Warnung
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Selbst Hans Meyer wird von der Wirklichkeit manchmal überholt. Der Trend in der Bundesliga gehe zum Eintagstrainer, hatte der Thüringer zum Abschied gespöttelt. Gut zwei Monate später zeigt sich: Meyer war noch zu zahnlos. Zumindest in Mainz geht der Trend zum Nullbundesligaspieltagstrainer. Dass die Bundesliga die erste Trainerentlassung schon nach wenigen Runden vermeldet, ist nichts Ungewöhnliches. Wer einen gefeierten Aufstiegstrainer aber bereits vor der ersten Bundesligapartie wieder beurlaubt, der muss auf eine Häufung der Worte Chaos und Karneval in der Berichterstattung gefasst sein.

 

So mag der Tenor dieses Kommentars überraschen: Einiges spricht dafür, dass die Mainzer klug und vorausschauend gehandelt haben. Es waren ja nicht die wenig erquicklichen Testspielergebnisse und das blamable Pokalaus allein. Schon nach dem 1:4 gegen Aachen in der letzten Rückrunde wurde vertrauenswürdig von heftigen Kontroversen zwischen Sportdirektor Heidel und Trainer Andersen um die künftige Ausrichtung der Arbeit berichtet. Dass der Bruch damals, den Aufstieg in Reichweite, nur notdürftig gekittet werden konnte, wurde während der Vorbereitung immer wieder offenkundig. Eine veritable Lawine kritischster Artikel, auch von der seriösen Lokalpresse und bis hin zur Frankfurter Allgemeinen, immer unverhohlenere Distanzierungen seitens der Verantwortlichen - die Vorwürfe waren immer die gleichen: Der Trainer habe sich vom Teamplayer zum autokratischen Konditionsfanatiker gewandelt, der den Spielern nötige Ruhepausen verweigere und an der Fülle von Verletzungen in der Vorbereitung mitschuldig sei. Die eindringlichen Warnungen seitens Assistenten und Ärzten missachte er, Einzelgespräche mit Spielern seien ebenso zur Rarität verkommen wie teambildende Maßnahmen, Vermittlungsversuche innerhalb der sportlichen Leitung seien immer wieder gescheitert.

Was davon stimmt, ist aus der Ferne kaum zu beurteilen, aber auch gar nicht entscheidend. Offensichtlich ist, dass sich zwischen dem Trainer und den übrigen Verantwortlichen ein grundsätzlicher Dissens entwickelt hatte über den Geist, der Training, Spiel und Kommunikation bestimmen soll. Ist das der Fall, so ist eine Trennung die logische Konsequenz. Der Zeitpunkt mag überraschen, aber hätte es einen besseren gegeben? Gleich nach Ende der letzten Saison, also unmittelbar nach dem Aufstieg? Es bedarf nicht viel Phantasie sich vorzustellen, wie viel Hohn und Spott dann auf die Mainzer herab geregnet wäre. Und war die Hoffnung wirklich so vermessen, während der Vorbereitung die einstige Basis der gemeinsamen Arbeit wiederzufinden? Oder umgekehrt: Hätte man die branchenübliche Farce einiger Spieltage voll verlogener Treuebekenntnisse vorziehen sollen, vielleicht verlängert durch den einen oder anderen glücklichen Sieg?

Was hat all das mit der Borussia zu tun, abgesehen davon, dass Entwicklungen bei einem direkten Konkurrenten im Abstiegskampf für sie naturgemäß von Interesse sind? Durch den vor allem spielerisch überzeugenden Sieg im Pokal hat sich die Stimmung entspannt, vereinzelt sogar schon euphorisiert. Aber man weiß, wie schnell sich das drehen kann, insbesondere mit Hertha und Werder an Spieltagen zwei und drei vor der Brust. Läuft es ganz dumm, kann eine unheilige Allianz aus jenem Teil der Presse, der namentlich nicht genannt werden muss, und den tumberen, manipulierbareren unter den Fans im Stadion, schneller wieder nach rollenden Köpfen gieren, als man sich momentan vorstellen kann und will.

Interessanterweise aber sollte gerade das Mainzer Beispiel zur Gelassenheit mahnen. Oben war vom Geist die Rede, der Training, Spiel und den Umgang miteinander prägen sollte. Viel spricht dafür, dass bei Borussia hinsichtlich dieses Geistes – oder, wie Max Eberl lieber formuliert, dieser Philosophie – eine große Übereinstimmung unter den sportlich Verantwortlichen besteht. Dass dies, und nicht Tabellenplätze der Vergangenheit, entscheidendes Kriterium bei der Trainersuche war, wurde Eberl nicht müde zu betonen. Und so richtig es ist, sich frühzeitig zu trennen, wo solche Übereinstimmung fehlt, so richtig ist es, den berühmten „Mechanismen des Geschäfts“ zu widerstehen, wo sie besteht. Insofern wird Michael Frontzeck der Hinrunde mit einiger Ruhe entgegen sehen können, und dies zu Recht. Die erste Trainerentlassung der Saison mag ungewöhnlich früh erfolgt sein. Die zweite aber, diese Prognose sei hier gewagt, wird bestimmt nicht aus Mönchengladbach vermeldet werden, und zwar selbst dann nicht, wenn die ersten Spiele sehr viel weniger erfolgreich verlaufen sollten, als es sich alle Anhänger der Borussia wünschen.