entlarvt werden. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass Max Eberl am Ende gar einen Kandidaten aus dem Hut zaubern könnte, mit dem aktuell die wenigsten rechnen. Lucien Favre z. B. galt 2011 im Vorfeld nicht wirklich zu den meistgenannten Kandidaten. Eine Aufzählung und Bewertung der "üblichen Verdächtigen" erscheint daher wenig zielführend. Eine Ausnahme möchten wir dennoch machen in Person von Thomas Schaaf. Nicht, weil dieser zwingend die beste oder einzige Wahl für Borussia sein muss, sondern eher weil er uns in der medialen Betrachtung oftmals zu schlecht weg kommt.

Borussias Anforderungsprofil an den neuen Trainer

Schauen wir uns zunächst einmal das Anforderungsprofil an, das den neuen Borussen-Trainer auszeichnen sollte. Das allerwichtigste wird nämlich sein, dass dieser zur Philosophie des Vereins passt: Daher sollte er

  • für Kontinuität und Verlässlichkeit stehen,
  • mit jungen Talenten arbeiten können,
  • gleichzeitig aber auch die Autorität mitbringen, um sich bei erfahrenen Nationalspielern Respekt zu verschaffen,
  • sich damit abfinden können, dass ihm nach jeder (erfolgreichen) Saison der Abgang der besten Spieler droht,
  • möglichst attraktiven Offensivfußball präferieren, in jedem Fall aber ein ansprechendes Konzept vorweisen können,
  • möglichst Erfahrungen im Abstiegskampf besitzen, der Borussia in den kommenden Monaten bevorstehen dürfte,
  • gleichzeitig aber idealerweise auch internationale Erfahrung, da sich Gladbach weiterhin in der Champions League befindet und mittelfristig gerne wieder an die Europacup-Ränge anklopfen würde.

Die eierlegende Wollmilchsau wird sich auf dem Trainermarkt nur wenige Wochen nach Saisonbeginn nicht finden lassen. "Die besten Trainer sind unter Vertrag", äußerte sich Eberl treffend. Von den verfügbaren Trainern erscheint Thomas Schaaf aber recht nah dran am oben beschriebenen Profil.

Erfolgreicher Umgang mit beschränkten Möglichkeiten

So ist erstaunlich, warum ein Jürgen Klopp in den vergangenen Tagen von vielen als einzig wahrer Heilsbringer für den angeschlagenen Verein dargestellt wurde, während Schaaf eher in einem Atemzug mit Trainern wie Slomka, Keller oder eben Luhukay genannt wird. Auch wenn es schon ein paar Jahre her ist, so hat er mit Werder Bremen sogar einen Titel mehr geholt als Klopp mit dem BVB. 1 Meisterschaft und 3 Pokalsiege sind aller Ehren wert mit einem Verein, der - ähnlich wie heuer Borussia und weit weniger als die Dortmunder - stets finanzielle Wettbewerbsnachteile auszugleichen hatte. Dies ist ihm an der Seite von Klaus Allofs über 10 Jahre hinweg in überragender Art und Weise gelungen, ohne dass er sich jemals übermäßig über diese Ungerechtigkeiten beschwert hätte.

Jahr für Jahr musste Werder immer wieder hochkarätige Abgänge verkraften, die das kongeniale Duo Allofs/Schaaf regelmäßig zu kompensieren verstand. Auf Andy Herzog folgte Micoud, auf diesen Diego und später Özil. Auf Ailton folgte Klose auf Pizarro Klasnic, um nur einige der klangvollen Namen zu nennen, die das Bremer Offensivspiel damals auszeichneten. Aber auch in der Defensive, die stets als Achillesferse des gebürtigen Mannheimers gesehen wird, spielten unter seiner Ägide Stars wie Mertesacker, Verlaat, Ismail oder Naldo.

Kontinuität und Verlässlichkeit

In seinen letzten 3 Jahren bei Werder zeigten sich tatsächlich Abnutzungserscheinungen, wie sie nach einem Jahrzehnt in einem Verein nur schwer zu verhindern sind. Es ist ebenso schwer zu begreifen, warum die Qualität der Einkäufe nach so langer Zeit kontinuierlicher Erfolge urplötzlich so dramatisch nachließ. Dies müsste aber dann in mindestens so großem Maße seinem Manager mit angelastet werden, der nach dieser Erfahrung folgerichtig ebenfalls als "verbraucht" anzusehen ist. Klaus Allofs hat allerdings zuletzt in Wolfsburg in überragender Weise seine weiterhin bestehende Klasse nachgewiesen. Es stellt sich die Frage, warum dies Thomas Schaaf nicht ebenso zugetraut werden sollte.

Dessen zweite Chance ergab sich im Vorjahr bekanntlich in Frankfurt, wo er keine überragende, aber eine sehr ordentliche Spielzeit ablegte. Mit einem Kader, der sicherlich nicht besser war als der aktuelle der Borussia platzierte er den Verein auf Rang 9 und damit 4 Plätze über dem Vorjahresergebnis. Vor jener Saison 2014/15 gehörte die Eintracht zumindest zum erweiterten Kreis der Abstiegsanwärter, ohne aber je ernsthaft in solcherlei Nöte zu geraten.

Sein Ende in Frankfurt wird trotzdem als Argument gegen seine Person ins Feld geführt, da auch Schaaf aus eigenen Stücken seinen Vertrag vorzeitig aufkündigte. Anders als Favre tat er dies aber nach dem Ende der Saison und bot der Eintracht somit ausreichend Zeit, sich um einen Nachfolger zu bemühen. Auch wenn es aus der Ferne nur schwer zu beurteilen ist, so erscheint seine Handlung durchaus konsequent, da er ganz offensichtlich nicht die Rückendeckung aller Entscheidungsträger im Verein genoss. Dass diese sich noch während seiner Amtszeit mit Sascha Lewandowski über eine potentielle Nachfolge unterhielten, und in der Presse aus Vereinskreisen zunehmend kritische Stimmen gegen den Coach zu vernehmen waren, war kein guter Stil und es ist nachvollziehbar, wenn sich ein so erfolgreicher Trainer wie Schaaf solch ein Verhalten nicht bieten lässt.

In Bremen hat er über 14 Jahre lang höchst loyal für den Verein gearbeitet und es wäre aberwitzig, wenn man ihn das Ende in Frankfurt als Charakterschwäche auslegen würde. Dass er ganz ohne Zweifel für Kontinuität stehen könnte, sollte nach 14 Jahren in Diensten von Werder Bremen ohnehin keine Frage sein.

Ausstrahlung und Autorität

In Gladbach hätte er zum einen mit Max Eberl einen Manager an seiner Seite, mit dem er im Optimalfall ein ähnlich kongeniales Duo bilden könnte wie einst in Bremen mit Allofs. Genau wie dieser ist Eberl ist ein Manager, der die Macht und die Glaubwürdigkeit hat, seinem Trainer bedingungslos zur Seite zu stehen. Schaaf mag nicht die mediale Ausstrahlung haben wie Klopp. Er ist aber ganz sicher eine starke Autoritätsperson, der sich auch bei Borussias Nationalspielern ohne Probleme Respekt verschaffen würde. Wer einen Ailton jahrelang im Griff hatte, der wird das hitzige Temperament eines Granit Xhaka nicht zu scheuen brauchen. Die zwingend benötigte, bedingungslose Rückendeckung würde er am Niederrhein anders als in Niederrad vorfinden. Mit seiner ruhigen, bedächtigen Ausstrahlung passt Schaaf zu einem Verein wie Borussia, der bei allen Erfolgen der Vergangenheit immer noch in der beschaulichen Provinz beheimatet ist.

Internationale Erfahrung und offensive Ausrichtung

Genau wie Borussia hat sich Schaaf trotzdem aber schon in Europa bewährt und mit Werder international einige beachtliche Spiele abgeliefert. Seine offensive Spielausrichtung, die oftmals als Makel gegen ihn verwandt wird, entspricht grundsätzlich der Philosophie der Fohlenelf. Wenngleich davon in den letzten Spielen nicht viel zu sehen war, so besitzt Borussia eine Vielzahl an hochkarätigen Offensivspielern, die unter einem neuen Trainer wieder deutlich aufblühen könnten. Wie oben bereits an den namhaften Verteidigern dargestellt, ist es eine Mär, dass Schaaf in Bremen überhaupt keinen Wert auf Defensive gelegt hätte. Der neue Borussen-Trainer wird ohnehin neue Lösungen für die schwierige Lage finden müssen und Schaaf wäre mit Sicherheit einer, der solche parat hätte.

Erfahrung im Abstiegskampf

Abstiegskampf kann er übrigens ebenso, wie er in Bremen in seinem ersten sowie in seinen letzten Jahren bewiesen hat. Sowohl 1999 als auch 2010 und 2012 gelang es ihm, Werder vor dem Gang in die Zweitklassigkeit zu bewahren und das zuletzt mit einem Kader, der schlechter ausgestattet erschien als Borussias aktueller.

Dass ihm mancherorts sein Alter von 54 Jahren negativ ausgelegt wird, ist fast schon als diskriminierend zu bezeichnen. Zur Erinnerung: Lucien Favre war 53 bei seiner Inthronisierung als Borussen-Coach. Ein Hans Meyer dereinst sogar 57. Dies entpuppte sich damals als ebenso goldrichtig wie in seiner zweiten Amtszeit, die er mit stolzen 61 Jahren beging. Für Meyer dürfte Schaaf somit als hoffnungsvoller Jungspund durchgehen. Es gibt sicher auch unter den jüngeren sogenannten "Laptop-Trainern" eine Reihe interessanter Kandidaten, die allerdings überwiegend unter Vertrag stehen und somit nur schwer verfügbar sein werden. Es ist aber anmaßend, einem Trainer der älteren Generation sämtliche taktischen Fachkenntnisse des modernen Fußballs abzusprechen. Ein Jupp Heynckes galt spätestens nach seiner zweiten Amtszeit in Gladbach als verbrauchter Ex-Coach, der in der Bundesliga kaum noch vermittelbar erschien. Kurze Zeit später belehrte er die Gralshüter des modernen Fußballs dann aber in Leverkusen und erst recht bei den Bayern eines Besseren und stieg erst im hohen Alter endgültig zu einem der besten Trainer der Welt auf. Erfolge lassen sich im Fußball auf vielerlei Weise erzielen und ein Trainer, der sein Können über so lange Zeit nachgewiesen hat, verliert nur ganz selten innerhalb weniger Jahre all seine Fähigkeiten.

Umgang mit jungen Spielern

Wer glaubt, ältere Trainer könnten nicht auf die Jugend setzen, der sollte sich einmal den Kader der Frankfurter aus der vergangenen Saison anschauen. Mit Stendera, Kittel und Piazon förderte Schaaf drei sehr hoffnungsvolle Mittelfeld-Talente und verschaffte ihnen regelmäßige Einsatzzeiten. Er ist vielleicht kein Trainer, der bedingungslos nur auf die Jugend setzt, aber ebensowenig hat er sich den Ruf seines Mentors Otto Rehhagel angeeignet, vornehmlich nur aufs Alter zu setzen.  

Fazit

Betrachtet man die reinen Fakten, so erscheint Thomas Schaaf zumindest als sehr interessante Alternative, über die der Verein ernsthaft nachdenken sollte. Jürgen Klopp weist zwar sportlich ähnlich große Erfolge auf, ist aber ohnehin nicht verfügbar - einmal ganz davon abgesehen, dass er unter den Borussen-Fans erheblich mehr polarisieren würde. Auf dem deutschen Markt gibt es ansonsten nicht mehr viele Kandidaten, die dem Anforderungsprofil von Borussia in solch einem Maße entsprechen. Es hätte sicherlich seinen Charme, einen jungen, modernen Trainer aus dem Hut zu zaubern, der sein Können vielleicht bereits in einer anderen Liga unter Beweis gestellt hat und eine gewisse Fantasie für die Zukunft bietet. Doch nicht jeder Jungtrainer entpuppt sich im Nachhinein als Thomas Tuchel. Die Gefahr eines Fehlgriffs erscheint hier deutlich höher und einen solchen kann sich Borussia in der momentan so prekären Situation kaum erlauben. Bislang wählte Eberl für Borussia zwei Trainerkandidaten aus, von denen der erfahrene Favre unwesentlich erfolgreicher agierte als der junge Frontzeck.

Im Gegensatz zu so vielen anderen Kandidaten, die durch die Gazetten schwirren, ist Thomas Schaaf bislang noch nirgendwo gescheitert. Selbst das schwankende Bremer Schiff hat er am Ende zumindest noch über Wasser gehalten. Max Eberl täte daher gut daran, sich intensiv mit diesem Mann zu beschäftigen und ggf. in einem direkten Gespräch auszuloten, ob er mit seinem Konzept in die vorgegebenen Leitplanken des Vereins eingefügt werden kann.