Die Saison ist vorbei. Der richtige Zeitpunkt, noch einmal alles "Paroli laufen" zu lassen, ein Resümee zu ziehen und einen Ausblick auf verschiedene Aspekte der Kaderplanung für die neue Saison zu wagen. Trotz des am Ende guten Ausgangs mit Platz 4 und dem Erreichen der Champions-League-Qualifikation war es eine Saison, die wohl für jeden einzelnen Spieler nicht nur Licht, sondern auch Schatten bot. Bot der missglückte Start Anlass für jede Menge Ängste (bis hin zur Abstiegsangst) kippte die Stimmung fast unmittelbar in Richtung Euphorie. Die vielen Gegentore am Ende der Hinrunde und der schlechte Start in die Rückrunde ließen einen Rückfall ins Mittelmaß befürchten, ehe sich die Mannschaft schließlich doch noch fing und trotz der Pleiten in Ingolstadt und Hannover den vierten Platz sicherte. Blicken wir also auf jeden einzelnen unserer Helden:

Im Tor – Sommer unumstritten

Yann Sommer (32 Einsätze, kein Tor, Kicker-Notenschnitt 2,98) ist als Stammtorwart natürlich vollkommen unumstritten. Ein im Heimspiel gegen Manchester City erlittener Nasenbeinbruch setzte ihn nur im Spiel gegen Wolfsburg außer Gefecht, zudem bekam Tobias Sippel am letzten Spieltag noch einen Einsatz geschenkt. Auch wenn die Anzahl der Gegentore deutlich gestiegen ist und Sommer  – auch aufgrund der permanenten Umformierung der Abwehr vor ihm  – nicht mehr ganz die Souveränität des ersten Jahres ausstrahlte, hat er in Summe dennoch den hervorragenden Eindruck bestätigt. Sein Torwartspiel ist intelligent und sachlich, Showeinlagen sind ihm vollkommen fremd. Herausragend ist weiterhin seine Qualität mit dem Ball am Fuß – das Anlaufen des Torwarts nach Rückpässen war kein bevorzugtes taktisches Mittel der Gladbacher Gegner. Hat Yann Sommer auch Schwächen? Bedingt durch seine für einen Torwart eher geringe Größe und zierliche Statur hält der emotional involvierte Beobachter manchmal die Luft an, wenn Sommer bei Ecken und Flanken im Getümmel hohe Bälle abwehren muss. Allerdings weisen die diversen Einzelkritiken verschiedener Websites keine einzige Situation aus, in der das zu einem Gegentor führte – vielleicht also eine Phantomschwäche!

Hinter Sommer ordnet sich Tobias Sippel (2 Einsätze, kein Tor, Kicker-Notenschnitt 3,0) als Ersatzkeeper ein, der bei seinen beiden Einsätzen gute Leistungen zeigte. Ob Sippel im Fall der Fälle auch über einen längeren Zeitraum eine Alternative darstellt, lässt sich auf Basis der bisherigen Eindrücke nicht sicher beantworten. Ohne Einsatz blieb Christopher Heimeroth, der voraussichtlich in sein letztes Jahr als aktiver Borusse geht.

Personelle Veränderungen sind im Tor nicht zu erwarten. Zwar gab es Versuche, Yann Sommer die Beschäftigung mit Angeboten aus England in den Mund zu legen. Konkret ist daran aber nichts – weder erscheint der Spieler abwanderungswillig noch würde Max Eberl wohl ernsthaft eine Freigabe für Sommer in Erwägung ziehen. Auch wenn man sich die Nachwuchs-Titanen nicht schnitzen kann – wünschenswert wäre es, wenn es nach dem Karriereende von Christopher Heimeroth in den kommenden Jahren wieder einen jungen Torwart mit Perspektive im Kader gäbe.

Die Defensive – durcheinandergewirbelt!

Hätte irgendjemand vor der Saison geglaubt, dass Andreas Christensen (31 Einsätze, 3 Tore, Kicker-Durchschnittsnote 3,10) der Abwehrspieler mit den meisten Punktspieleinsätzen sein wird? Sicher nicht, deshalb kann man die Leihgabe aus London mit Fug und Recht als die Entdeckung der Saison bezeichnen: Keine Nervosität auch gegen große Gegner, klare Abwehrarbeit, das Fehlen jeglicher Aussetzer, sauberes Aufbauspiel ohne den Versuch über die eigenen Fähigkeiten hinaus zu glänzen, eigentlich keine sichtbaren Schwächen – Christensen spiele eine für sein Alter erstaunlich reife Saison. Eine fast schon zu reife Saison – zu befürchten ist, dass man das auch beim Leihgeber registriert hat. Die Verhandlungen mit Chelsea über eine feste Verpflichtung von Christensen werden sicher schwierig und teuer, wenn überhaupt Verhandlungsbereitschaft besteht.

Havard Nordtveit (31 Einsätze, 4 Tore, Kicker-Durchschnittsnote 3,54) avancierte in dieser Saison zum unumstrittenen Stammspieler, eine Rolle, die im zuvor verwehrt blieb. Kämpferisch über jeden Zweifel erhaben war Nordtveit in der Innenverteidigung deutlich besser aufgehoben als im defensiven Mittelfeld – dort fehlen ihm im Vergleich mit Xhaka und Dahoud sichtbar die spielerischen Fähigkeiten. Mit Nordtveit verliert Borussia einen stets verlässlichen, soliden Spieler – vielleicht wird sich sein Wert erst dann erweisen, wenn er nicht mehr da ist.

Der schwedische Nationaltrainer muss eine unfassbare Auswahl an Weltklasse-Linksverteidigern haben – anders ist nicht zu erklären, dass Oscar Wendt (30 Einsätze, 3 Tore, Kicker-Durchschnittsnote 3,38) keinerlei Berücksichtigung in der Nationalmannschaft mehr findet. Wendt kann man durchaus als einen Gewinner des Trainerwechsels bezeichnen. Zwar war er auch vorher schon unumstrittener Stammspieler – dennoch wurde immer wieder deutlich, dass der Offensivdrang Wendts und das vergleichsweise starre Positionsspiel unter Lucien Favre öfter einmal miteinander in Konflikt gerieten. Mit dem Trainerwechsel lösten sich diese „Fesseln“ – Wendt konnte fortan ungehindert seine Freude an der Offensive ausleben. In der Konzeption André Schuberts haben sich zunächst die Außenverteidiger der Viererkette deutlich nach vorn verschoben, bevor später nach der Umstellung auf Dreierkette Oscar Wendt eher zum linken Mittelfeldspieler avancierte.  Die offensivere Ausrichtung ging natürlich zulasten der defensiven Stabilität – das ist aber systemimmanent und nicht dem Spieler vorzuwerfen.

Bewegte sich die Saison von Wendt im Rahmen der Erwartungen, kann man die Entwicklung von Nico Elvedi (21 Spiele, kein Tor, Kicker-Durchschnittsnote 3,69) nur als erstaunlich bezeichnen. Elvedi war eine Perspektivverpflichtung und ganz sicher nicht für die erste Elf eingeplant – dem entsprechend waren seine ersten Einsätze an den Spieltagen 12 – 14 jeweils Kurzeinsätze über wenige Minuten. Ab dem Sieg gegen Bayern war Elvedi plötzlich Stammspieler, obwohl seinen Leistungen die fehlende Erfahrung anzumerken war. Elvedi ist einer der Spieler, an denen sich die Geister scheiden – manch einer sieht in ihm den nächsten Rohdiamanten, der nur durch Spielpraxis noch geschliffen werden muss. Andere Beobachter wunderten sich ob der unübersehbaren Defizite z.B. im Zweikampf und im Stellungsspiel und angesichts manch eines Flüchtigkeitsfehlers, wie Elvedi es wohl geschafft haben mag, Korb dauerhaft aus der Stammelf zu verdrängen.

Julian Korbs (17 Einsätze, 1 Tor, Kicker-Durchschnittsnote 3,47) Saison kann nur als Wechselbad der Gefühle bezeichnet werden. Nach schleppendem Beginn blühte er nach dem Trainerwechsel förmlich auf. Für ihn gilt dasselbe wie für Oskar Wendt – die gelösten taktischen Fesseln gaben ihm Raum, plötzlich seine fußballerischen Qualitäten auch nach vorn auszuspielen. Herausragende Leistungen waren z.B. in den Spielen gegen Eintracht Frankfurt, Schalke und auch Bayern München in der Hinrunde zu verzeichnen. Wäre die Saison so weiter gegangen, würde heute wahrscheinlich darüber diskutiert, ob Korb entweder zu Recht im EM-Kader steht oder zu Unrecht von Löw ignoriert wird, weil er Gladbacher ist. Die Saison ging aber nicht so weiter: Nach zwei etwas schwächeren Spielen zu Beginn der Rückrunde – was aber die gesamte Mannschaft betraf – war Korb plötzlich komplett außen vor. Warum das so ist, bleibt das Geheimnis des Trainers und ist von außen – auch angesichts der Defizite von Elvedi – nicht recht nachvollziehbar. Sollte Korb bei Borussia keine Perspektive mehr sehen und einen Vereinswechsel in Betracht ziehen, wäre das ein klarer Verlust und auch ein unglückliches Signal an echte Eigengewächse.

Verlief die Saison von Julian Korb unglücklich, kann man bei Tony Jantschke (12 Einsätze, kein Tor, Kicker-Durchschnittsnote 4,11) nur eine Seuchensaison konstatieren: Zuerst nahm er den miserablen Auftakt der Saison voll mit und war offensichtlich weder in Form noch in der Lage, seinen Mitspielern Stabilität zu verleihen. Danach verletzt, zurückgekommen und noch einmal verletzt, dieses Mal richtig schwer, reichte es am Ende der Saison nur noch zu drei Einwechslungen, wieder unterbrochen durch eine Verletzung. Eine der offenen Fragen für die neue Saison ist, ob und auf welcher Position ein fitter Tony Jantschke einen Platz im Schubert-System findet.

Bei Martin Hinteregger (10 Einsätze, kein Tor, Kicker-Durchschnittsnote 3,64) stellt sich diese Frage nicht. In der Winterpause aus Österreich ausgeliehen, stellte sich die Bundesliga als (noch) eine Nummer zu groß für Hinteregger dar. Unübersehbar seine Schnelligkeitsprobleme, die nicht vorhandene Wendigkeit. Bei seinen Einsätzen als Linksverteidiger kamen auch technische Probleme im Spielaufbau dazu – die Entscheidung, Hinteregger nicht zu verpflichten ist absolut nachvollziehbar.

Marvin Schulz (8 Einsätze, kein Tor, Kicker-Durchschnittsnote 4,0) fand sich Anfang der Saison recht unerwartet in der Startelf wieder. Nach drei Niederlagen und einer Menge Lehrgeld – ohne dass man den Eindruck hatte, Schulz spielentscheidende Fehler zur Last legen zu müssen -  reichte es im Anschluss noch zu 4 Einwechslungen in der Hinrunde, ehe Schulz im letzten Spiel in Darmstadt noch einmal von Anfang an ran durfte. Bei Schulz wird abzuwarten sein, ob er in der neuen Saison zu Einsätzen kommt. Ist dies nicht der Fall, wäre er sicher ein Kandidat für eine Ausleihe, um ihm Spielpraxis zu geben und seine weitere Entwicklung zu fördern.

Die Entwicklung von Roel Brouwers (8 Einsätze, kein Tor, Kicker-Durchschnittsnote 4,33) bei Borussia ist dagegen mit dem Ende der Saison zu ihrem Abschluss gekommen. Über das, was Roel für Borussia geleistet hat und was er für den Verein, die Mannschaft und die Fans bedeutete, muss man nicht viel schreiben – jeder weiß das. Deshalb: Auch wenn das Ende logisch war, Roel wird fehlen!

Fehlen in diesem Überblick über die Leistungen der einzelnen Spieler nur noch die absoluten Seuchenvögel: Dass Alvaro Dominguez (6 Einsätze, kein Tor, Kicker-Durchschnittsnote 3,10) und Martin Stranzl (4 Einsätze, kein Tor, Kicker-Durchschnittsnote 4,0) die beiden Defensivspieler mit den wenigsten Einsätzen sein werden, hätten wohl vor der Saison die wenigsten geglaubt. Dennoch war vor allem Dominguez sehr wichtig – die kurze Phase, in der er fit war, fällt zeitlich exakt mit der Siegesserie im Herbst zusammen. In der Bundesliga ist Borussia mit Dominguez ungeschlagen bei nur einem Unentschieden und nur 5 Gegentoren in 6 Spielen. Zufall ist das sicher nicht – an der Seite des erfahrenen Dominguez funktionierte jeder einzelne Mitspieler in der Defensive besser. Dass mit einem durchweg einsatzfähigen Dominguez in dieser Saison vielleicht noch mehr als der vierte Platz drin gewesen wäre, ist sicher keine abwegige Annahme. Bleibt also zu hoffen, dass die Operation den Patienten nachhaltig wieder auf die Beine gebracht hat und dass Dominguez nach der Sommerpause wieder richtig durchstartet. Vertraut man dem Heilungsverlauf, wäre das zeitnahe Angebot einer Vertragsverlängerung sicherlich das richtige Signal an den Spieler. Bei Martin Stranzl dagegen war schon in der letzten Saison absehbar, dass er dem Alter Tribut zollen muss. So kam es denn auch – auch wenn die gegen den HSV erlittene Gesichtsverletzung alles andere als altersbedingt war. Das Zurückkommen danach gelang Stranzl aber nicht mehr. Für ihn gilt dasselbe wie für Roel Brouwers – der Rücktritt ist nachvollziehbar, aber jeder wird ihn vermissen.

In die Kategorie der Seuchenvögel fällt auch Nico Schulz (1 Einsatz) – mutmaßlich auch als Backup für Wendt geholt hatte er nur 20 Minuten Spielzeit, ehe ihn ein Kreuzbandriss für den Rest der Saison außer Gefecht setzte.  

Klar ist, dass mit den Abgängen von Nordtveit, Stranzl und Brouwers, der aus unterschiedlichen Gründen unsicheren Perspektive bei Dominguez, Jantschke, Schulz & Schulz und Korb sowie dem denkbaren Abgang von Christensen und Dominguez im Folgejahr die Kaderplanung in der Defensive eine Herausforderung darstellt. Dabei gilt es, nach Möglichkeit Kontinuität auch über die kommende Saison hinaus sicherzustellen. Und schließlich stellt sich auch die Systemfrage: Wird Borussia zukünftig generell auf eine Dreierkette setzen oder ist auch eine Rückkehr zur Viererkette denkbar? In Abhängigkeit von der Beantwortung dieser Frage sind unterschiedliche Schwerpunktsetzungen denkbar. Mit Strobl und wahrscheinlich auch Vestergaard sind erste Schritte getan – dennoch bleibt die weitere Entwicklung spannend …