Ganz offen gestanden ist es nicht einfach, eine Nachbetrachtung zum Spiel von Borussia Mönchengladbach gegen die TSG Hoffenheim zu schreiben. Zu viele widerstreitende Argumentationslinien ergeben sich aus dem Verlauf des Spiels, dessen Einordnungen durch die Verantwortlichen des Vereins, aber auch aus dem Verlauf der letzten Wochen und Monate, in deren Kontext das Spiel einzuordnen ist.

Nähert man sich dem Spiel im Kontext des Saisonverlaufes zunächst aus dem rein statistischen Blickwinkel, kommt man nicht um die Feststellung herum, dass sich Borussia in einer handfesten Krise befindet. Oder anders gesagt: Dass es Borussia auch gegen Hoffenheim nicht gelungen ist, diese Krise zu beenden. Auch das siebte Bundesligaspiel in Folge konnte nicht siegreich gestaltet werden,  13 Punkte aus 12 Spielen bei bisher nur drei Siegen sind eine extrem ernüchternde Bilanz.  Auch einige statistische Werte aus dem Spiel selbst sprechen nicht gerade für Borussia: 2:6 Ecken, knapp 83% angekommene Pässe im Verhältnis zu mehr als 86% bei Hoffenheim, mehr Fehlpässe aus dem Spiel heraus, mit 46,5% weniger Ballbesitz als der Gegner, weniger geschlagene Flanken und schließlich eine um insgesamt mehr als 5 km geringere Laufleistung als Hoffenheim.  All das scheint dafür zu sprechen, dass Hoffenheim nicht unverdient einen Punkt geholt hat.  

Hat man jedoch das Spiel gesehen,  bleibt eine andere Erinnerung haften, nämlich die an eine über weite Strecken überlegene Borussia, die den Sieg in 10 Minuten Tiefschlaf nach der Halbzeit und durch die Nichtverwertung einiger hundertprozentiger Torchancen verschenkt hat. Eingeordnet in den Gesamtkontext der letzten Wochen bedeutet das: Nach der Niederlage auf Schalke durfte man zu Recht eine deutliche taktische Fehlleistung von Trainer und Mannschaft zu kritisieren. Die Spiele gegen Hamburg und Frankfurt waren grauenhaft anzuschauen, die Niederlage gegen Hertha BSC vielleicht der absolute Tiefpunkt.   Seither – gegen Köln in der ersten Halbzeit,  gegen Manchester City über große Teile des Spiel und in gleicher Weise auch am Wochenende gegen Hoffenheim – scheint es eigentlich aufwärts zu gehen: Das Spiel der Mannschaft sieht wieder ansehnlicher aus. Defensiv ist wieder eine bessere Struktur zu erkennen.  Man arbeitet sich Chancen heraus.  Gegen Hoffenheim war auch in der zweiten Halbzeit deutlich der Wille zu erkennen, dieses Spiel noch zu gewinnen (anders als z.B. gegen Köln).   Es könnte also sein, dass sich die Mannschaft gerade Schritt für Schritt aus der Krise herausarbeitet und dass – anders als gegen Schalke, Hamburg, Frankfurt oder Hertha BSC – nur die Ergebnisse nicht stimmen, die Richtung des Spiels aber schon.

Vordergründig sind deshalb auch die Einlassungen der Verantwortlichen des Vereins nachvollziehbar, die sich davon überzeugt geben, auf dem richtigen Weg zu sein und – wie André Schubert am Wochenende zitiert wird – im Spiel gegen Hoffenheim nicht viel falsch gemacht zu haben. Auch die in Fankreisen gern gehörte Argumentation, wonach der Trainer schließlich nichts dafür könne, wenn die Spieler das Tor nicht treffen oder defensiv individuelle Fehler machen, die zu Gegentoren führen, lässt sich unter dieser Prämisse hören.

Unabhängig davon ob man die Einlassungen aus dem Verein als Schönrednerei ansieht, wahlweise aufgrund einer betriebsblinden Fehlwahrnehmung oder bewusst gewählt als strategisches Mittel zur Beschwichtigung der offensichtlich nicht guten Stimmung: Es bleiben Fragen, die sich alle Beteiligten stellen müssen, also sowohl Trainer und Mannschaft, aber auch das Management.

Da ist zunächst die Frage nach der Fitness. Nicht erst in der zweiten Halbzeit gegen Köln hatten einige Beobachter den Eindruck, die Mannschaft könne nicht mehr nachlegen. Wenn Hoffenheim  - übrigens betreut von demselben Athletiktrainer, der Borussia zuvor zur laufstärksten Mannschaft der Bundesliga gemacht hat – am Samstag volle 5 Kilometer mehr Wegstrecke zurückgelegt hat als die Spieler von Borussia Mönchengladbach, ist das mehr als ein statistischer Wert. Das sind Welten, die sich zudem in die Bundesliga-Gesamtstatistik einfügen, in der Borussia laut den vom Kicker veröffentlichten Durchschnittswerten  dieser Saison (Laufleistung pro Spiel und Mannschaft) mittlerweile fast einen Kilometer hinter dem Bundesligadurchschnitt zurückliegt. Im Vergleich zur Saison 2014/15 ist die durchschnittliche Laufleistung der Mannschaft pro Spiel von 118,69 km auf heute 112,19 km zurückgegangen, der Rückgang ist deutlich stärker als im Bundesligadurchschnitt (von 116,18 km in 2014/15 auf 113,05 km in 2016/17). Selbst wenn Laufleistung nicht um Ihrer selbst willen zum Wert an Sich erhoben werden darf: Für ein Team, das jahrelang davon gelebt hat, über mannschaftliche Geschlossenheit jeden Winkel des Platzes besetzen zu können, sind diese Zahlen besorgniserregend. Auch die im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich zahlreicheren (muskulären) Verletzungen sprechen dafür, dass Borussia bei der Planung der Nachfolge für Chris Weigl vielleicht zu kurz gesprungen ist.

Es mag Zufall gewesen sein, dass es ausgerechnet Fabian Johnson war, der sich am Samstag in Mittelstürmerposition mit dem phantastischen Zuspiel von Mo Dahoud konfrontiert sah und allein auf den gegnerischen Torhüter zugehen konnte. Dass jedoch Fabian Johnson in den letzten Wochen mehrfach bei kritischen Ergebnissen als Stürmer eingewechselt werden musste (und auf dieser Position nichts bewirkte), lässt auf eine Lücke im Kader schließen.  Diese ist dadurch entstanden, dass die Planstelle von Branimir Hrgota nicht wieder besetzt wurde, obwohl man sich des langwierigen Ausfall s von Josip Drmic sicherlich bewusst war.

Schließlich lassen sich bei der Entstehung von Gegentoren Muster erkennen, die sich bereits in der letzten Rückrunde abgezeichnet haben: Da ist zum einen immer wieder zu beobachten, wie mehrere Spieler gleichzeitig einen ballführenden Gegenspieler attackieren, dabei jedoch in ihrem Rücken Räume öffnen, die mit „Scheunentor“ noch wohlwollend beschrieben sind.  Zu beobachten am Samstag beim Gegentor, in diesem Fall kombiniert mit dem zweiten sichtbaren Muster, nämlich dass insbesondere die Räume vor dem Strafraum oft unbesetzt bleiben. Das hat zur Folge, dass der Gegner entweder Distanzschüsse setzen kann – so Amiri am Wochenende – oder aber aus dem Strafraum abgewehrte Bälle oft gewinnt und einen zweiten Angriff starten kann. Gingen die ersten beiden Fragen eher ans Management, ist dieser Punkt eine Frage an Trainer und Mannschaft. An den Trainer, weil dieser sich fragen lassen muss, ob diese sich wiederholenden Szenarien in der Trainingsarbeit ausreichend vermittelt werden. An die Mannschaft, weil es möglicherweise trotz Einübens im Training schlicht und einfach Aussetzer, Konzentrationsschwächen sind, die immer und immer wieder zu solchen Fehlern führen.

Aufgrund der dargestellten widersprüchlichen Aspekte hinterlässt das Spiel gegen Hoffenheim den Verfasser dieser Zeilen einigermaßen ratlos. Ob wir den Beginn des Endes der Krise gesehen haben oder nur ein weiteres für diese Krise symptomatisches Spiel wird sich wohl erst in der Rückschau nach einigen weiteren Spielen beantworten lassen.