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Länderspielpausen sind für einen Fußballverein wie Borussia eine ärgerliche Angelegenheit. Nicht nur sind viele Spieler tagelang mit ihren jeweiligen Auswahl-Teams unterwegs und stehen Lucien Favre nicht für die eigenen Übungen zur Verfügung. Auch geraten in Ermangelung echten Fußballs andere Themen in den Fokus der Öffentlichkeit. In diesen Tagen ist das die Vertragssituation diverser Spieler aus dem Kader – speziell die des vermeintlich vielumworbenen Torwarts Marc-André ter Stegen, die der Spieler, deren Verträge zum Ende dieser Saison auslaufen und die Zukunft der Spieler, die bisher nur wenig zum Einsatz kamen.

Die Gier nach der guten Geschichte

Wer im Fußball im Ruch steht, Insider zu sein, der muss seine Zunge hüten und sollte jedes Wort, bevor es diese Zunge verlässt, einer ausgiebigen Prüfung unterziehen. Das wurde in dieser Woche wieder deutlich, als Medien Borussias Präsidiumsmitglied Hans Meyer zu einer Lesung vor Schülern begleiteten, und aus dem unbedarften Frage-Antwort-Spiel zwischen den Kindern und der Vereinsikone glaubten, Informationen zur Vertragssituation einiger Spieler heraushören zu können. Die Gier der Kollegen nach exklusiven Informationen und die verständliche Haltung Meyers, mit Kindern plaudern zu können, wie man mit Kindern halt plaudert, mögen zu diesem Missverständnis geführt haben. Dass ausgerechnet Meyer, sicher einer der schlauesten und wortgewandtesten Charaktere im Verein, sich in einer so brisanten Angelegenheit verplappert, ist unwahrscheinlich bis ausgeschlossen. Am Ende steht jedenfalls ein für alle Seiten peinliches offizielles Dementi auf der offiziellen Vereinshomepage.

Wenngleich in diesem Fall dem Dementi der Vereinsoffiziellen wohl Glauben zu schenken ist, sollte man sich ansonsten hüten, alles zu glauben, was Borussia zu den anstehenden und laufenden Vertragsverhandlungen mit Spielern des eigenen Kaders und zu möglichem Interesse an Spielern anderer Vereine verlauten lässt. Max Eberl hat erfahrungsgemäß wenig Probleme damit, Medienvertretern das Blaue vom Himmel herunterzuschwindeln, wenn es darum geht, die Vereinsinteressen zu wahren. Und so möge der Sportdirektor verzeihen, wenn wir bei der Betrachtung der anstehenden Entscheidungen das, was er bisher so erzählt hat und in Zukunft noch erzählen wird, mit äußerster Vorsicht behandeln.

Wo ist Zubizarreta heute?

Im Fall Marc-André ter Stegen überschlagen sich die Medien geradezu mit sogenannten Nachrichten. Jede Silbe, die die für ihre Seriosität berühmte spanische Sport- und Boulevardpresse zum Thema absondert, wird begierig aufgesogen und als „heißes Gerücht“ verkauft, so absurd es auch sein mag. Versuchen wir, Legende von Tatsache zu trennen und die Geschichte auf das Wesentliche zu reduzieren: spanische Vereine, vor allem der FC Barcelona, haben ter Stegen „auf dem Zettel“: Der Torwart kann sich vorstellen, Borussia in absehbarer Zeit zu verlassen, hat aber recht konkrete Vorstellungen von seiner Zukunft – sowohl finanziell als auch sportlich. Er kann sich unter Umständen, die seinen Vorstellungen entgegenkommen, auch vorstellen, einen neuen Vertrag bei Borussia zu unterschreiben. Gespräche dazu laufen. Das ist der Stand der Dinge, alles andere ist Stochern im Nebel.

Kurz angestochert: zu ter Stegens sportlichen Vorstellungen wird nicht gehören, in irgendeinem Verein die Bank zu drücken. Dass das Fußballerleben kein Wunschkonzert ist, weiß der Torwart spätestens seit seinen unerfreulichen Erlebnissen als letzter Mann hinter der löchrigen deutschen Nationalmannschaftsabwehr, die seine Karriere im Löw-Team vorerst beendet haben. So wird er sich hüten, einen Wechsel zu vollziehen, der ihn am Ende als Bankdrücker dasitzen lässt. Zu Barcelona oder irgend einem anderen hochmögenden Verein wird er nur gehen, wenn er weitgehend sicher sein kann, dass man mit ihm als Nummer Eins plant. Ter Stegen weiß, welchen Verlauf die Karrieren von Kollegen wie Timo Hildebrand oder Robert Enke nach ihrem jeweiligen Wechsel in den Süden genommen haben und wird wenig Neigung haben, in ein paar Jahren dankbar ein Vertragsangebot – beispielsweise - von Eintracht Frankfurt annehmen zu müssen. So sollte man eine mögliche Verlängerung des Vertrages in Mönchengladbach nicht als Treuebekenntnis zum Verein werten, sondern schlicht als kühl kalkulierten klugen Schritt einer ziemlich durchdesignten Fußballerkarriere. Borussia tut gut daran, einer Verlängerung ihrerseits nur zuzustimmen, wenn die in einen neuen Vertrag hineinzuschreibende Ausstiegsklausel eine erkleckliche Einnahme in Aussicht stellt. So erfreulich es wäre, einen der besten deutschen Torhüter noch eine Saison länger im Verein halten zu können, so sollte man doch gut überlegen, was wirtschaftlich vernünftig ist. Eine Witz-Klausel wie seinerzeit bei Dante sollte man sich nicht abschwatzen lassen. Vernünftiger wäre es in so einem Fall dann wohl doch, sich nach einem vernünftigen Ersatz für ter Stegen umzusehen. Dabei kann Borussia ruhig selbstbewusst sein: der Verein gehört in Deutschland inzwischen sicher zu den attraktiveren Arbeitgebern und kann ordentliche Gehälter zahlen, wenngleich man als Spieler in Mönchengladbach beim Vertragspoker zum Glück keine Fantasiesummen aufrufen kann. Abschließend zu terStegen: denkbar ist die ebenfalls in den Medien schon hinlänglich diskutierte Variante „Dortmund“. Vor diesem Hintergrund sollten wir dann doch dankbar sein, dass Roman Weidenfeller auf seine alten Fußballertage noch zum Nationalspieler avanciert ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in Dortmund kurzfristig aufs Abstellgleis geschoben wird, ist dadurch zumindest nicht größer geworden.

Wer ist Auslaufmodell?

Die Personalie ter Stegen ist die schlagzeilenträchtigste, aber längst nicht die einzige, über die sich Borussia Gedanken machen muss. Der Vertrag mit ter Stegens Stellvertreter Christofer Heimeroth läuft zum Ende der Spielzeit aus. Heimeroth ist in gewissem Sinne der ideale Ersatztorwart. Loyal und ohne Ambitionen, die Nummer Eins zu werden. Allerdings muss sich der Verein fragen, ob man dem Ersatzmann im Notfall tatsächlich auch zutraut, mehrere Wochen lang das Tor eines ambitionierten Bundesligisten zu hüten. Nur wenn Borussia diese Frage im Fall Heimeroth mit „ja“ beantwortet, sollte sie den Vertrag verlängern.

Zauberfuß ziehen lassen?

Dass einem Spieler wie Juan Arango auch in der kommenden Saison noch Geniestreiche wie der Ausgleich gegen den 1.FC Nürnberg zuzutrauen sind, sollte Konsens sein. Wie um alles in der Welt kann Borussia sich zieren, dem Mann aus Venezuela ein neues Angebot zu machen, fragt sich spätestens nach dem vergangenen Spieltag so mancher Fan. Die Antwort liegt vermutlich weniger auf dem Platz als auf dem Konto. Arango ist Top-Verdiener im Borussenkader und wird wenig Neigung verspüren, sich auf Gehaltseinbußen einzulassen. Auch dürfte der 33-jährige einiges Interesse an einer Vertragsdauer von zwei Jahren haben. So muss Borussia genau abwägen: was bekommt sie, was gibt sie, wenn sie den Vertrag mit Arango verlängert. Die Treuebekenntnisse des Spielers, der angeblich davon träumt, seine Karriere in Gladbach zu beenden, darf man getrost als Pokerfinte werten. Arango wird nur bleiben wollen, wenn er seine Vorstellungen halbwegs durchsetzen kann. Borussia sollte den Vertrag nur verlängern, wenn der Verein der Meinung ist, dass sich das auch mittelfristig rechnet. Stand heute wäre es eine Affenschande, einen der besten Fußballer, die je das Gladbacher Trikot getragen haben, zu verlieren. Aber: der ohnehin gelegentlich zum Phlegma neigende Arango wird mit fortschreitendem Alter sicher nicht dynamischer und mit der Sicherheit eines „Rentenvertrages“ vielleicht auch nicht motivierter. Auch wenn das Herz sagt, der Mann muss bleiben, solange er aufrecht stehen kann: Arango zu halten, wäre schön, ihn um jeden Preis zu halten, wäre unvernünftig.

Hinten alt

Gleich drei Verträge laufen bei Borussias Abwehrspielern aus: Martin Stranzl, Roel Brouwers und Filip Daems müssen sich gemeinsam mit dem Verein Gedanken um ihre Zukunft machen. Dass Stranzl bleiben kann, wenn er möchte, hat der Verein durchblicken lassen. Angesichts der Rolle, die der Österreicher auch in dieser Saison in vielen Spielen einnimmt, ist das vernünftig. Ein Gurkenspiel wie gegen Nürnberg hat Stranzl nur äußerst selten im Programm. Weitaus häufiger ist er – auch in fortgeschrittenem Alter – der Turm in der Schlacht, wie zuletzt zum Beispiel beim Heimsieg gegen Dortmund.

Während Stranzls Lobby groß ist, müssen sich die beiden neben dienstältesten Feldspieler im Borussen-Kader offenbar deutlich mehr Sorgen um ihren Verbleib am Niederrhein machen. Ein eindeutiges Bekenntnis zur Verlängerung ihrer Verträge gibt es seitens Borussia für Roel Brouwers und Filip Daems bisher nicht. Dabei spricht gegen die beiden im Grunde nur eins: ihr Alter. Dabei sollte man durchaus differenzieren: Daems ist 35, das ist in der Tat für einen Profi-Fußballer schon ZWAR-Zeit.

Brouwers dagegen ist gerade erst 32 Jahre alt geworden, ihn jetzt schon als reif für die Fußballerrente zu betrachten, wäre geradezu absurd. Brouwers liefert seit Jahren so selbstverständlich ab, wenn er gefordert ist und fügt sich so gleichmütig in seine Rolle als Backup, dass man leicht vergisst, was man an ihm hat. Vielleicht wäre es aus Sicht des Südlimburgers taktisch klüger, würde auch er mit vermeintlichen Angeboten anderer Vereine kokettieren oder öffentlich Forderungen stellen, aber das ist seine Sache nicht. Borussia aber muss wissen: mit Roel Brouwers hat sie einen der besseren Innenverteidiger der Bundesliga im Kader, der jederzeit das Zeug zum Stammspieler hat und der die Degradierung nach Verpflichtung des wenn überhaupt nur um Nuancen stärkeren Alvaro Dominguez klaglos hingenommen hat. So richtig es ist, sich in der Defensive über eine weitere Verjüngung des Kaders Gedanken zu machen, so riskant wäre es, einen solchen Mann ohne Not ziehen zu lassen. Dass inzwischen klar ist, dass man den erst 24-jährigen Tony Jantschke ebenfalls jederzeit in die Innenverteidigung setzen kann und mit Havard Nordtveit einen weiteren jungen potenziellen Mann für diese Position im Kader hat, sollte den Verjüngungsdruck für diesen Mannschaftsteil verringern. Mindestens ein Jahr sollte Borussia Brouwers noch an sich binden, gerne auch zwei.

Auch Filip Daems liefert mit 35 Jahren noch zuverlässig gute Leistung ab. Seit mit Oscar Wendt ein echter Konkurrent auf der Position des linken Verteidigers im Kader ist, hat sich der Belgier gesteigert und - sofern fit – seinen Stammplatz behauptet. Erstmals scheint Wendt jetzt vorbeigezogen zu sein. Abermals stoppte eine Verletzung den Kapitän und endlich spielt Wendt so, dass man nicht bei jedem zweiten Spielzug für die Genesung Filip Daems‘ beten möchte. Für Daems könnte das fatale Folgen haben. Dass Borussia sich bei einem Spieler seines Alters Gedanken macht, ist nur natürlich. Die Verlängerung des Vertrages um ein Jahr wäre sicher kein Fehler, sollte sich aber eine Alternative mit Perspektive auftun, könnte die Vernunft auch eine Trennung zum Saisonende gebieten.

Fazit

„Es gibt keine Erbhöfe, es zählt nur die Leistung“. So lässt sich Max Eberl im Blick auf die anstehenden Gespräche zitieren. Nimmt man ihm beim Wort, müssen alle Verträge verlängert werden. Die Wahrheit ist, wie dargelegt, komplexer, der Ausgang der Gespräche zu diesem Zeitpunkt völlig offen. Die momentan komfortable sportliche Situation nimmt den Druck, etwas verändern zu müssen, Eberl und Co werden sich aber nicht davon blenden lassen. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, zukunftsträchtige Transfers zu tätigen, wird das geschehen, auch wenn sich im Moment keine Notwendigkeit zeigt. Auf der anderen Seite heißt das, dass für verdiente Spieler irgendwann kein Platz mehr im Kader ist. Dankbarkeit ist eine erfreuliche Tugend, für die im Geschäft Profifußball aber realistisch gesehen kaum Platz ist.