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Wir schreiben den 17. Oktober 2008. Borussia Mönchengladbach steht in der Bundesliga nach 8 Spieltagen mit sage und schreibe 4 Punkten am Tabellenende, hinter Vereinen wie Energie Cottbus und Arminia Bielefeld. Sechs der ersten sieben Saisonspiele wurden verloren. Im DFB-Pokal ist die Mannschaft gegen Cottbus sang- und klanglos ausgeschieden. Das 2:2 gegen Bochum erleben Spieler wie Gospodarek, Gohouri, Svärd, Paauwe, Matmour und Friend auf dem Platz. Nachdem Trainer Jos Luhukay eine Woche zuvor gefeuert wurde, trainiert der eigentliche Sportdirektor Christian Ziege die Mannschaft als Interimstrainer.

Wir schreiben den 17. Oktober 2018. Borussia Mönchengladbach steht in der Bundesliga nach 7 Spieltagen mit 14 Punkten auf Platz 3 der Tabelle. Während der Länderspielpause - in der die müde deutsche Nationalmannschaft verdiente Niederlagen gegen die Niederlande und Frankreich einfährt - dürfen sich die Fans noch über den 3:0-Sieg in München freuen. Die Qualifikation fürs internationale Geschäft scheint in dieser Saison möglich, vielleicht winkt sogar die Champions League.

Das sind zwei Momentaufnahmen, auf deren Gegenüberstellung man nicht verzichten kann, wenn man Max Eberl zu seinem 10jährigen Dienstjubiläum als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach am 19.Oktober 2018 gratulieren möchte. Die Gratulation ist mehr als angebracht. Zunächst sah die Beförderung des bisherigen Nachwuchskoordinators Max Eberl zum Sportdirektor aus der Außenperspektive aus wie ein erneuter Akt der Verzweiflung angesichts dessen, dass der neue Trainer Hans Meyer mit Christian Ziege als Co-Trainer (oder Ziege unbedingt als Co-Trainer unter Meyer) arbeiten wollte und man nun einen neuen Sportdirektor brauchte. Viel zu unerfahren sei der neue Mann, war noch eines der milderen Urteile.

Im Nachhinein jedoch entpuppte sich diese Maßnahme als der größte Glücksgriff in der jüngeren Vereinsgeschichte - in meinen Augen noch vor der Verpflichtung eines Trainers wie Lucien Favre und auch noch vor der Verpflichtung bzw. Ausbildung von Spielern wie Dante, Reus, Arango, ter Stegen, Xhaka oder Stindl (eine willkürliche Aufzählung guter Verpflichtungen bzw. gelungener Entwicklung von Spielern aus der Ära Eberl). Denn mit Max Eberl betrat nicht - wie schon häufig erlebt - ein x-beliebiger Ex-Spieler die Bühne, der zufällig zum richtigen Zeitpunkt mit dem Fahrrad an der Geschäftsstelle vorbeigefahren war. Nein, Herr Vogts, mit Max Eberl betrat ein Mann die Bühne, der Borussia Mönchengladbach in dem seither vergangenen Jahrzehnt geprägt hat, wie es als Sportdirektor zuvor nur Helmut Grashoff vermocht hatte. Eberl - das wusste damals nur keiner in der Öffentlichkeit - hatte sich zum einen schon während seiner aktiven Zeit durch entsprechende Ausbildungen und einen wachen Beobachterblick bei seinen sportlichen Stationen gut auf seine zukünftige Aufgabe als Sportfunktionär vorbereitet. Und Eberl hatte einen klaren Plan, eine Idee, wohin sich Borussia Mönchengladbach entwickeln ließe.

Borussia Mönchengladbach war damals ein mäßig gut geführter Verein mit einem - aus der Außenperspektive - deutlich ausbaufähigen Betriebsklima. Zwar hatte man wirtschaftlich zwei Bundesligaabstiege einigermaßen verkraftet, das Renommee hatte jedoch erheblich gelitten. Die Ära Pander/Advocaat war noch in wacher Erinnerung, neu verpflichtete Spieler wurden in der Regel bei Gladbach nicht besser, sondern schlechter und es gab nicht nur einen Fall, bei dem man den Eindruck hatte, dass Spieler geradezu offensichtlich froh waren, den Verein wieder verlassen zu können. Von dem einstigen Fohlenimage, dem eines Ausbildungsvereins, der Spieler entwickelt und es trotz des stetigen Abgangs zu Stars gereifter Leistungsträger immer wieder schafft, sich in der erweiterten Bundesligaspitze zu halten, war buchstäblich nichts mehr übrig.

Dass Borussia heute in Europa wieder als attraktive Adresse gilt, wohin man ohne Bedenken wechseln und wo man sich bei gutem Verlauf für weitaus größere Aufgaben empfehlen kann, ist in erster Linie Max Eberls Verdienst. Max Eberl hat mit seinem vernünftigen und realistischem Blick, mit dem Ziel, den Verein sportlich Schritt für Schritt zu entwickeln anstelle mit brachialen Maßnahmen und wirtschaftlich nicht hinnehmbaren Risiken einen Angriff auf die Spitze zu starten, den für Borussia Mönchengladbach einzig gangbaren Weg eingeschlagen. Der Erfolg gibt ihm mehr als Recht.

Kritiker mögen nun einwenden, dass da auch jede Menge Glück im Spiel war. Daran ist nur richtig, dass es ohne Glück nicht geht und dass, wenn Borussia nicht nur kein Glück gehabt hätte, sondern wenn auch noch Pech dazu gekommen wäre, dass dann die Geschichte auch hätte anders enden können (man blicke nach Kaiserslautern). Das Wesentliche aber - und da hört das Glück auf - ist, dass Max Eberl in Mönchengladbach - selbstverständlich zusammen mit den übrigen verantwortlichen Personen in der Vereinsführung, sportlich aber in erster Linie er - Rahmenbedingungen geschaffen hat, die es den ganzen sportlichen Glücksgriffen von Reus über Favre bis hin zu Plea erlaubt haben, von Borussia Mönchengladbach getätigt zu werden und bei Borussia Mönchengladbach ihr Potential zum Glücksgriff auch auszuschöpfen. 

Weil das so ist und weil deshalb in meinen Augen Max Eberl der entscheidende Mann für den Aufschwung des letzten Jahrzehnts ist, tut es gut zu lesen, dass Max Eberl seine Aufgabe in Gladbach nicht als die eines Passanten, sondern als noch lange nicht abgeschlossen ansieht. Wollte man die Schnelllebigkeit des Fußballs völlig ausblenden, würde man sagen: Auf die nächsten 10 Jahre!!!